Die Ruine ist ins Alter gekommen
26.04.2022 Baselbiet, WenslingenJürg Gohl
Um sich eine Aufgabe und zugleich einen Treffpunkt zu geben, haben die Mitglieder des drei Jahre zuvor gegründeten Rotary-Clubs Sissach-Oberbaselbiet 1974 eine Waldparzelle mit den Ruinen der Ödenburg erworben. In der Stiftungsurkunde wurde festgeschrieben, ...
Jürg Gohl
Um sich eine Aufgabe und zugleich einen Treffpunkt zu geben, haben die Mitglieder des drei Jahre zuvor gegründeten Rotary-Clubs Sissach-Oberbaselbiet 1974 eine Waldparzelle mit den Ruinen der Ödenburg erworben. In der Stiftungsurkunde wurde festgeschrieben, dass der aussergewöhnliche Burgbesitzer für den Erhalt der Parzelle und der Ruine verantwortlich ist und sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss.
1980 wurde sie der Bevölkerung übergeben, nachdem das Mauerwerk konserviert worden war. Seither gilt die Ödenburg als beliebter Ausflugsort und treffen sich die Mitglieder alljährlich im Oktober bei den Ruinen über Wenslingen und Tecknau zu einem Ödenburg-Arbeitstag, um mit Garten- und Handwerkzeug für Ordnung zu sorgen. Die letzte Sanierung liegt damit 42 Jahre zurück, und eine Generalüberholung ist überfällig.
Fachleute jetzt gefragt
Den fleissigen Burgbesitzern blieb bei ihrem letzten Einsatz nur die Vorbereitungsarbeit, im Hinblick auf die Sanierung die Zufahrt zu ebnen. Denn nun sind die Mauern so stark in die Jahre gekommen, dass Fachleute gefragt sind. Der Kalkmörtel an den Burgmauern ist rissig. Erst drang Wasser ein, danach kamen die Pflanzen, die nicht einfach rausgerissen werden dürfen, weil dies das alte Mauerwerk zerstören würde. Die Sanierung drängt. Es werden ausgebrochene Teile des Mauerwerks repariert oder ersetzt sowie Mauerkronen und Fassaden neu ausgefugt. «Die Schildmauer befindet sich in einem schlechten Zustand», sagt Adrian Hasler. Hasler kommt aus Gelterkinden, ist Rotarier und Präsident des fünfköpfigen Stiftungsrats, der sich um die Ödenburg kümmert.
Noch vor Ostern errichtete der örtliche Gerüstebauer, unterstützt von Angehörigen des Zivilschutzes, ein Gerüst und eine Hilfsbrücke um die schwer zugängliche Burgruine und erledigten weitere Vorbereitungsarbeiten. Doch jetzt sind Fachleute hinzugestossen, und der Burgenfachmann und Archäologe Jakob Obrecht leitet die Arbeiten. Doch zur Vorbereitung zählte weit mehr, als die Wege vorzubereiten und die Gerüste zu errichten.
«Endlich können wir loslegen», freut sich Adrian Hasler. Neben ihm gehören dem Stiftungsrat zwei weitere Klubmitglieder, nämlich Rätus Donatsch und Regierungsrat Thomas Weber sowie Kantonsarchäologe Reto Marti und der Wenslinger Bürgerratspräsident Heinz Gass an. Hauptsächlich lag es an Hasler, vorgängig diverse zahllose sprichwörtliche Steine aus dem Weg zu räumen, um danach die wirklichen Steine der Ruine zu bearbeiten. Zum Beispiel die Zufahrtsbewilligung bei allen Landbesitzern, die Baubewilligung für nichtforstliche Bauten im Wald sowie die Rodungsbewilligung einholen. Denn damit das erneuerte Mauerwerk möglichst schnell austrocknet, darf es nicht im Vollschatten von Bäumen stehen.
