HERZBLUT
26.04.2022 GesellschaftIn der Warteschleife
«Sie möchten nicht mehr Mobilfunkkunde bei uns sein – dann drücken Sie die 1.» «Bitte bestätigen Sie mit 1, falls Sie Ihren Vertrag wirklich kündigen möchten.» «Danke. Ihr Vertrag ist per Ende ...
In der Warteschleife
«Sie möchten nicht mehr Mobilfunkkunde bei uns sein – dann drücken Sie die 1.» «Bitte bestätigen Sie mit 1, falls Sie Ihren Vertrag wirklich kündigen möchten.» «Danke. Ihr Vertrag ist per Ende Monat aufgelöst. Für Ihre Treue und Ihre stets pünktliche Bezahlung Ihrer Ausstände erlassen wir Ihnen die letzte Monatsrechnung und schenken Ihnen ein Handy nach Wahl. Bitte legen Sie nun auf … piep … piep … piep … » Der Wecker reisst mich brutal aus den Träumen … Das war ja klar, dass es sich nur um einen Traum gehandelt haben kann. Denn in der Realität ist die Kündigung eines Handyvertrags ein Albtraum.
Mein Mobilfunkanbieter hat mich kürzlich per SMS vorgewarnt, dass mein vor zwei Jahren abgeschlossener Vertrag bald auslaufen werde. Es war ein Schnellschuss gewesen: «Profitieren Sie nur noch heute von diesem einmaligen Angebot!», haben die geschrieben, aber «Vergleichen Sie unsere Tarife bloss nicht mit denen der Konkurrenz» gemeint. Dieses Mal würde ich nicht auf die Masche hereinfallen, sondern die «Scheidung» einreichen und mir einen attraktiveren Partner aussuchen.
Womit ich nicht gerechnet hatte: Wer sich von seinem Mobilfunkanbieter trennen will, sollte sich auf etwas in der Währung von einer schmutzigen Scheidung gefasst machen, bei der ein Partner klammert und mit allen möglichen Tricks die Trennung zu verhindern versucht. Und das geht so:
Man verbanne den Begriff «Vertragskündigung» von seiner Website. Ebenso Hinweise darauf, wo das Vorgehen in Erfahrung gebracht werden kann (Tipp: im Kleingedruckten des schriftlichen Vertrags). Man schliesse die Kündigung eines Vertrags auf schriftlichem Weg über ein Web-Formular, per Brief oder E-Mail kategorisch aus, sondern akzeptiere diese ausschliesslich telefonisch – aber ohne die entsprechende Telefonnummer zu nennen. Die soll der Kunde selber herausfinden.
Die zuständige Servicestelle ist unterzubesetzen, die Mitarbeitenden haben bestenfalls gebrochenes Deutsch zu sprechen. Jeder Anrufer ist für mindestens 10 Minuten in die Warteschlaufe mit einer nervtötenden Melodie zu schicken. Der Anrufer ist stets im Ungewissen darüber zu lassen, ob er sich per «Wollen Sie …, dann wählen Sie …» zur richtigen Stelle durchgedrückt hat.
Der Clou: Wer sich für seine Kündigung zum Kundendienst durcharbeitet, wird nicht aus dem Vertrag entlassen, sondern in ein Verkaufsgespräch verwickelt. Und je hartnäckiger sich der Kunde gegen eine Vertragsverlängerung wehrt, desto grösser das Entgegenkommen des Verkäufers. Entgegen den offiziellen Angeboten lässt sich «etwas machen» und beim Preis mit der Konkurrenz gleichziehen. Es ist ein Schlaraffenland.
Die aufgestaute Wut und Ohnmacht über die Trickserei und die Knüppel, die einem zwischen die Beine geworfen werden, lösten sich auf in Rabatten und Sondervorteilen. Ich schluckte den Köder und verlängerte den Vertrag. Sollte ich mich auch dieses Mal daran verschlucken, werde ich den Vertrag in zwei Jahren definitiv kündigen. Wahrscheinlich.
Christian Horisberger, stv. Chefredaktor «Volksstimme»