Hoch- und Niedertarif beim Wasser?
22.04.2022 Baselbiet, PolitikKanton zeigt auf, wie die Versorgung künftig funktionieren könnte
Soll das Trinkwasser in den Sommermonaten teurer sein als während des restlichen Jahres? Die Baselbieter Regierung schreibt in einem Bericht an den Landrat, dass ein Hoch- und Niedertarif wie beim Strom in Betracht gezogen ...
Kanton zeigt auf, wie die Versorgung künftig funktionieren könnte
Soll das Trinkwasser in den Sommermonaten teurer sein als während des restlichen Jahres? Die Baselbieter Regierung schreibt in einem Bericht an den Landrat, dass ein Hoch- und Niedertarif wie beim Strom in Betracht gezogen werden sollte.
David Thommen
Im Baselbiet laufen derzeit Überlegungen, wie die Trinkwasserversorgung sicherer gemacht werden kann. In mehreren zurückliegenden heissen und trockenen Sommern wurde vor allem im Oberbaselbiet das kostbare Nass knapp. Der anhaltende Klimawandel dürfte die Situation zukünftig noch verschärfen, so die Einschätzung der Kantonsregierung. Nicht so im Unterbaselbiet, das vor allem wegen des Rhein- und Birs-Grundwasserstroms quasi im Trinkwasser schwimmt.
Problematisch kann die Situation im oberen Baselbiet jeweils im späteren Sommer und im Herbst werden, wenn der Verbrauch in heissen und trockenen Sommermonaten so hoch ist, dass der Grundwasserspiegel stark sinkt. Es zeigte sich in der Vergangenheit, dass die Haushalte an einem Tag während einer trockenen Hitzeperiode fast doppelt so viel Wasser verbrauchten wie an einem Tag im Jahresdurchschnitt. Das viele Leitungswasser wird nicht zuletzt zum Bewässern der privaten Gärten gebraucht, aber auch zum Füllen von Swimmingpools, dazu wird häufiger geduscht.
In einem Bericht ans Baselbieter Parlament, den Landrat Marco Agostini (Grüne, Pfeffingen) verlangt hatte, zeigt die Regierung nun auf, was gegen Wassermangel getan wird – und was zusätzlich getan werden könnte.
Unter anderem soll die bereits weit fortgeschrittene Vernetzung der Wasserversorgung weiter verstärkt werden. Die Gemeinden sind heute in diversen Versorgungsregionen miteinander verbunden und können einander bei Mangellagen aushelfen – und sei es auch nur über provisorische Notleitungen. Indessen gibt es zwischen den einzelnen Versorgungsregionen noch Lücken. Ziel seien daher leistungsfähige Leitungen entlang der Talachsen zur Wasserlieferung in beide Richtungen. Vor allem müsse talaufwärts gepumpt werden können. Theoretisch könne so in Zukunft Wasser aus der Muttenzer Hard «bis nach Gelterkinden oder auch weiter hinauf fliessen», heisst es im Bericht. Damit Wasser aus der Rheinebene bis ins obere Ergolztal und auf die Jurahöhen gelangen kann, bräuchte es im Wesentlichen noch eine neue Leitung zwischen Itingen und Sissach.
Unterschiedliche Tarife
Verbindungsleitungen über grosse Distanzen seien allerdings teuer, gibt die Regierung in ihrem Bericht zu bedenken. Nicht nur im Bau, sondern auch im Betrieb. Denn solche Leitungen können nicht einfach nur in Notlagen in Betrieb genommen werden: Aus hygienischen Gründen muss das Wasser dauernd fliessen.
Vor allem bei höher liegenden Gemeinden fielen durch das Pumpen hohe Stromkosten an, so die Regierung. Kleinere Gemeinden an der Peripherie müssten letztlich selber entscheiden, ob sie wegen des Baus und des Betriebs der Leitungen ihre Wassergebühren stark erhöhen wollten, um ihrer Bevölkerung auch in ausserordentlichen Trockenzeiten «jederzeit einen uneingeschränkten Wasserkonsum zu ermöglichen». Allenfalls sei es für einzelne Gemeinden sinnvoller, bei Bedarf Ersatzwasser über eine temporäre Notverbindung mit Schläuchen oder Schnellkupplungsrohren zu beziehen. Auch sei es möglich, notfalls per Camion Trinkwasser in ein Reservoir zu bringen.
So oder so empfehle es sich, vor allem in Gebieten mit geringen Reserven, den Trinkwasserverbrauch möglichst tief zu halten – auch angesichts des Bevölkerungswachstums. Von Instrumenten wie Wasserspar-Appellen oder Bewässerungsverboten auch für die Landwirtschaft solle offensiv Gebrauch gemacht werden, rät die Regierung. Dazu seien in Zukunft auch variable Gebührenmodelle in Betracht zu ziehen: «Wie heute beim elektrischen Strom.» Zum Glätten der Verbrauchsspitzen während des Hochsommers könnte ein Trinkwasser- Hochtarif und während der übrigen Zeit ein Niedertarif gelten. Voraussetzung dafür seien allerdings fernablesbare Wasseruhren. Bis diese in allen Haushaltungen Standard seien, könne es allerdings möglicherweise «noch einige Jahrzehnte» dauern.
