Breiter, tiefer, lauter, schneller
25.02.2022 Auto, Ormalingen, Bezirk Sissach, BaselbietChristian Horisberger
Danilo Cordeiro macht automobile Träume wahr. Möchte ein Halter für sein Auto prunkvollere Felgen oder breitere Pneus, besorgt er sie. Soll der Wagen tiefer und straffer auf der Strasse liegen, montiert der Tuner ein neues Fahrwerk. Will der Kunde ...
Christian Horisberger
Danilo Cordeiro macht automobile Träume wahr. Möchte ein Halter für sein Auto prunkvollere Felgen oder breitere Pneus, besorgt er sie. Soll der Wagen tiefer und straffer auf der Strasse liegen, montiert der Tuner ein neues Fahrwerk. Will der Kunde mehr Leistung, lässt der Fachmann die Elektronik umprogrammieren. Soll ein Auto mit Frontlippe, Schwellen, Heckdiffusor oder Dachspoiler ausgestattet werden, machen sich die Karossiers Cordeiros an die Arbeit. Und möchte der Kunde einen kernigeren Sound, wird auch dieser Wunsch erfüllt.
Der 30-Jährige ist der Kopf und das Herz von «DC Performance», der Tuning-Abteilung der von seinem Vater Fernando gegründeten und geführten Auto- und Karosseriewerkstatt 1a Autoservice Cordeiro in Ormalingen. Der gelernte Karosseriespengler und Technische Kaufmann arbeitet hauptberuflich im Kundendienst einer BMW-Vertretung im Unterbaselbiet. Nach Feierabend berät er Autohalterinnen und -halter, die mehr aus ihrem Fahrzeug herausholen wollen.
Kunden im Alter von 19 bis um die 40 würden ihn aufsuchen, sagt Cordeiro. Mehrheitlich Männer, aber immer häufiger würden auch Frauen mit seiner Hilfe ihre Autos schön machen. Er schätzt den Frauenanteil inzwischen auf rund 30 Prozent, Tendenz steigend. Mit ein Grund für die Feminisierung des Autotunings seien wohl die Sozialen Medien, mutmasst der Spezialist. «Auf den Sozialen Medien treffen viele Frauen mit denselben Interessen aufeinander und unterstützen sich gegenseitig in ihrer Leidenschaft für sportliche Fahrzeuge.»
Bauchsache
Auch Cordeiro zeigt seine Arbeiten im Netz. Mit dem Einverständnis der Kunden macht er von deren Autos Vorher-/Nachher-Fotos und schaltet diese auf Facebook und Instagram auf. Auf der Firmenwebsite zeigt er ausserdem, wie «DC Performance» «breiter», «tiefer», «schneller» und «lauter» interpretiert. Das Video zeigt Felgen, Auspuffe oder Sprints von sportlichen Autos mit seinem Logo. Der Werbefilm zielt auf den Bauch, nicht auf den Kopf. Denn sogar der Tuner sagt: «Brauchen tut man das nicht alles zwingend, bei 120 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit und der permanenten Gefahr einer Radarkontrolle.» Aber: «Man kann das Geld definitiv dümmer ausgeben.»
In die Leistung, den Sound, die Aerodynamik und die Optik eines Autos lässt sich fast beliebig viel Geld stecken. Ein neuer Sportfedersatz ist ab 300 Franken zu haben. Entscheide man sich für ein Gewindefahrwerk, mit dem sich der Abstand der Karosserie zur Strasse variabel einstellen lässt, könne es deutlich mehr werden, sagt der Spezialist. Für eine neue Auspuffanlage könne man je nach Fahrzeug, Ausführung und Material 2000 bis 6000 Franken auslegen. Soll mithilfe einer Modifikation der Motor- und Getriebeelektronik die Leistung gesteigert werden – hier lägen bei vielen Modellen zusätzliche 20 Prozent drin – bewegten sich die Preise im Bereich von 600 bis 2000 Franken. Und für einen Satz Felgen betrage die Bandbreite in der Regel zwischen 2000 bis 4000 Franken.
Sein eigenes Auto, einen VW Golf 7R, ab Werk mit 300 PS, hat Cordeiro einer mehrstufigen Leistungskur unterzogen. «Ich wollte herausfinden, was ich mit jeder einzelnen Massnahme herausholen kann», sagt er. Die Summe aller Modifikationen sind eine Gesamtleistung von deutlich mehr als 400 PS. Noch mehr Kraft, und das Auto bräuchte ein robusteres Getriebe. Deshalb trat der Tuner auf die Bremse und verzichtete auf noch mehr Power. Der rote 7R ist auch so eine Kostbarkeit: Im Originalzustand betrage der Restwert seines 2017er Golf rund 30 000 Franken, so der Tuning-Profi, die Extrateile, samt und sonders amtlich eingetragen, kämen auf weitere 15 000 Franken zu stehen – die Arbeit nicht eingerechnet.
