«Fahrende Stadt» ist wieder unterwegs
28.05.2022 Bezirk Sissach, Kultur, LausenTourneestart nach Zwangspause für den Circus Olympia
Dominik Gasser ist im Zirkus mit Wasserbüffeln, Löwen und Elefanten gross geworden. Mittlerweile ist er Direktor des Circus Olympia. Nach zweijähriger Zwangspause startete dieser vergangene Woche seine Schweizer Tournee – die Angst, ...
Tourneestart nach Zwangspause für den Circus Olympia
Dominik Gasser ist im Zirkus mit Wasserbüffeln, Löwen und Elefanten gross geworden. Mittlerweile ist er Direktor des Circus Olympia. Nach zweijähriger Zwangspause startete dieser vergangene Woche seine Schweizer Tournee – die Angst, bankrott zu werden, bleibt dennoch bestehen.
Raja Breig
Vergangene Woche startete der Circus Olympia in Lausen nach zweijähriger Corona-Pause seine Schweizer Tournee. Seit Mittwoch steht das rotweisse Zelt nun in Sissach auf dem Concoursplatz bei der Kunsteisbahn. Für Direktor Dominik Gasser stellt die Wiederaufnahme des Zirkusbetriebs eine grosse Entlastung dar – die Zwangspause sei mit grossen finanziellen Einbussen verbunden gewesen. «Die Corona-Zeit hat uns an den Rand der Verzweiflung gebracht», sagt Gasser. Noch immer sei die Angst, alles aufgeben zu müssen, allgegenwärtig: «Wir haben keine Reserven. Wenn das Geschäft schlecht läuft, wird es eng für uns.»
Die tourneefreien Jahre hätten ihn nicht nur finanziell, sondern auch emotional belastet, sagt der 69-Jährige: «Als Zirkusmensch musst du bei den ersten Sonnenstrahlen im März unterwegs sein und das Zirkuszelt aufbauen.» Dies nicht tun zu können, habe sich für ihn angefühlt wie in einem Gefängnis zu sein. Umso grösser sei nun die Freude, endlich wieder auftreten zu können – wenn auch coronabedingt erst im Mai anstatt im März.
Künstlerinnen aus der Ukraine
Neben Artistinnen und Artisten an Trapezen, Ringen, Tüchern und Strapaten stehen dieses Jahr auch russische und marokkanische Clowns sowie ein Hoola-Hoop-Mann aus Belgien in der Manege. Die Künstlerinnen und Künstler stammen aus allen Teilen der Erde, nicht wenige aus der Ukraine – wenn auch kriegsbedingt ausschliesslich Frauen.
Konflikte aufgrund der verschiedenen Nationalitäten gibt es laut Gasser keine. «Im Zirkus existiert Politik nicht. Wäre die ganze Welt ein Zirkus, gäbe es keinen Krieg», sagt er. Mit auf Tournee seien momentan rund 60 Frauen und Männer, knapp 35 davon stehen in der Manege, die restlichen sind im Hintergrund tätig. Damit ist der Circus Olympia nach dem Circus Knie der zweitgrösste Schweizer Zirkus.
Der Circus Olympia ist ein Familienzirkus, dessen Ursprung ins Jahr 1880 zurückreicht. Dominik Gasser wurde in der fünften Generation in den Zirkus hineingeboren. Seine Kindheit auf Tournee behält er in guter Erinnerung. Zur Schule ging er stets dort, wo sich der Zirkus gerade niedergelassen hatte – teilweise habe auch ein Lehrer den Tourneetross begleitet. Heute lebt Gasser noch immer im Zirkuswagen. Seine Frau wohnt mit der Tochter in Gelterkinden, wo diese zur Schule geht. «Unser Zirkus ist wie ein flaches Hochhaus, wie eine fahrende Stadt mit Strom- und Wasserversorgung», sagt Gasser.
Der Circus Olympia war einst auch der zweitgrösste reisende Zoo der Schweiz und führte rund 150 Tiere – darunter Kamele, Wasserbüffel, Löwen, Tiger, Bären, Pferde und Elefanten – mit. «Im Laufe der Zeit wurden die Gastspielplätze immer kleiner», erzählt Gasser. Um alle Tiere artgerecht halten zu können, hätten sie irgendwann schlichtweg zu wenig Platz gehabt und den Zoo vor rund 30 Jahren aufzulösen begonnen – lange bevor Tierschützerinnen und Tierschützer anfingen, das Konzept von Tieren im Zirkus stark zu kritisieren. Einfluss auf die Verkaufszahlen der Eintrittskarten habe die Auflösung des Zoos bei ihnen keinen gehabt. Der Circus Knie hingegen habe nach der Abschaffung der Elefantennummern durchaus weniger Besucherinnen und Besucher gezählt.
Gasser fungiert seit über 40 Jahren als Direktor des Circus Olympia. Zu seinen Aufgaben gehören Kasse und Regie, Kontrolle der Maschinen, Organisation der Programme, Gastspielplatzbesichtigungen sowie die Begleitung der Vorführungen am Mikrofon. Nicht selten ist er von morgens um sechs Uhr bis weit nach Mitternacht an der Arbeit. Zu viel werde es ihm dabei aber kaum: «Sobald ich die Begeisterung der Menschen und das Lachen der Kinder sehe, ist der Stress vergessen», sagt er.
Perfekte Leistung jeden Tag
Zwar gingen die Besucherzahlen rauf und runter, der traditionelle Zirkus bleibe jedoch stets in Mode. «Lebendige Kunst», so das Motto der diesjährigen Tournee, direkt vor der Nase zu haben, könne nicht mit anderen Unterhaltungsplattformen wie dem Fernsehen verglichen werden. «Macht ein Schauspieler einen Fehler, dreht er die Szene eben noch einmal. Unsere Artistinnen hingegen müssen drei Mal am Tag eine perfekte Leistung erbringen», so Gasser. Er suche sie jeweils ein Jahr im Voraus über Agenturen anhand von Videos ihrer Nummern aus.
Der Tourneestart sei gut verlaufen, auch wenn die ausserordentliche Hitze in der letzten Woche potenzielle Besucherinnen und Besucher der Nachmittagsvorstellungen eher in die Badi anstatt ins Zirkuszelt lockte. Dennoch zeigt sich Gasser zufrieden: «Es tut gut, wieder auf Tournee zu sein.»
Nach den Vorstellungen in Lausen und Sissach wird die «fahrende Stadt» im Juni nach Bubendorf weiterziehen und anschliessend durch die ganze Schweiz reisen, bis sie im Herbst nach Liestal zurückkehrt. Die Tournee endet schliesslich mit dem Weihnachtszirkus in Aesch und Solothurn. Als Lausner Firma überwintert der Circus Olympia in Lausen.
GEWINNER
«Volksstimme»-Leserwettbewerb:
Je zwei Circus-Tickets mit Nachtessen für eine Vorstellung in Sissach oder Bubendorf haben Peter Mühlemann, Gelterkinden; Yvonne Meier-Gass, Itingen; Lukas Brunner, Bennwil, und Nicole Grieder, Rünenberg, gewonnen.