Landwirten mit Kulturen mit grösserem Bewässerungsbedarf wird geraten, Speicherbecken anzulegen. Diese sollen dann in Zeiten mit Niedertarif aufgefüllt werden, was dazu beitrage, dass der Wasserbezug in Trockenzeiten tief gehalten werden könne. Und noch besser: Die Speicher sollten in den Wintermonaten mit Regenwasser gefüllt werden. Denn, so heisst es im Bericht: Die Klimaerwärmung führe dazu, dass die Winter künftig niederschlagsreicher würden.
Regierung tadelt Gemeinden
Im Bericht der Regierung an den Landrat wird generell mehr Zusammenarbeit der Gemeinden verlangt. Hinderungsgrund für den dauerhaften Wasseraustausch sei immer noch die Auffassung einzelner Gemeinden oder Entscheidungsträger, dass das eigene Wasser besser sei als dasjenige des Nachbardorfs. Politisch erscheine es diesen Gemeinden «kaum akzeptabel, Wasser abzugeben und dafür fremdes zu trinken». Die Lösung, Wassermangel zu verhindern, liege darin, die Leitungsnetze der Gemeinden zusammenzuschliessen und «fremdes» Wasser auch beispielsweise in höher gelegene Gemeinden durchzuleiten. Denn müssten separate Verbindungsleitungen gebaut werden, so sei dies sehr teuer.
Allerdings gibt es beim Wasseraustausch unter den Gemeinden eine Einschränkung: So spreche die deutlich höhere Wasserhärte im Ergolztal gegen eine Rückspeisung in den unteren Kantonsteil, wo das Wasser aus dem «System Rhein» deutlich weniger kalkhaltig ist.
Teures Wasser in kleinen Gemeinden
tho. In einem Bericht zur Wasserversorgungsplanung des Kantons Baselland aus dem Jahr 2021 ist nachzulesen, dass die Einwohner kleiner Gemeinden künftig mit deutlich höheren Trinkwasser-Gebühren rechnen müssen. Nur so könne die über den Verbrauch finanzierte Wasserversorgung kostendeckend betrieben und angemessen in die Werterhaltung der Wasserversorgung investiert werden. Grund: Bei kleinen Wasserversorgungen ist der Wert der Infrastruktur pro Einwohner höher als bei grossen. In ländlichen, weniger dicht besiedelten Gebieten brauche es vor allem mehr Leitungslänge pro gelieferte Wassermenge als in der Agglomeration. Dies lasse sich auch mit niedrigeren Betriebs- und Unterhaltskosten nicht ausgleichen.
Bei den Gemeinden sei derzeit eine Tendenz zur intensiven regionalen Zusammenarbeit bis hin zur Regionalisierung der Wasserversorgung zu beobachten, heisst es weiter. Die Zusammenarbeit wirkte sich zwar positiv auf Versorgungssicherheit und Qualität der Wasserversorgung aus, das Einsparpotenzial bei Regionalisierungen falle jedoch eher gering aus.
Von diesen Kostensteigerungen für die Konsumentinnen und Konsumenten ist im Bericht die Rede:
– In kleinen Gemeinden mit bis zu 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern könnten in Einzelfällen Kosten von bis zu 9 Franken pro Kubikmeter Trinkwasser angemessen sein, wolle man auch in Zukunft genügend in den Werterhalt des Leitungsnetzes investieren und die Wasserversorgung kostendeckend betreiben. Wobei der Durchschnitt der zukünftigen Gebühren in den kleinen Gemeinden wahrscheinlich 3 bis 6 Franken pro Kubikmeter betragen werde.
– Mittelgrosse Gemeinden mit 2000 bis 5000 Einwohnerinnen und Einwohner müssen voraussichtlich eher nur eine leichte Gebührenerhöhung veranschlagen. Die zukünftigen Gebühren der mittelgrossen Gemeinden betragen gemäss Berechnungen im Durchschnitt rund 2 bis 3 Franken pro Kubikmeter, was leicht höher sei als der aktuell bestehende Schweizer Durchschnitt von 2 Franken.
– Grosse Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnerinnen und Einwohner investierten bereits heute mehrheitlich genug in den Werterhalt der Infrastruktur und betrieben ihre Wasserversorgung kostendeckend, sodass die Gebühren nicht erhöht werden müssten. Die zukünftigen Gebühren der grossen Gemeinden im Kanton Baselland liegen laut dem Bericht im Durchschnitt bei 2 Franken pro Kubikmeter.
Wieder steigender Verbrauch
tho. Der Trinkwasserverbrauch im Baselbiet war seit den 1980er-Jahren trotz Bevölkerungswachstum rückläufig. Er sank laut dem kürzlich veröffentlichten Bericht der Kantonsregierung an den Landrat von 36 Millionen Kubikmetern im Jahr 1983 auf 26 Millionen Kubikmeter im Jahr 2014. Seither nehme der Verbrauch wieder leicht zu, heisst es.
Im Trockensommer 2014 flossen 29 Millionen Kubikmeter zu den Endverbrauchern. Der Gründe für die Abnahme des Verbrauchs über die vergangenen Jahrzehnte: Der Einbau von sparsameren Armaturen in den Haushalten, der Rückgang des Industriesektors sowie höhere Wasser- und Abwassergebühren.