Da waren es nur noch fünf
21.01.2022 Baselbiet, Buckten, Gesellschaft, Bezirk Sissach
Sebastian Schanzer
22 von über 50 Katzen hatte das Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) 2019 bei einer unangemeldeten Kontrolle von Günther Webers Katzenasyl «Zur letzten Zuflucht» in Buckten beschlagnahmt. Fünf davon leben heute noch, ...
Sebastian Schanzer
22 von über 50 Katzen hatte das Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) 2019 bei einer unangemeldeten Kontrolle von Günther Webers Katzenasyl «Zur letzten Zuflucht» in Buckten beschlagnahmt. Fünf davon leben heute noch, die übrigen Tiere wurden zum grössten Teil eingeschläfert. Am Mitwoch hatte das Baselbieter Kantonsgericht darüber zu urteilen, ob diese Beschlagnahme rechtens war – zum zweiten Mal. Ein Urteil desselben 5-köpfigen Richtergremiums vom Dezember 2020 wurde vom Bundesgericht vergangenen Sommer zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückgewiesen.
Denn: Unter dem Vorsatz von Vizepräsident Daniel Ivanov hatten die Kantonsrichter laut Bundesgericht in ihrem Urteil nicht hinreichend untersucht, ob die schlechte gesundheitliche Verfassung der Tiere auf deren vermeintliche Vernachlässigung im Katzenasyl von Weber oder doch eher auf ihre Vorerkrankungen zurückzuführen sei – ein entscheidender Punkt bei der Frage, ob die Beschlagnahme gerechtfertigt war. Im Katzenasyl leben ältere, chronisch kranke, traumatisierte oder verwilderte Katzen – Tiere, die aufgrund ihrer Behinderung oder Erkrankung nicht mehr an Privatpersonen oder eine andere Institution vermittelt werden können und deswegen meist getötet werden. Insbesondere hätte der Tierarzt von Weber zur Sache vernommen werden müssen, der die individuelle Krankengeschichte der einzelnen Tiere kenne. Das Kantonsgericht verweigerte damals aber die Aufnahme von weiteren Beweisen und verletzte damit Webers rechtliches Gehör. Es stützte sich im Urteil hauptsächlich auf einen Bericht des ALV über die Ereignisse an der unangemeldeten Kontrolle und auf Angaben des Tierheims beider Basel (TbB), welches die Katzen nach der Beschlagnahme aufgenommen hatte. Weber bezeichnete den Bericht des ALV als «willkürlich und tendenziös».
Vergleich scheitert an Weber
Zu einer Befragung von Webers Tierarzt ist es am Mittwoch allerdings nicht gekommen. Er war zwar vorgeladen und zu Beginn der Verhandlung auch anwesend. Noch vor der Befragung packte er allerdings seine Siebensachen und verliess den Wartesaal ohne sich entsprechend abzumelden.
Gescheitert ist zu Beginn der Verhandlung auch ein von den Richtern angestrebter Vergleich: Vier der fünf noch lebenden und aktuell im Tierheim beider Basel untergebrachten Katzen soll Weber zurückbekommen, sofern er ihnen ein separates Zimmer zur Verfügung stellen kann. Die fünfte Katze, ein Einzelgänger namens Emil, wollten der Bestandestierarzt des TbB und die beiden Vertreterinnen des ALV aber nicht herausgeben. Die Umsiedlung würde ihm möglicherweise zu viel Stress bereiten. Auch sei es fraglich, ob sich Emil im Katzenasyl wieder integrieren könne. «Endgültig auf Emil verzichten? Das kann ich nicht», sagte Weber und wies das Vergleichsangebot ab.
Webers Anwältin plädierte dann auch, den angefochtenen Regierungsratsbeschluss, der die Beschlagnahme stützt, aufzuheben und Weber alle fünf noch lebenden Katzen zurückzugeben. Eine Beschlagnahme bedinge eine erhebliche Vernachlässigung der Tiere durch den Halter, die vom ALV trotz des 2019 festgestellten schlechten Zustands der Katzen nicht hätte nachgewiesen werden können. Im Gegenteil: Laut den Pflegeberichten des TbB habe sich deren Zustand auch in der Obhut des Heims über mehrere Monate hinweg nicht verbessert, teilweise sogar verschlechtert. Das bestätige die frühere Zeugenaussage von Webers Tierarzt gegenüber der Staatsanwaltschaft, die Tiere seien nicht mehr behandelbar.
Eine Beschlagnahme komme darüber hinaus laut Bundesgericht erst dann in Betracht, wenn die zuständige Behörde zum Schluss kommt, dass der Tierhalter auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, angemessen für die Tiere zu sorgen. Die vom ALV mittlerweile erteilte Bewilligung für Webers Betrieb stünde im Widerspruch zu diesem Schluss. «Es ging dem ALV bei der unangemeldeten Kontrolle einzig darum, Webers Bestand an Tieren zu reduzieren. 22 Kisten haben die Kontrolleure mitgebracht, 22 Tiere nahmen sie mit», so die Anwältin.
Anordnungen missachtet
Die Kantonstierärztin Marie-Louise Bienfait, die den Fall von ihrem Vorgänger Thomas Bürge übernommen hat, bestätigte dies in ihrem Plädoyer. «Ja, das ALV wollte dafür sorgen, dass Weber seinen Bestand an Katzen auch managen kann.» Es liege in seiner Verantwortung, nur so viele Katzen aufzunehmen, wie er auch pflegen und betreuen könne – den Vorschriften des Tierschutzgesetzes entsprechend. Weber habe aber viele behördliche Anordnungen nach früheren Kontrollen nicht umgesetzt. Eine spätere Verfügung des ALV hatte er bis vor Bundesgericht angefochten – ohne Erfolg. Und wie der Augenschein in Buckten vor der Verhandlung am Mittwoch gezeigt habe, habe die aus ihrer Sicht verhältismässige Massnahme auch zum angestrebten Ziel geführt. «Das Katzenasyl zeigt sich heute in einem guten Zustand. Herr Weber kümmert sich liebevoll um die verbliebenen 26 Katzen», so Bienfait.
Dass die Beschlagnahme von 22 Katzen durch die Behörden verhältnismässig gewesen sein soll, bestätigte am Mittwoch auch der Arzt des TbB mit Nachdruck gegenüber den Richtern. «Die 2019 vorgefundene Situation im Katzenasyl war nicht tierschutzgerecht», sagte er. Bei allen Katzen habe er Ohrmilben gefunden, entsprechend seien die Ohren auch entzündet gewesen. Weiter stellte er bei einer grossen Anzahl der Katzen Maulschleimhaut- und Zahnfleischentzündungen fest, was auf Infektionen mit Katzenschnupfen hinweise. Viele Tiere hätten auch an Durchfall gelitten. «Sie hatten wüstes Fell, waren mager oder dickleibig und hatten Augen- und Nasenausfluss. Den Gestank dieser Katzen vergesse ich nie», so der Heimarzt. Dies alles habe darauf hingewiesen, dass Weber die Situation mit den zu vielen Katzen nicht unter Kontrolle gehabt und im Asyl ein hoher Infektionsdruck geherrscht habe. «Ohne die Reduktion des Bestands und weitere Massnahmen wäre dies zu einer ‹never-ending-story› geworden.»
Zu einem Urteil ist es am Mittwoch wegen zeitlichen Verzugs nicht mehr gekommen. Die Beratung werde an einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt stattfinden, sagte Vizepräsident Daniel Ivanov.