Der Korber mit der Schieblehre
29.03.2022 Böckten, Porträt, GemeindenHeiner Ritter geht seiner Leidenschaft seit Jahrzehnten nach
Zum ersten Mal in Berührung mit dem Korbflechten kam Heiner Ritter als vierzehnjähriger Bauernsohn. «Damals wurde der Grundstein zu meiner Leidenschaft zum Korben gelegt», erinnert sich der passionierte Landwirt, der heute ...
Heiner Ritter geht seiner Leidenschaft seit Jahrzehnten nach
Zum ersten Mal in Berührung mit dem Korbflechten kam Heiner Ritter als vierzehnjähriger Bauernsohn. «Damals wurde der Grundstein zu meiner Leidenschaft zum Korben gelegt», erinnert sich der passionierte Landwirt, der heute seinen 86.
Brigitte Keller
Es muss 1950 gewesen sein, als ein Störkorber für ein paar Tage einen Halt auf dem elterlichen Hof Wybaum ob Böckten machte, wie das zu jener Zeit gang und gäbe war. Dieser stellte allerlei Zainen und Kratten her und flickte vor Ort kaputtgegangene Henkel. Der junge Bauernsohn schaute nicht nur interessiert zu, sondern lernte gleich die Grundzüge des Handwerks kennen. Heute ist Heiner Ritter, von allen einfach Heiner genannt, weitherum bekannt für seine Korbwaren.
«Die Weiden werden geschnitten, wenn die Blätter fallen», so die fachmännische Auskunft. Also meistens ab November, je nach Witterung auch noch später. Dazu durchstreift Heiner die Wälder oberhalb vom Hof und auch Bachborde in der Umgebung. Danach folgt das Sortieren der Ruten. Das Sortieren nach Sorte geht schnell und einfach. Beim Sortieren nach Stärke will es der Fachmann dann ganz genau wissen: Jede Rute wird mit der Schieblehre gemessen. Daraus resultieren Bündel von Ruten in den Stärken von drei bis acht Millimetern.
Zaine oder Vogelhäuschen?
Das Vorsortieren erleichtert die eigentliche Flechtarbeit dann erheblich. Aus den Bündeln kann für jedes Objekt, ob grobe Zaine oder filigranes Vogelhäuschen, die gewünschte Kombination an Ruten zusammengestellt werden. Die dickeren Ruten werden vor dem Verarbeiten aufgespalten. Dazu nutzt der Fachmann einen eigens dazu geschnitzten Spreizer, welcher die Ruten in drei gleich grosse Teile aufspaltet. Dazu setzt der Korber den Spreizer in die vorbereitete Kerbe und stösst und zieht diesen durch die Weidenrute durch. Danach muss auch noch das Mark weggehobelt werden. Alles in allem eine schweisstreibende Angelegenheit. Für Heiner kommt aber nur das natürliche Material aus der Umgebung infrage.
Überhaupt der Wald, da fühlt sich Heiner wohl. Wie gross seine Liebe zum Holz und Wald seit eh und je ist, beweist eine Episode, an die er sich ganz genau erinnern kann: Als seine obligatorische Schulzeit zu Ende ging, trat er seinem Vater gegenüber und sagte: «Ich will nicht Bauer werden. Ich will Forstwart werden.» Man kann sich in etwa vorstellen, was Vater Ritter von dieser Idee seines einzigen Sohnes hielt. Seine Antwort war denn auch entsprechend unmissverständlich. «Wenn du das ernst meinst, dann verkaufe ich sofort den ganzen Hof.» Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
Heiner wurde Bauer und es gab nichts zu bereuen. Seine Liebe zum Holz und Wald konnte er auch hier ausleben. So wagte er es auch, beim Umbau des Stöcklis die Stubendecke von A bis Z selber zu zimmern. Obwohl ihm abgeraten wurde, dafür Fichte aus dem heimischen Wald zu verwenden, liess er sich nicht abhalten. Seit bald vierzig Jahren schmückt die wunderschöne Täferdecke die heimische Stube.
Durch die Lagerung der Weidenruten trocknen diese natürlich nach und nach aus. Deshalb müssen sie vor der Verarbeitung gewässert werden, um wieder geschmeidig zu werden. Im kalten Wasser, das aber nicht weniger als 10 Grad kalt sein darf, kann dies bis zu einer Woche dauern. Wenn es schneller gehen muss, kann es sein, dass die Ruten in den Genuss eines warmen Bades kommen. Dann lassen sie sich bereits nach zwei Tagen verarbeiten.
In der guten Stube
Das Spalten und Flechten verrichtet Heiner mittlerweile in der Stube seines Heims. Als er die Stube noch mit seiner lieben Frau Ruth geteilt hatte, war das verständlicherweise «nicht erlaubt». Das Herz von Ruth, die ursprünglich aus Wintersingen stammte, hatte er seinerzeit mit einer Fahrt auf seiner Vespa erobert. Nach Jahrzehnten an seiner Seite machte sich bei seiner Frau in den letzten Jahren eine Demenz immer unbarmherziger bemerkbar und vor eineinhalb Jahren musste sich die Familie endgültig von ihr verabschieden.
Als Grabschmuck kreierte Heiner nach einer Idee seiner Tochter Monica ein Blumenkörbchen in Herzform. Diese schmucken «Herzkörbli» sind mittlerweile zu einem Liebling der Kunden geworden und er hat schon mindestens 25 davon angefertigt. Auch für seine Vogelfutterhäuschen ist er weitherum bekannt. Daneben stellt er Zainen, Körbe und Kratten her und führt auch Reparaturen an altgedienten Körben aus, wofür deren Besitzer sehr dankbar sind. Es ist sogar schon vorgekommen, dass Hundebesitzer mit ihrem Tier vorbeigekommen sind und am Hund Mass genommen wurde für ein Hundebett. Eine originelle Idee, die aber nur für Hunde infrage kommt, die ihren Nagetrieb nicht an dem Flechtwerk ausleben wollen.
Bis zum «Böckter Früheligs-Märt» vom kommenden Samstag will Heiner Ritter unbedingt noch den einen oder anderen Korb herstellen, damit die Besucher nicht vor einem leeren Stand stehen. Vielleicht gönnt er sich heute Dienstag, den 29. März, aber doch eine Pause. Denn heute feiert der Korber von Böckten seinen 86. Geburtstag. Herzliche Gratulation!