Interview Christian Horisberger

Herr Zumbrunn, was gibt es für Ihr Korps vier Tage nach dem Feuer noch zu tun?
Christoph Zumbrunn: Bis auf Abrechnungssachen ist die Sache für uns abgeschlossen. Da es sich nicht um einen Orts-, sondern um einen Stützpunktfeuerwehreinsatz handelte, stellen wir unsere Dienstleistung der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung in Rechnung.

Wann war der physische Einsatz der Stützpunktfeuerwehr abgeschlossen?
Am Samstag um 20 Uhr rückten unsere letzten Leute vom Brandort ab, dann galt es, unsere Einsatzbereitschaft wieder herzustellen. Um 22 Uhr war der Ersteinsatz beendet. Am Sonntagmorgen wurde das restliche Material gereinigt. In der Folge rückten wir bis Montagabend noch viermal für Nachlöscharbeiten aus, als es wieder zu brennen begann, was bei solchen Grossereignissen üblich ist. Für die Brandwache leisteten in der Folge noch frische Kräfte der Feuerwehren Gelterkinden sowie Wenslingen/Oltingen Unterstützung. Wir und «Delta» waren nach dem zehnstündigen Einsatz «abgekocht».

Wie viel Material und Personal des Stützpunkts standen im Einsatz?
Wir waren mit 55 Leuten, zwei Löschfahrzeugen, einem Hubretter, einem Wechsellader mit einem Wassertank sowie sechs Fahrzeugen für Mannschafts- und Materialtransport vor Ort. Nur eines unserer Fahrzeuge verblieb im Magazin.

Wie oft rückt Ihre Einheit bei Bränden dieser Dimension aus?
Ich kann es nicht statistisch belegen, aber ich würde von einem Fünf- oder Zehnjahresereignis sprechen. Ähnliche Dimensionen hatten die Grossbrände auf einem Industrieareal in Laufen im Jahr 2020 oder eines Industriebetriebs in Füllinsdorf 2018. Im Gegensatz zum Feuer in Diepflingen standen wir dort aber nur als Unterstützung oder Ablösung in der dritten Reihe.

Waren Sie bei einem ähnlichen Ereignis schon einmal Einsatzleiter?
Nein. Ich stiess 2009 zur Sissacher Feuerwehr. Damals ereignete sich der Brand bei der früheren «Von Arx» in Sissach. Ich war in den Einsatz involviert, aber nicht als Verantwortlicher.

Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten: Sie sind «nur» Oberleutnant, am Samstag war Ihr Kommandant Raphael Zaugg in Diepflingen vor Ort. Dennoch leiteten Sie den Stützpunktfeuerwehreinsatz.
Unsere Regelung sieht vor, dass tagsüber jener Offizier, der einen Alarm als Erster quittiert, die Einsatzleitung übernimmt. Bei Einsätzen von 18 bis 6 Uhr und an Wochenenden steht der Pikettoffizier in der Verantwortung. Als Mitglied des erweiterten Kommandos war ich vergangene Woche als Einsatzleiter eingeteilt. Wir pflegen die Kultur, dass man den Pikettoffizier beim Einsatz machen lässt und er nicht von einem höherrangigen Kadermitglied – auch nicht vom Kommandanten – abgelöst wird.

Weshalb?
Einsatzerfahrung ist das A und O des Feuerwehrdienstes: Je mehr Erfahrung, desto besser die Feuerwehr. Das gilt sowohl für die Einsatzleiter, die alle für diese Aufgabe ausgebildet sind, als auch für die Mannschaft. Wir geben allen im Korps dieselbe Möglichkeit, zu Einsätzen zu kommen. Für die meisten Einsätze wird nur ein kleiner Teil der Truppe alarmiert. Damit alle regelmässig zum Zug kommen, haben wir für die Alarmierung der Mannschaft ein Rotationsprinzip eingeführt. In anderen Korps werden bestimmte Gruppen für die Einsätze priorisiert.

Wollen denn alle Feuerwehrleute zum Zug kommen, wenns ernst gilt?
Unbedingt. Wenn es Reklamationen gibt, dann, weil jemand zu wenig zum Zug kommt.

Wie viele Leute aus Ihrer Truppe wurden am Samstag alarmiert?
Zunächst die Hälfte. Als wir uns dem Brandort näherten und zuerst die Rauchsäule und dann die hochschlagenden Flammen sahen, war klar, dass es sich um keinen normalen Dachstockbrand handelt. Deshalb dehnten wir das Aufgebot auf unseren gesamten Bestand mit 100 Leuten aus. 55 von ihnen waren verfügbar. Zudem forderten wir einen Löschzug des Stützpunkts Liestal an.

