Anteilscheine an der Zukunft des Dorfs
21.06.2022 Bezirk Sissach, KienbergJürg Gohl
«In Kienberg lässt sich wohnen und vor allem leben!» So steht es, versehen mit einem fetten Ausrufezeichen, gleich zuoberst auf der Website der Solothurner Zipfelgemeinde an der Grenze zum Baselbiet. Dazu steht für Gutsituierte reichlich günstiges Bauland ...
Jürg Gohl
«In Kienberg lässt sich wohnen und vor allem leben!» So steht es, versehen mit einem fetten Ausrufezeichen, gleich zuoberst auf der Website der Solothurner Zipfelgemeinde an der Grenze zum Baselbiet. Dazu steht für Gutsituierte reichlich günstiges Bauland zur Verfügung. Doch Kienberg will nicht nur auf Neuzuzüger schielen, sondern auch Einheimischen günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen können, vor allem den jüngeren und den älteren.
Für das Projekt wurde die alte, in die Jahre gekommene Liegenschaft der Gemeinde an der Hübelistrasse 26, also in zentraler Lage, ausgesucht. Dort entsteht ein neues, dreistöckiges Haus. Geht es nach den Plänen der Gemeinde, wird dort ein neuer Wohnbau mit insgesamt sechs Wohnungen errichtet. Sie sollen mit schönem Aussenbereich ausgestattet und vor allem «bezahlbar» sein, heisst es im Projektbeschrieb. Im Bereich der Ökologie wird es auf dem aktuellsten Stand ausgestattet sein, den Minergie-P-Standard erfüllen und behindertengerecht ausgestaltet sein. Der Heimatschutz wurde eingebunden, und auf dem Papier sind die Pläne ausgereift.
Auch wenn die Gemeinde Kienberg das vergangene Jahr trotz roten Budgets in den schwarzen Zahlen abgeschlossen hat, kann sie es sich nicht leisten, diesen fast 3 Millionen teuren Bau zu finanzieren, zumal zuletzt die Schule und die Mehrzweckhalle für 3,1 Millionen Franken saniert werden mussten. So entschloss man sich, eine Genossenschaft zu gründen, die den Bau finanzieren soll.
Dass diese Körperschaft der Gemeinde nahesteht, lässt sich daran erkennen, dass Adriana Marti-Gubler, die aktuelle Gemeindepräsidentin (und frühere «Volksstimme»-Redaktorin), in der Genossenschaft als Vizepräsidentin amten soll, dass dort mit Christoph Hürbin ein weiterer Gemeinderat Einsitz nimmt und dass mit Ruedi Bienz ein früherer Gemeindepräsident für das Genossenschaftspräsidium vorgesehen ist. Auch hat die Gemeinde bereits ein Darlehen versprochen.
Bau kostet 2,9 Millionen Franken
Übermorgen Donnerstag wird die Baugenossenschaft Kienberg, wie sie heisst, gegründet. Es soll sich dabei nicht einfach um einen rein formellen Akt handeln. Mit ihm soll auch die Freude am Projekt geweckt und über Pläne informiert werden – nicht nur die Baupläne, sondern auch über den Zeitrahmen und das Budget. Denn um das 2,9 Millionen Franken teure Haus finanzieren zu können, benötigt die Genossenschaft 500 000 Franken, also Genossenschafter, die Anteilscheine à 1000 Franken zeichnen.
Das ist für eine Gemeinde mit 500 Einwohnerinnen und Einwohnern eine hohe Summe. Ruedi Bienz kann schon Personen aufzählen, die – für ihn überraschend – bereits Anteilscheine bestellt haben, und auch die Kirchen wollten mitmachen. Er stellt eine Rendite von 1,5 Prozent in Aussicht. Gleichwohl ist er sich bewusst: «Diese Summe zusammenzubekommen, ist für uns die grösste Herausforderung.»
Das Dorf erhalten
Problematisch für ihn sind auch andere Entwicklungen wie die Lieferengpässe gerade beim Bauen, die steigenden Zinsen und die Fördergelder des Bundes, die noch nicht an diese neuen Entwicklungen angepasst sind. Und die Gesamtkosten sind ebenfalls von ursprünglich 2,6 auf 2,9 Millionen Franken geklettert.
Doch an der Hübelistrasse 26 geht es um weit mehr als um sechs Wohnungen. Eine Studie zweier FHNW-Studentinnen zur Zukunft der Gemeinde führte zum Schluss, dass Kienberg bis in 20 Jahren 100 Einwohner einbüssen könnte und damit in seiner Selbstständigkeit gefährdet wäre, wenn besonders im Wohnangebot nichts geht. Das Fazit der Studie lautet: «Es muss etwas geschehen in Kienberg.»