«Bottewage» und andere ÖV-Geschichten
28.06.2022 Bezirk Liestal, Kultur, Gemeinden, Gesellschaft, ZiefenMit Rémy Suter auf einem Abendspaziergang
Unter dem Titel «Von Fuhrhaltern, Boten, Postillionen und Chauffeuren» sprach Lokalhistoriker Rémy Suter auf einem Abendspaziergang durch Ziefen über die Anfänge des öffentlichen Verkehrs.
Elmar Gächter
Man ...
Mit Rémy Suter auf einem Abendspaziergang
Unter dem Titel «Von Fuhrhaltern, Boten, Postillionen und Chauffeuren» sprach Lokalhistoriker Rémy Suter auf einem Abendspaziergang durch Ziefen über die Anfänge des öffentlichen Verkehrs.
Elmar Gächter
Man schreibt den 24. Januar 1760. Heinrich Hartmann und Heinrich Recher, ihres Zeichens Meier (Gemeindepräsident) beziehungsweise Gemeindeschaffner (Kassier) von Ziefen, reichen beim Vogt auf Schloss Waldenburg eine Bittschrift ein. Die hohe Obrigkeit zu Basel wolle ihnen doch gnädigst bewilligen, an der Landstrasse unterhalb von Ziefen eine Brücke zu bauen. Der Ziefner Müller fahre alle Wochen ein- bis zweimal nach Basel und weil der Fahrweg durch den Bach gehe, müssten Fuhrmann und Pferde öfters das Leben wagen. «Mit dieser Bittschrift wurde der ‹Bot› hier erstmals aktenkundig, auch wenn er damals noch nicht so hiess», wie Lokalhistoriker Rémy Suter den rund 20 Interessierten am vergangenen Freitagabend kundtat. Eingeladen zum Rundgang hat der «Verein 4417», ehemals «Verein für Heimatpflege Ziefen».
Es begann 1806
Als eigentliches Gewerbe nahm der Botendienst in Ziefen 1805 im «Bottehuus» an der Hauptstrasse seinen Anfang. Der Bote wurde von der Gemeinde gewählt und war primär Spediteur. Mit den schweren Fuhrwerken, meist von zwei Pferden gezogen, führte er nicht nur Seidenbändel nach Basel, sondern auch Waren aller Art, selbst Briefe. «Es verkörperte sozusagen das erste öffentliche Verkehrsmittel, bevor später die Postkutsche kam», so Suter.
Es ranken sich amüsante Geschichten um das alte Transportgewerbe. So schildert Jonas Breitenstein, Ziefens berühmter Sohn, in seinem Werk «Die Baselfahrt», wie Knabe Christeli eine der Fahrten miterlebte. «Auf erhabenem Sitze der weisse Spitzer des Boten. Hinter ihm, tiefer im Wagen, lag der betagte, erfahrene Bote, mit seinen bis oben zugeknöpften Hosen aus Halbleinen und der kurzen Jacke von gleichem Stoff. Seine weisse Zipfelmütze tief über das Gesicht gezogen und die lederne, fest geschlossene Brieftasche um den Leib geschnallt. Und wachte nicht eher auf, als bis sein frommer Schimmel und sein zuverlässiger Choli unwiderruflich beim Neuheusler oder beim Engel in Liestal stehen blieben, um ihre gewohnte Ration Futter einzunehmen. Waren doch beide mit dem Reisen und dem Weg durch hundertfache Übung wohl vertraut und man konnte sicher darauf rechnen, dass sie auch ohne ihres Führers zutun punkt sechs Uhr morgens durch das Äschentor in Basel einrücken würden.» Mit Martin Recher, dem Bote-Marti, als letztem Boten hörte das Gewerbe 1921 auf, in Ziefen zu existieren.
Der Omnibus
In Paris machte derweil ein anderes Gefährt von sich reden: der Omnibus, die Bezeichnung hergeleitet vom Lateinischen «für alle». Der Pferdestellwagen für Personentransporte verbreitete sich auch im Baselbiet, er durfte den Namen Omnibus gemäss Weisung der Pariser Behörden jedoch nur in der Seine-Stadt tragen. So geisterten hier, auch wieder gemäss Jonas Breitenstein, die seltsamsten Bezeichnungen für das neue Transportmittel herum, von «Ronimus», über «Monibus» bis «Ohnimus». Allerdings sollten die neuen Busse so schnell verschwinden wie sie gekommen waren. «Speziell interessant ist, dass in der Boutique unseres letzten Wagners im Dorf, Hans Schlumpf, Konstruktionspläne für den Bau eines Omnibus zu finden waren, obwohl Guschti-Hans, so sein Dorfname, nie einen solchen Wagen gebaut hat», wie Rémy Suter erwähnt.
Ab 1850 stand nur noch der eidgenössischen Post das Recht für das öffentliche Transportieren zu und so bedienten die ersten Postkutschen auch das Baselbiet. Das Fünflibertal musste allerdings noch fünf Jahre lang warten, bis die gelben Gefährte auch hier haltmachten. Die Postoberen hatten zuvor eine neue Strasse mit jenen Brücken verlangt, die Hartmann und Recher bereits 100 Jahre vorher moniert hatten. Ein grosser Augenblick für das Tal brach mit den ersten motorisierten Martiniwagen an. Mit der Gründung der «Automobil-Aktiengesellschaft Liestal-Reigoldswil» anno 1905 kam das Fünflibertal zur ersten konzessionierten Automobilkursstrecke der Schweiz. Von 1926 bis 1964 amtete der Ziefner Walter Keller, unter anderem Polizeichef des Baselbiets, als Verwaltungsratspräsident jenes Unternehmens, das sich heute Autobus AG Liestal nennt.
Einzelne Häuser, wie etwa das «Bottehuus» oder das Gebäude an der Ribygasse 1, wo ehemals die Post logierte, zieren nach wie vor das Dorf Ziefen. Mit solchen Zeugen einer längst vergangenen Zeit lassen sich auch immer wieder spannende, interessante und amüsante Geschichten verbinden. Solche will der begnadete Erzähler Rémy Suter auch künftig an Abendspaziergängen erzählen.
www.jonas-breitenstein.ch www.verein4417.ch
Hörbuch
emg. In der Erzählung «Die Baselfahrt» beschreibt Jonas Breitenstein in behaglicher Breite das neue Verkehrsmittel zwischen Basel und den Baselbieter Dörfern, den Omnibus mit seiner ganzen Vielfalt an Fahrgästen. Das Hörbuch auf 3 CDs ist im Buchhandel erhältlich.