Zutiefst empört
26.04.2022 GesellschaftZum Artikel «Hausabbruch zur Unzeit» in der «Volksstimme» vom 20. April, Seite 3
Mit grosser Bestürzung musste ich am Gründonnerstag vor Ort miterleben, wie der Kopfbau der baukulturell wertvollen ehemaligen Weinkellerei Tschudy in Sissach trotz ...
Zum Artikel «Hausabbruch zur Unzeit» in der «Volksstimme» vom 20. April, Seite 3
Mit grosser Bestürzung musste ich am Gründonnerstag vor Ort miterleben, wie der Kopfbau der baukulturell wertvollen ehemaligen Weinkellerei Tschudy in Sissach trotz behördlich verordneten Abbruchverbots in einer dreisten und illegalen Aktion blitzartig zusammengeschlagen wurde.
Sowohl der vor Ort anwesende Besitzer, Herr Laurent de Coulon, als auch Herr Alex Gysin, der Geschäftsführer der Firma Gysin Tiefbau AG, der die Zerstörungsaktion vor Ort persönlich geleitet hat, liessen sich erst durch die herbeigerufene Polizei und die herbeigeeilten Behördenvertreter der Gemeinde und des Kantons stoppen.
Dass ein Grundstückbesitzer prophylaktisch ein schützenswertes Gebäude wegräumen will, ist das eine – notabene ohne dass ein Bauprojekt vorliegt, und ohne dass eine dazu erforderliche Umzonung erfolgt wäre. Das andere ist, dass eine Baufirma, die auch für den Kanton und für die Gemeinde Sissach arbeitet und die vor ein paar Wochen per Verfügung schon einmal vom Platz gewiesen wurde, ihre Mitarbeiter anweist, sich in aller Öffentlichkeit derart dreist über eine behördliche Verfügung hinwegzusetzen. Dies ist nicht nur eine Verhöhnung der Behörden, sondern auch derjenigen Leute, die bereit sind, sich an Gesetze zu halten. Wie gross muss wohl der versprochene Gewinn sein, damit eine Firma sich für so etwas hergibt?
Selbst wenn eine Abbruchbewilligung vorgelegen hätte, so wäre ein Zusammenschlagen, wie es hier erfolgt ist, eine strafbare Handlung. Ein Gebäudeabbruch unterliegt den Umweltschutzgesetzen des Kantons. Es muss vorgängig seriös abgeklärt sein, ob die abzubrechenden Materialien belastet sind. Hier reden wir von Asbest, Bleimennige an Stahlteilen, arsen- und bleiverseuchten Bodenschüttungen, PCB-haltigen Fugenmaterialien und so weiter. Des Weiteren müssen Materialien wie Bauschutt, Metalle, Ziegelsteine oder Holz strikt in getrennten Mulden separiert werden. Eine Staubbildung muss während Abbrucharbeiten unterbunden werden. Dabei geht es um den Schutz der Umwelt, der Nachbarn, der Passanten und nicht zuletzt auch der Arbeiter, die den Abbruch tätigen. Einem etablierten Unternehmer wie Herrn Alex Gysin ist dies bekannt.
Was ich als Augenzeuge aber miterlebt habe, war ein blitzartiges Runterreissen eines schützenswerten Gebäudes mit Generieren einer gewaltigen Staubwolke – ohne Information und Vorwarnung der Nachbarn.
Als Inhaber und Geschäftsführer eines mittelständischen Ingenieurbüros in der Baubranche, als Mitglied des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA und als Bewohner und Bürger von Sissach, dem Baukultur ein grosses Anliegen ist, bin ich schockiert und zutiefst empört über das Vorgefallene, das nicht nur ein krimineller Akt ist, sondern auch eine (bau-) kulturelle Barbarei darstellt.
Es bleibt nur zu hoffen, dass neben einer hohen Busse, der Übernahme aller Sicherungs-, Reinigungsund Bewachungskosten auch ein Wiederherstellen des Zustands von vor der Teilzerstörung angeordnet wird.
Stefan Graf, Sissach