Und als weiteres Beispiel die Eile mit den Schnecken: An der Ruine wurden schützenswerte Schnecken entdeckt, die ein Experte auf Geheiss des Kantons einsammeln und während der Arbeiten hüten muss, um die Tiere hinterher gleichenorts wieder auszusetzen. Ende Mai sollte die Sanierung abgeschlossen sein. Die Unkosten für das Schneckenmanöver muss die Stiftung übernehmen. «Bevor wir die ersten Schritte im Interesse der Öffentlichkeit einleiten konnten, erhielten wir bereits die erste Rechnung», sagt Adrian Hasler mit einem bittersüssen Lächeln.
Finanzieller Kraftakt
Die Sanierung der Ödenburg erweist sich für die Stiftung als Kraftakt, geht sie doch von Kosten in der Höhe von 200 000 Franken aus. Die Hälfte davon trägt der Swisslos-Fonds, weitere 20 Prozent steuert der Bund bei. Auch wenn von Einwohner- und Bürgergemeinden, der UBS-Kulturstiftung, den Burgenfreunden beider Basel und weiteren Einrichtungen ebenfalls Beiträge gesprochen wurden, so mussten die Stiftung und der Rotary-Club gemeinsam 25 000 Franken aufbringen, um ihre Ruine vor dem weiteren Zerfall zu retten. Die Bürgergemeinde Wenslingen übernahm die Bürgschaft. «In verdankenswerter Weise», sagt Hasler. So war das Projekt auch finanziell abgesichert. Um sich hier nicht zu übernehmen, wurde anfänglich erwogen, sich nur um das Notwendigste zu kümmern, nämlich um die Schildmauer. Doch der Stiftungsrat entschied sich gegen diese «Salamitaktik», wie sie Hasler bezeichnet. «Nun sanieren wir in einem Mal, dafür richtig und haben für die nächsten 40 Jahre Ruhe.» In seinen Augen wäre es auch nicht sinnvoll, die Hilfsbrücke und die Geländer ein weiteres Mal montieren zu müssen.
Am liebsten würden Hasler und die Fachstelle für Archäologie auch noch am beliebten Oberbaselbieter Ausflugsort die drei Feuerstellen ersetzen und mit robusten Tischen und Bänken aus Eichenholz versehen. Doch die 20 000 Franken, die das kosten würde, muss Hasler erst mit einer lokalen Goodwill-Aktion zusammentrommeln.
Tag der offenen Baustelle
vs. Am kommenden Samstag, dem 30. April, führen die Fachleute und die Stiftung einen Tag der offenen Baustelle durch. Von 10 bis 15 Uhr führen die Experten vor, wie sie beim Konservieren von historischem Bruchstein-Mauerwerk vorgehen. Eine neu geschaffene Rekonstruktionszeichnung veranschaulicht, wie die Burg vor 800 Jahren ausgesehen hat. Zudem zeigen Originale archäologischer Funde auf, wie damals der Alltag einer adligen Familie mit ihrer Gefolgschaft auf der Burg verlief. Und natürlich gibt es Wurst mit Brot. Während der Arbeiten ist das Areal für die Öffentlichkeit nur an diesem Tag zugänglich (Parkplätze bei der Schule Wenslingen benutzen).
Frühes 11. Jahrhundert
vs. Die Ödenburg wurde im frühen 11. Jahrhundert errichtet und zählt damit zu den ersten mittelalterlichen Adelsburgen im Oberbaselbiet. Bereits um 1180 wurde sie allerdings aufgegeben. Im vergangenen Jahrhundert wurden die Burgruinen drei Mal archäologisch untersucht und konserviert. Im Jahr 1974 gründete der Rotary Club Sissach-Oberbaselbiet, der die Waldparzelle samt Ruine inzwischen erworben hat, die Stiftung Ödenburg, die seither für den Unterhalt und die Pflege zuständig ist. Die «öde» (verlassene) Burg sei «in mancher Hinsicht aussergewöhnlich», schreibt der frühere Kantonsarchäologe Jürg Tauber, der über sie sogar ein Buch verfasst hat.