Hotspots der Biodiversität
10.02.2022 Augenschein, Waldenburg, Bezirk Waldenburg, Natur, Baselbiet
Elmar Gächter
Die wertvollen Lebensräume für Kleinlebewesen werden immer seltener. Beweis dafür sind unter anderem die natürlichen Quellen, von denen ein Grossteil im vergangenen Jahrhundert gefasst oder für Landwirtschaftsflächen und Waldgebiete ...
Elmar Gächter
Die wertvollen Lebensräume für Kleinlebewesen werden immer seltener. Beweis dafür sind unter anderem die natürlichen Quellen, von denen ein Grossteil im vergangenen Jahrhundert gefasst oder für Landwirtschaftsflächen und Waldgebiete entwässert wurde. Dort, wo diese Quellen noch weitgehend ungestört sind, kommen schweizweit rund 70 verschiedene Tierarten vor. Pro Natura Baselland hat im Rahmen der «Aktion Spechte & Co. AG/BL» dieses Thema aufgenommen und zusammen mit dem Forstbetrieb Frenkentäler ein Pilotprojekt lanciert, mit dem Ziel, einzelne der beeinträchtigte Quellen in den Wäldern von Waldenburg mit konkreten Massnahmen aufzuwerten.
Rund 20 Quellen liessen sich aufgrund des kantonalen Quellkatasters, der Quellkarte des Brunnmeisters von Waldenburg sowie der Konsultation von verschiedenen Einwohnern finden. Nur noch vier dieser Lebensräume sind natürlich und unbeeinträchtigt von menschlichen Eingriffen. «Diese wollen wir so belassen, wie sie sind, und konzentrieren uns auf drei andere, die das ganze Jahr Wasser führen und die wir mit baulichen Massnahmen aufwerten können», sagt Lena Bühlmann, die im Auftrag von Pro Natura Baselland den Zustand der bestehenden Waldquellen in Waldenburg in den Jahren 2020 und 2021 erfasst hat.
Förster Simon Czendlik, Tabea Bischof, Projektleiterin der «Aktion Spechte & Co. AG/BL» sowie Lena Bühlman zeigen der «Volksstimme» eine der drei im Fokus stehenden Quellen. Hier im Gebiet Richtacker, an der Waldgrenze oberhalb des Städtchens Waldenburg, sprudelt seit Menschengedenken eine Quelle, deren Wasser zu einem grossen Teil über einen Feld- und Waldweg führt. «Hier wollen wir Quadersteine setzen und zwar möglichst weit auseinander, sodass Fahrzeuge passieren können, ohne den sensiblen Quell-Lebensraum zu stören. Dieser soll sich dank dieser Massnahmen geschützt zwischen den Quadersteinen etablieren», erläutert Bühlmann die vorgesehenen Massnahmen.
Simon Czendlik, Co-Leiter des Forstbetriebs Frenkentäler, hebt den ökologischen Nutzen des Pilotprojekts hervor. «Die meisten Quellen sind sehr gut kartiert, aber nur vom Aspekt der Nutzung für die Wasserversorgung her, der ökologische Wert ist nur schwach erfasst. Wir wollen diese Lebensräume schützen, sind dort doch viele gefährdete Tierarten zu finden.» Die Kartierung der Quellen im Waldenburger Wald ermöglicht es dem Forstbetrieb, bei Holzschlägen auf diese Quellstandorte Rücksicht zu nehmen. Ein Teil der Aufwertungsarbeiten will Simon Czendlik mit der eigenen Forstequipe realisieren.
Finanzielle Mittel von Dritten
Dennoch ist das Projekt auf finanzielle Mittel von Dritten angewiesen. «Wir hoffen, dass Stiftungen uns unterstützen, um die Massnahmen möglichst diesen Herbst ausführen zu können», sagt Czendlik. Für die Erarbeitung der entsprechenden Grundlagen hat die «Aktion Spechte & Co. AG/BL» laut Tabea Bischof rund 8000 Franken aus der eigenen Kasse bezahlt.
Daniel Küry begleitet das Pilotprojekt als Beauftragter und Leiter der Beratungsstelle Quell-Lebensräume des Bundesamts für Umwelt und stellt das Monitoring sicher. Auch er betont die grosse Bedeutung der natürlichen Quellen. Sie seien ein eigentliches Fenster zur Unterwelt, wo sich die sonst im Grundwasser lebenden kleinen Tiere, wie Höhlenflohkrebse oder Höhlenasseln, zeitweise aufhalten und sich unter anderen die auf Quell-Lebensräume spezialisierten Insekten wie Köcherfliegen, Steinfliegen oder Eintagsfliegen tummeln. Auch sei der Feuersalamander oder die Gestreifte Quelljungfer – eine Libellenart – anzutreffen. Die in der Regel kleinen Quellenbereiche weisen im Vergleich zur Fläche eine sehr grosse Artenvielfalt auf. «Von den rund 70 Arten, die auf diese Räume spezialisiert sind, gelten mehr als zwei Drittel als akut gefährdet. Wenn auch noch das restliche Drittel vernichtet würde, wäre dies für die Biodiversität ein herber Verlust», so der Biologe.
Das Pilotprojekt soll über Waldenburg hinaus weitergeführt werden. Die Verantwortlichen sind bereits daran, die Waldquellen der ebenfalls zum Forstbetrieb Frenkentäler zählenden Nachbargemeinde Reigoldswil zu kartieren. Die Verantwortlichen wollen versuchen, auch die kantonalen Behörden mehr zu involvieren, um alle wertvollen Quell-Lebensräume im ganzen Waldgebiet von Baselland zu erfassen und dort, wo Potenzial vorhanden ist, auch aufzuwerten.