«Die Feuerwehr ist zu Reorganisationen fähig»
20.05.2022 Baselbiet, Polizei, GemeindenAusgefragt: Werner Stampfli, Baselbieter Feuerwehrinspektor
Mit einer Teilprofessionalisierung und Zentralisierung sollen die Baselbieter Feuerwehren für die Zukunft gerüstet werden. Feuerwehrinspektor Werner Stampfli begründet die vom Kanton angeordnete Überprüfung ...
Ausgefragt: Werner Stampfli, Baselbieter Feuerwehrinspektor
Mit einer Teilprofessionalisierung und Zentralisierung sollen die Baselbieter Feuerwehren für die Zukunft gerüstet werden. Feuerwehrinspektor Werner Stampfli begründet die vom Kanton angeordnete Überprüfung des von Fachleuten erarbeiteten Konzepts.
Christian Horisberger
Herr Stampfli, seit Juni 2020, als die Reformvorschläge für die Baselbieter Feuerwehren vorgestellt wurden, bis Mai 2022 herrschte Funkstille. Was ist inzwischen geschehen?
Werner Stampfli: Corona. Es war aber immer klar, dass man derartige Projekte nicht digital, sondern nur im persönlichen Kontakt voranbringen kann. Der persönliche Austausch ist gerade hier enorm wichtig, und da man noch aus der Stärke heraus in die Zukunft gehen will, ist der Zeitverlust nicht wirklich schlimm.
Was sind die wichtigsten Kritikpunkte an der Reform? Fühlen sich die Ortsfeuerwehren entmündigt oder entmachtet? Haben die Gemeinden Angst um ihre Sicherheit?
Konkrete Kritikpunkte waren sicherlich die vom runden Tisch im Schlussbericht vorgeschlagenen drei Regionen mit Aussenstellen, die Teilprofessionalisierung und die Reduktion der Einsatzmittel. Feuerwehr war und bleibt eine gemeinsame Aufgabe von Gemeinden, Betrieben und der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung (BGV). So ist der Grundeinsatz durch die Gemeinden und der Ergänzungseinsatz durch die Stützpunktfeuerwehren durch die BGV zu erbringen. Die Ausbildungskurse verantwortet die BGV inhaltlich und auch finanziell, und sie subventioniert auch den Grundeinsatz, also die Ausrüstung der Gemeinden.
Die Einsparungen werden auf 20 bis 30 Prozent beziffert. Aber anfangs hiess es, die Reorganisation sei keine Sparübung. Offenbar ist sie es doch!
Es ist keine Sparübung. Das stand nie im Vordergrund. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit darf aber bei einer Analyse von öffentlichen Aufgaben heute durchaus gestellt werden. Der runde Tisch ist der Ansicht, dass mit einer Regionalisierung und einer Teilprofessionalisierung – bei konsequenter Umsetzung – durchaus auch Kosten gespart werden könnten. Vor allem geht es aber darum, die Feuerwehrdienstleistung auch künftig sicherzustellen und den demografischen, technischen und strukturellen Veränderungen zu begegnen. Sollte es möglich sein, noch Kosten einzusparen, so ist das ja nicht grundsätzlich schlecht.
Wo liegt das grösste Sparpotenzial?
In den vielen Organisationen mit ihren zahlreichen Einsatzmitteln und im Mannschaftsbestand an sich. Die Ausrüstung und auch die Aus- und Weiterbildung binden eben auch finanzielle Ressourcen. Die Herausforderungen werden aber immer komplexer, die Ausrüstung und die Fahrzeuge immer teurer und neue Technologien erfordern neue Einsatzmittel. So sind Drohnen oder Messgeräte ein Thema. Wenn der Trend der steigenden Kosten nur schon etwas aufgehalten werden könnte, so sollte man das tun.
Nun hat der Regierungsrat eine Validierung der Ergebnisse des Schlussberichts des runden Tischs angekündigt. Dies als Festigung dessen eigener Erkenntnisse oder als Rettungsversuch der Reform?
