Resozialisierung statt Gefängnis
17.05.2022 NiederdorfVier ehemalige Arxhof-Insassen über ihr Leben
Mit Erfahrungsberichten von Bewohnern des Arxhofs wurde das 50-Jahre-Jubiläum des Massnahmezentrums begangen. In Liestal erzählten vier junge Männer mit Selbstironie und Humor, wie sie den Weg aus der Kriminalität ...
Vier ehemalige Arxhof-Insassen über ihr Leben
Mit Erfahrungsberichten von Bewohnern des Arxhofs wurde das 50-Jahre-Jubiläum des Massnahmezentrums begangen. In Liestal erzählten vier junge Männer mit Selbstironie und Humor, wie sie den Weg aus der Kriminalität gefunden haben – dank des Arxhofs.
Thomas Immoos
Viel ermunternden Applaus erhielten vier junge Männer an einer Podiumsveranstaltung in der Kantonsbibliothek Liestal. Dort wurde ein Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Arxhof, das Massnahmezentrum für junge – männliche – Erwachsene. Sehr offen erzählten Luca, Ramon, Michi und Joël, wie sie auf die schiefe Bahn geraten und kriminell geworden sind. Die Einweisung in den Arxhof, abgelegen oberhalb von Niederdorf, war gewissermassen die letzte Chance, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
Moderiert wurde der Anlass vom Anwalt Markus Prazeller, der auch Mitglied der Aufsichtskommission des Arxhofs ist. Und auch Francesco Castelli, der Direktor des Massnahmezentrums, berichtete von seinen Erfahrungen und dem Leben auf dem Arxhof. «Im Mittelpunkt steht die Resozialisierung, nicht die Bestrafung», lautet das Motto des Zentrums. Seit 1971 werden hier straffällige junge Männer zwischen 17 und 25 Jahren eingewiesen, wo sie während vier Jahren bleiben. Das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren. Hier können sie eine Lehre absolvieren – sieben Berufe stehen zur Auswahl: Maler, Schreiner, Gärtner, Metallbauer, Koch, Forstwart und technischer Dienst. Insgesamt finden dort aktuell 46 junge Männer eine Bleibe, wo sie neben Therapien auch eine Ausbildung erhalten.
Institutionalisierte zweite Chance
Für Regierungsrätin Kathrin Schweizer ist der Arxhof die «institutionalisierte zweite Chance, auf die jeder Mensch Anspruch hat». Und einer ihrer Vorvorgänger im Amt, alt Regierungsrat Andreas Koellreuter, ergänzte: «Der Kanton Baselland kann stolz sein auf den Arxhof.» Ansonsten hielten sich die beiden Politiker an diesem Abend zurück, standen doch die vier Männer im Mittelpunkt.
Luca, im Fernsehen als «böser Till» bekannt geworden, blickt auf eine früh begonnene, lange kriminelle Karriere mit mehrfachen Verurteilungen zurück. 196 Anklagepunkte wurden ihm vorgehalten. Dank des Arxhofs hat er Tritt gefasst und ist heute erfolgreich als selbstständiger Unternehmer tätig.
Luca, wie auch seine drei Mitstreiter auf dem Podium, verhehlte aber nicht, dass es nicht immer leicht war: «Es gab oft Tränen und Verzweiflung.» Auch zu Fluchtversuchen kam es. Michi erzählte, wie er nach der Flucht «verständnisvoll wieder in den Arxhof zurückgebracht» wurde. Übereinstimmend hielten die jungen Männer fest, dass es mit ihnen aufwärtsging, als sie ihren Anteil an ihrer Misere akzeptierten und nicht die Schuld beim Umfeld, der Familie, der Schule oder wo auch immer suchten.
Respekt für Mut und Offenheit
Das Publikum zollte den Männern Respekt für ihre Offenheit. Auch erfuhren sie viel Sympathie durch ihre Selbstironie, den Humor und die Gelassenheit, die sie an den Tag legten. Mit Anerkennung und Dankbarkeit blicken die Männer auf die verständnisvollen Lehrmeister zurück. Eher überraschend zeigte sich, dass der Vermerk «Arxhof» im weiteren Berufsleben kaum ein Hindernis darstellt.
So berichtete Michi: «Ich stand immer offen dazu – und ich habe nie negative Reaktionen erfahren.» Ramon ist nach dem Arxhof zur Erkenntnis gelangt, dass man draussen wieder die Freiheit hat, «die einem nur einer nehmen kann – ich selbst». Deshalb wolle man nach der Entlassung alles gut machen. Aber letztlich tue man das dann für sich. Heute ist Ramon stellvertretender Geschäftsführer eines 8-Mann-Betriebs.
Und Joël, der noch im Vollzug ist, absolviert zurzeit eine Lehre auf dem Arxhof und freut sich darauf, nach der Entlassung eigene Wege zu gehen.
Ob die Erfolgsgeschichte für die meisten Ehemaligen des Arxhofs ebenso positiv verlaufen ist, vermag Direktor Castelli nicht zu sagen. Man verliere die Männer aus den Augen. Er wünschte sich mehr Evaluationsforschung über die ehemaligen Arxhof-Bewohner. Er zeigt sich überzeugt, dass viele es schafften: «Auf jeden Fall ist die Rückfallquote tiefer als nach Gefängnisstrafen.»
Zum Arxhof-Jubiläum ist auch ein Buch erschienen, in dem 50 ehemalige Bewohner aus 50 Jahren ihre ganz persönliche Geschichte erzählen: «50 – fünfzig Geschichten für 50 Jahre Arxhof», erschienen im Verlag des Kantons Basel-Landschaft.