Fahranfänger mit PS-Boliden
Nicht beeindrucken könnte Cordeiro selbst mit seinem Super-Golf die Vertreter einer neuen Generation von Auto-Fans: Frisch ab Lehre, das Autobillett eben erst in der Tasche, fahren immer mehr junge Erwachsene auf extrem leistungsstarke und teure Fahrzeuge ab. Besonders beliebt sind laut dem Ormalinger deutsche Fabrikate wie der Audi RS4 oder RS6, der BMW M3 oder M4 oder der Mercedes AMG C43 oder C63. Wem die Typenbezeichnungen nicht viel sagen: Der aktuelle Audi RS4 verfügt ab Werk über 450 und der C63 über 558 PS. Die Listenpreise der potenten Sportlimousinen liegen um 100 000 Franken und höher.
Über dieses Phänomen wundert sich selbst Cordeiro, dessen erstes Auto ein bescheidener Fiat Bravo war. Kürzlich habe er einen Lernenden in seinem Betrieb gefragt, was für ein Auto er anschaffen wolle; ob für ihn beispielsweise ein Fiat 500 Abarth – ein Leichtgewicht mit bis zu 180 PS – infrage komme. «Er sagte, dass ein Kollege von ihm einen Mercedes C63 habe und er mit einem ‹Cinquecento› ausgelacht würde. Er schaffte einen 2017er BMW 420 an, legte ihn tiefer und besorgte andere Felgen.»
In der Autoszene gehört der kernige Sound des Motors zum guten Ton. Beeinflussen lässt sich dieser unter anderem mittels Modifikationen an der Elektronik oder am Auspuff. Anstatt beispielsweise den Originalauspuff gegen ein kostspieliges, zugelassenes Ersatzteil auszutauschen, werde häufig auch zu günstigeren, aber illegalen Mitteln gegriffen und der Auspuff «ausgeräumt», sagt Cordeiro. Er erhalte häufiger solche Anfragen, lehne diese aber konsequent ab: «Ich kann nicht 30 Jahre seriöse Arbeit meines Vaters aufs Spiel setzen.» Dieser ergänzt: «So etwas können wir uns als Betrieb, der jede Woche mehrere Autos vorführt, nicht leisten. Würden wir illegale Sachen machen, wären wir bei der Motorfahrzeugprüfstation (MFK) rasch abgestempelt.» Nehme «DC Performance» bewilligungspflichtige Massnahmen vor, würden die erforderlichen Papiere beschafft oder man weise die Kundinnen und Kunden explizit darauf hin, was zu tun ist, um die Modifikationen zu legalisieren, sagt der Tuner. Im Fall einer elektronischen Motor-Optimierung ist ein Gutachten erforderlich und das Auto muss bei der MFP gezeigt werden.
Danilo Cordeiro zieht eine genauso klare Trennlinie zwischen der legalen Tuning-Szene und den sogenannten Posern, den Angebern. Deren Treffen, wie jenes, das vor wenigen Wochen in Sissach im Parkhaus des Coop Bau und Hobby stattgefunden hat, interessierten ihn nicht, sagt er. Das ist nicht seine Welt. Er habe erst im Nachhinein davon erfahren und ärgert sich: Die Leute, die dort lärmten, schadeten auch der legalen Tuning-Szene. «Von Aussenstehenden werden alle in denselben Topf geworfen.»
Nicht ausreizen, sondern haben
Im Unterschied zu den Posern gehe es Tunern wie ihm nicht um Beschleunigungsorgien oder flammende und laut knallende Auspuffe. Sondern um die Freude am Auto, an einem guten Sound und einer sauber ausgeführten Arbeit, sagt Cordeiro. Er treffe sich mit Gleichgesinnten, tausche sich mit ihnen aus. Die Zusammenkünfte seien auch gut fürs Geschäft: «Die beste Werbung für einen Tuner ist eine gelungene Arbeit, die man aus der Nähe begutachten kann.» Ein Auftrag beginne oft bei der Frage: «Bei wem hast du das machen lassen?»
Hin und wieder macht der Tuning-Spezialist mit Freunden auch eine Ausfahrt. Einmal geht es auf einen Pass, ein anderes Mal auf eine Rennstrecke, wo man die volle Leistung der Autos auf die Strasse bringen kann. Wobei: «Viele von uns gehen nie auf einen Rundkurs», sagt der Szenekenner. «Den meisten von uns geht es nicht ums Ausreizen der Leistung, sondern einfach darum, sie zu haben und sich mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen.»