Der Schritt zurück ist bewusst und ohne Hintergedanken gewählt worden. Es geht darum, allen rund 60 interessierten Personen aus Gemeinden, Feuerwehr und anderen Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die Ausgangslage, die Lösungsansätze und die Umsetzungsideen des Schlussberichts des runden Tischs zu bestätigen oder aber andere Ansichten und vor allem konkrete Lösungen einzubringen.
Wurde die Basis bisher zu wenig in die Reorganisation eingebunden?
Es ist nicht möglich, alle 2200 Feuerwehrleute zu involvieren. Deshalb hat man von Anfang an den Feuerwehrverband beider Basel, den Verband Basellandschaftlicher Gemeinden, einzelne Feuerwehrvertreter sowie die Verantwortlichen für das Feuerwehrwesen im Kanton miteinbezogen. Bereits 2012 wurden die damaligen Feuerwehrkommandanten in diese Thematik miteinbezogen. Die damaligen Workshop-Ergebnisse decken sich interessanterweise in vielen Punkten mit den im Schlussbericht vorgeschlagenen Lösungsansätzen. Feuerwehr ist ein emotionales Thema, und dass Veränderungen Widerstand auslösen, ist auch bei vielen anderen Themen Fakt. Ich selbst hatte mich zu meiner Zeit als junger Offizier gegen das Stützpunktkonzept der BGV gewehrt. Heute weiss ich, dass das Konzept der Stützpunkte richtig ist. Diesbezüglich bin ich mit vielen meiner Kameraden etwas schlauer geworden.
Was führt Sie zur Annahme, dass andere früher schlauer werden als Sie damals?
Die Feuerwehr hat viel Übung mit sich verändernden Lagen. Sie hat bereits mehrfach bewiesen, dass sie zu Reorganisationen fähig ist. Es geht jetzt darum, die Interessenvertreter abzuholen. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine tragfähige, zukunftsweisende Lösung finden werden.
Kick-off für die 60 «Freiwilligen» war am 12. Mai. Welche Erkenntnisse haben Sie aus diesem ersten Treffen gewonnen?
Der Anlass war geprägt davon, dass die Interessierten direkt mit Regierungsrat Anton Lauber, dem Auftraggeber des Projekts, in Kontakt kamen und neben den Präsentationen seine Sicht und seine Vorgehensweise kennenlernen konnten. Ich habe den Anlass sehr positiv und konstruktiv erlebt. Es fand ein reger Austausch statt.
Wie ist die Stimmung an der Basis inzwischen? Ist der Ärger verraucht?
Die Feuerwehrleute wurden und werden regelmässig in der Feuerwehrzeitung beider Basel (www.loeschblatt.ch) informiert. Zentral ist die Information der Feuerwehrkommandanten an ihre Feuerwehrleute. Viele engagieren sich sehr stark, und dabei sind Veränderungen natürlich nicht nur Chance, sondern eben da und dort aus persönlicher Sicht auch ein Risiko. Es gibt viele Feuerwehrvertreter, die erkannt haben, dass es Veränderungen braucht, wenn man das Milizsystem und letztlich die Feuerwehr erhalten will. Diese Leute sind oftmals halt nicht so aktiv und laut.
Das Projekt heisst nach wie vor «2025+». Was soll bis 2025 geschehen sein?
Der Projektname entstand vor rund zehn Jahren. Damals ging es darum, in die nahe Zukunft zu blicken. Es war anfangs tatsächlich etwas euphorisch zu glauben, dass bis ins Jahr 2025 eine neue Feuerwehrorganisation umzusetzen sei. Es ist aber klar festzustellen, dass der «Stein» rollt. Viele Gemeinden, Betriebe und Feuerwehren gehen nun ihre eigene Zukunft allein, zusammen oder eben gar regional an. In verschiedenen Regionen laufen Bestrebungen zu vermehrter und konkreterer Zusammenarbeit. Andere Kantone wie die Waadt oder Freiburg haben später begonnen und sind heute weiter als wir. Das macht aber gar nichts. Nur was auch politisch umsetzbar ist, hat Bestand.