In Diepflingen standen vier Feuerwehren im Einsatz. Wie schafft man es, dass sich all die Leute und ihre jeweiligen Einsatzleiter nicht in die Quere kommen?
Es gibt eine klare Rangordnung. Das braucht es. Man muss wissen, wer der Chef ist und die Verantwortung trägt. Das wird akzeptiert. In Diepflingen hatte der Einsatzleiter der Feuerwehr Delta (Diepflingen, Thürnen, Böckten) das Sagen, obwohl der Stützpunkt Sissach zum selben Zeitpunkt alarmiert worden war. Als beide Feuerwehren fast gleichzeitig am Brandort eintrafen, war am Anfang keine Zeit für grosse Absprachen. Es war ein derartiges Inferno, dass alle sofort taten, was sie konnten. Sobald die erste Akutphase bewältigt war, hatte man Zeit, um ein strukturierteres Vorgehen zu besprechen. Als das Feuerwehrinspektorat eintraf, übernahm dieses die Gesamteinsatzleitung.

Auch die Feuerwehr Homburg und die Stützpunktfeuerwehr Liestal waren involviert. Weshalb?
Ich habe sie aufgeboten, weil am Anfang Personal- und Materialmangel herrschte: In der Schutzkleidung bei 35 Grad Aussentemperatur, an der prallen Sonne und in der Nähe des wütenden Feuers war es für die Feuerwehrleute brutal heiss. Da war klar, dass wir für rasche Ablösungen mehr Ressourcen benötigen. Je nach Aufgabe und Position musste man die Leute schon nach wenigen Minuten pausieren lassen. Ausserdem hatten wir Probleme mit dem Löschwasser-Nachschub.

Was für welche?
Wir haben schon nach kurzer Zeit festgestellt, dass das Wasser, das wir trotz Löschwasserreserve ab dem Diepflinger Netz bezogen, knapp wird. Der grosse Bezug hat das Netz schlicht überfordert. Wir mussten beim Löschen den Verbrauch drosseln, bis wir Transportleitungen nach Thürnen erstellt hatten und zusätzlich Löschwasser mit 12-Kubik-Tankladern von Wittinsburg nach Diepflingen shutteln konnten.

Ging beim Einsatz das Löschwasser denn auch einmal ganz aus?
Das nicht, aber vorübergehend mussten wir die meisten Verbraucher stark zurücknehmen. Mit einem Hubretter etwa könnte man in einer Minute 2500 Liter rauslassen.

Hätte sich der Schaden ohne Wassermangel eindämmen lassen?
Nein. Der Schaden am betroffenen Gebäude hat sich ab dem Moment, als wir vor Ort waren, bis wir abrückten, kaum verändert: Es war von Anfang an ein ziemlicher Totalverlust. Ein Erfolg war, dass wir die Nachbarliegenschaften sowie das angebaute Wohnhaus halten konnten. Mit Letzterem hatten wir lange nicht gerechnet. Das Haus ist zwar nicht mehr bewohnbar, aber zumindest wurde das Hab und Gut der Bewohner nicht vernichtet.

Waren auch Personen zu retten?
Nein. Als wir eintrafen, gab es zunächst gewisse Meldungen, dass noch Menschen in Gefahr sind, das klärte sich dann aber rasch.

Bei gewissen Einsätzen kommt jede Hilfe zu spät. Wie geht man damit um?
Mit Todesopfern sind wir am ehesten bei Verkehrsunfällen konfrontiert, zu denen wir gerufen werden. Der Unfall, der sich kürzlich auf der Autobahn bei Zunzgen ereignete, war für unsere Leute sehr belastend. Da ist es sehr wichtig, nach dem Einsatz und auch Tage danach mit den Beteiligten zu sprechen, um das Erlebte zu verarbeiten. Brände sind vor allem körperlich anstrengend. Das Risiko, dass hier jemand ein Trauma erleidet, ist gering.

Zur Person

ch. Christoph Zumbrunn ist 45-jährig und gehört als Oberleutnant dem erweiterten Kommando der Stützpunktfeuerwehr Sissach an. Der Maschineningenieur und Projektleiter lebt mit seiner Partnerin seit 9 Jahren in Sissach und ist Vater zweier Töchter. Aufgewachsen ist er in Tenniken, wo er mit 18 Jahren in die Feuerwehr eintrat. Feuerwehrpflichtig ist er nicht mehr.

«Es war ein Inferno»

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title