Vom Suchen und Finden
24.05.2022 Känerkinden, PorträtNathalie Sutter ist leidenschaftliche Schnittmuster-Probenäherin
Nathalie Sutter brennt fürs Nähen. Losgelegt damit hat sie nach einer radikalen Entscheidung an ihrem 45. Geburtstag und dem Besuch eines Nähkurses. Seither ist sie nicht mehr zu bremsen.
Brigitte ...
Nathalie Sutter ist leidenschaftliche Schnittmuster-Probenäherin
Nathalie Sutter brennt fürs Nähen. Losgelegt damit hat sie nach einer radikalen Entscheidung an ihrem 45. Geburtstag und dem Besuch eines Nähkurses. Seither ist sie nicht mehr zu bremsen.
Brigitte Keller
Es beginnt immer mit einer Suche. Entweder hat Nathalie Sutter ein tolles Schnittmuster und sie sucht den richtigen Stoff dazu. Oder der Stoff ist vorhanden und sie sucht nach einem passenden Schnitt dafür.
Am Anfang steht also immer eine Suche. Oder besser gesagt, die Vorfreude aufs Finden. In dieser Phase lässt sich Sutter im Internet inspirieren und bleibt dort auch mal halbe Nächte lang hängen. Etwa so, wie ein Jäger auf der Pirsch.
Dann, wenn Muster und Stoff beisammen sind, legt sie los und ist ganz kribbelig auf das Resultat. Vor ihrem inneren Auge sieht sie alsbald das fertige Kleidungsstück vor sich. Wenn dann der Moment da ist, das erste Mal hineinzuschlüpfen und zu spüren, dass es passt und sitzt, empfindet sie «reines Glück».
Die kreative Ader war schon immer da, nur blieb keine Zeit, sie auszuleben. Die ganze Energie und Zeit steckte Sutter in ihre Berufstätigkeit als Teilhaberin und Mitglied der Geschäftsleitung einer internationalen Treuhandfirma. Kunden rund um den Globus und neue Kommunikationsmittel brachten es mit sich, auch abends und in den Ferien immer erreichbar sein zu müssen. Es wurde immer schwieriger, abzuschalten und sich zu erholen. Eines Tages, es war an ihrem 45. Geburtstag in den Ferien, brachte ein geschäftlicher Anruf das Fass zum Überlaufen.
Ein anderes Leben
Heute, gut fünfeinhalb Jahre später, führt Sutter ein ganz anderes Leben. Sie ist sowohl versierte Schnittmuster-Probenäherin als auch Design-Näherin für Stoffhersteller. Das Feuer entfacht hat ein eineinhalbtägiger Nähkurs in der Migros Klubschule. Den Kurs belegt hatte Sutter hauptsächlich, um die Technik der neusten Generation von Nähmaschinen zu erlernen respektive sich die Angst davor zu nehmen. Danach machte sie sich erst einmal daran, Kinderkleider zu nähen. Dies aus zwei guten Gründen: Erstens wurde ihr Lebenspartner gerade Grossvater und zweitens brauchen Kinderkleider nicht so viel Stoff, was kostengünstiger ist, wenn anfangs noch nicht alles gelingen will.
«Wenn ich einmal Feuer gefangen habe, dann brennt’s», so Sutter. Via Internet und Soziale Medien tauchte sie voll und ganz in die Welt des Nähens ein. Dort fand sie Inspiration, Tipps und Kurse, so wie beispielsweise die Tutorials von «Pattydoo», die sie wärmstens empfehlen kann. Hinter diesem Namen steht eine junge deutsche Schneiderin, die hilfreiche Video-Anleitungen im Internet zur Verfügung stellt. Bald schon wagte es Nathalie Sutter, sich als Probenäherin für eine Schnittmusterfirma zu bewerben.
Sie wurde damals als eine von rund zwanzig Näherinnen ausgewählt, ein Kleid nach Vorgabe zu schneidern und dem Anbieter Feedback für Anpassungen und Fotos im fertigen Kleid zu liefern. Sich als Probenäherin zur Verfügung zu stellen, wird nicht vergütet. Der Lohn für die Arbeit ist ideell: Sich Herausforderungen zu stellen und diese zu meistern, dranzubleiben und laufend dazuzulernen. Und natürlich die positiven Rückmeldungen der Internet-Community auf die publizierten Fotos in den Sozialen Medien.
Gefragte Probenäherin
Mittlerweile ist Sutter eine gefragte Probe- und Design-Näherin. Sie möchte sich aber nicht zu sehr vereinnahmen lassen und sich ihre gewonnene Freiheit bewahren, zu tun und zu nähen, was ihr gefällt. Tipps und Tricks und Auskünfte an andere Frauen, die sich wie sie dem Nähen verschrieben haben, gibt sie aber gerne und ausgiebig weiter. Alle diese Anfragen zu beantworten, braucht zwar einiges an Zeit, sind aber gleichzeitig auch Bestätigung für ihre Arbeit. Da sie selber davon profitieren konnte, dass ihr andere anfangs weitergeholfen haben, versteht es sich für sie von selbst, dies ebenfalls zu tun.
Das Posieren mit den fertigen Kleidern gehört ebenfalls zum Deal mit den Herstellern. Es ist ein wichtiger Teil des Ganzen, denn erst die Fotos der gelungenen Stücke animieren die Kundschaft dazu, sich die Anleitungen und Stoffe zu kaufen. Als Model zu posieren, daran musste sich Sutter aber zuerst gewöhnen. Ihr Lebenspartner fungiert nach anfänglicher Skepsis als Fotograf. Sie sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Und ihre Mutter, Marianne Grummel-Sutter, amtete auch schon als Model. Als Hintergrund für die Fotos fällt die Wahl dabei gerne auf den heimischen Park rund ums Schloss Ebenrain. Die so entstandenen Nähwerke finden sich unter «Nathalies_ Naht» bei Instagram und Facebook.