«Randparzelle möglichst ohne Nachbarn»
24.03.2022 Baselbiet, Landwirtschaft, Bezirk Sissach
Christian Horisberger
Alle haben ein Handy, aber keiner will eine Antenne vor der Nase. Mit dem Fleischkonsum verhält es sich ähnlich: Fleisch essen ja, aber bitte die Tiere nicht vor meiner Haustüre töten. Diese Ausgangslage macht die Suche nach einem ...
Möchten Sie weiterlesen?
Ja. Ich benötige ein Abo.
Abo Angebote
Christian Horisberger
Alle haben ein Handy, aber keiner will eine Antenne vor der Nase. Mit dem Fleischkonsum verhält es sich ähnlich: Fleisch essen ja, aber bitte die Tiere nicht vor meiner Haustüre töten. Diese Ausgangslage macht die Suche nach einem Standort für ein neues Schlachthaus zur Herausforderung. Davon können Peter Andrist und Christoph Jenzer ein Liedlein singen. Seit mehreren Monaten sind die Metzger aus Nusshof und Arlesheim auf der Suche nach einem Grundstück für ein Lokal, in dem ein wesentlicher Teil der im Baselbiet gezüchteten Rinder und Schweine geschlachtet werden kann.
Bei diesem Schlachthaus handelt sich um ein Kernprojekt des Programms «Projekte zur Regionalen Entwicklung (PRE) – Genuss aus Stadt und Land», das eine höhere Wertschöpfung landwirtschaftlicher und landwirtschaftsnaher Produktion zum Ziel hat. Anfang dieses Jahres wurde das PRE nach gut vierjähriger Vorbereitung zunächst mit zwölf Projekten lanciert. Das Schlachtlokal befand sich damals noch im Stadium «in Vorbereitung», da sich die potenziellen Verkäufer eines Gewerbegrundstücks überraschend zurückgezogen hatten (die «Volksstimme» berichtete).
Suche via Inserat
Der Status «in Vorbereitung» gelte nach wie vor, erklärt Christoph Jenzer auf Anfrage. Während der vergangenen Monate habe man mehrere Gewerbe-Grundstücke geprüft und verwerfen müssen, sagt er. Entweder sei es an der zu geringen Distanz zum Siedlungsgebiet gescheitert, an einer Baurecht-Verpflichtung oder am Bodenpreis, so Jenzer: «Je weiter unten im Kanton, desto teurer ist das Bauland.» Auch die Bemühungen der Standortförderung Baselland hätten bisher keine Früchte getragen.
Nun setzen die Projektträger ihre Hoffnungen auf mehr Öffentlichkeit. In der heutigen Ausgabe der «Volksstimme» suchen sie per Inserat nach Bauland. «Wir versprechen uns davon, etwas zu finden, das wir bisher nicht auf dem Radar hatten», sagt der Arlesheimer Metzger dazu. Konkret wird ein 2000 Quadratmeter grosses Grundstück in der Gewerbezone gesucht, damit «Privatmetzgereien und Bauern weiter im Baselbiet schlachten können», wie es in der Annonce heisst. Gewünscht sei eine «Randparzelle möglichst ohne Nachbarn» im Raum Sissach zu einem Preis von bis zu 500 Franken pro Quadratmeter.
Transportwege verkürzen
Das Grundstück soll verkehrstechnisch gut erschlossen sein, brauche jedoch nicht unmittelbar an einer Hauptverkehrsachse zu liegen, ergänzt Jenzer. «Wenn man von Sissach aus weitere zehn Minuten fahren müsste, wäre das noch zumutbar.» Das Schlachthaus sei eine Investition in die Zukunft, so Jenzer weiter, ausgerichtet auf das zunehmende Kundenbedürfnis nach mehr Regionalität und Qualität.
Heute werden die im Baselbiet gezüchteten Tiere mehrheitlich in den Bell-Schlachthöfen in Basel (Schweine) und in Oensingen (Rinder) getötet und die Tierhälften zur weiteren Verarbeitung zu den Metzgereien im Baselbiet zurücktransportiert. Mit einem modernen Regio-Schlachthaus, das allen Metzgern und Landwirten in der Region offenstünde, blieben den Tieren der Stress längerer Transporte sowie die Wartezeiten vor den grossen Schlachthöfen erspart, sagt Jenzer. Dies würde sich auch positiv auf die Fleischqualität auswirken.
«PRE ist einmalige Chance»
Die Auflagen für den Betrieb von Schlachtlokalen betreffend Hygiene und Tierwohl sind heute derart streng, dass immer mehr Fleischverarbeiter ihre eigenen Schlachthäuser geschlossen haben. Nur noch wenige Baselbieter Metzger wie Peter Andrist oder der Gelterkinder Martin Zimmermann töten die Tiere selber. Doch gemäss Jenzer sind deren Schlachtlokale in die Jahre gekommen. Das Regio-Schlachthaus mit einer Wochenkapazität von 20 Rindern und 50 bis 60 Schweinen könne zu einer Trendwende führen. Das PRE sei dafür eine einmalige Chance. Denn nur dank der Investitionszuschüsse von Bund und Kanton, die bereit sind, das 5-Millionen-Projekt mit 1,34 Millionen Franken zu unterstützen, sei ein rentabler Betrieb schon denkbar. Selbst mit den öffentlichen Geldern berge das Vorhaben ein grosses unternehmerisches Risiko, das er im Interesse seiner Branche einzugehen bereit sei, sagt der Arlesheimer Metzger und Gastronom. «Wir müssen Verantwortung für die nächste Generation übernehmen.»
«Der ‹Ebenrain› ist kein Baulandvermittler»
Herr Kilcher, warum ist das Regio Schlachthaus fürs PRE wichtig?
Lukas Kilcher: Es gibt aktuell keine professionellen Schlachtmöglichkeiten in der Region für kleinere bis mittlere Bedarfsmengen. Die ehemaligen Notschlacht-Räumlichkeiten in den Gemeinden können diesem Bedürfnis längerfristig nicht gerecht werden. Mit einem Schlachthaus in der Region kann die Regionalität, auf die das PRE abzielt, umgesetzt werden, nach dem Grundsatz «in der Region geboren, in der Region geschlachtet für den Metzger und für die Kundschaft in der Region».
Wie unterstützt der «Ebenrain» die Standortsuche der Metzger?
Wir haben Kontakte vermittelt zur Standortförderung und zu Immobilienunternehmern in der Region. Der Baulandmarkt für die Ansprüche des Schlachthauses ist gerade ziemlich ausgetrocknet. Daher dauert die Suche noch an. Der «Ebenrain» ist allerdings kein Baulandvermittler. Wir unterstützen das Projektteam in erster Linie darin, Bedürfnisse zu schärfen, Anforderungen zu klären und gute Beispiele anderer Projekte kennenzulernen. Wir haben auch Kontakte vermittelt zum Veterinäramt, um die Anforderungen an die Parzelle und an die Architektur zu klären. Wir helfen auch bei Abklärungen betreffend Landrecht, Zonenanforderungen oder im Vorgehen bei der Umsetzung von Bauvorhaben.
Gibt es eine Deadline für die Projektträger? Bis wann spätestens muss der Schlachthof stehen, um die Fördermittel von Bund und Kanton zu erhalten?
Der Regio-Schlachthof muss spätestens bis Ende Umsetzungsphase des PRE – das heisst Ende des Jahres 2027 – realisiert sein. Wir haben also noch Zeit. Aber wir begrüssen es sehr, dass die Träger des Regio-Schlachthauses nun mit voller Kraft vorwärtsmachen.