Csontos tritt als Landrat ab
07.01.2022 Baselbiet, Ramlinsburg, Politik
David Thommen
Bálint Csontos, das grosse politische Talent der Baselbieter Grünen, war ein Senkrechtstarter: Mit nur 19 Jahren wurde er Gemeinderat von Ramlinsburg, zwei Jahre später übernahm er das Präsidium der Baselbieter Grünen und mit 23 Jahren holte ...
David Thommen
Bálint Csontos, das grosse politische Talent der Baselbieter Grünen, war ein Senkrechtstarter: Mit nur 19 Jahren wurde er Gemeinderat von Ramlinsburg, zwei Jahre später übernahm er das Präsidium der Baselbieter Grünen und mit 23 Jahren holte er für seine Partei einen Landratssitz im Wahlkreis Waldenburg. Jetzt, mit nur 26 Jahren und nach erst drei Jahren im Kantonsparlament, kündigt er seinen Rücktritt auf Mitte Jahr an. Bereits 2020 hatte er nach fünf Jahren sein Gemeinderatsmandat abgegeben, ebenso das Kantonalpräsidium bei den Grünen nach drei Jahren. Er biete der Partei zwar weiterhin seine Unterstützung hinter den Kulissen an, mit der organisierten Politik ist für ihn aber Schluss.
«Ich bin 2011 in den Vorstand der Jungen Grünen eingetreten und habe mittlerweile fast mein halbes Leben mit Politisieren verbracht», sagt Csontos. Jetzt wolle er Platz für Neues schaffen. Unter anderem stehe die Jus-Masterarbeit an, danach werde er wohl das Anwaltspatent anstreben, was mit viel Aufwand verbunden sei. Was später folge, sei noch unklar, doch in seinem Alter seien viele Pfade möglich, und keiner davon werde sich zeitlich mit einem Landratsmandat vertragen. Es sei besser und ehrlicher, bereits vor den nächsten Wahlen als erst kurz danach zurückzutreten.
Langsame Politik
Der Rückzug aus der Politik mag für viele überraschend kommen: Csontos gilt als «Animal politique» und ist im Parlament als Strippenzieher und als zuweilen scharfzüngiger Debattierer bekannt, der sich manchmal unzimperlich mit den Bürgerlichen anlegte. «Ich bin wohl so manchem auf den Fuss getreten, hoffe aber, dass ich nie wirklich unfair war», sagt er. Es bringe in einer Debatte nichts, um den heissen Brei herumzureden: «Es stellen sich existenzielle Herausforderungen. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen und sofort mit der Arbeit beginnen.»
Dies gelte vor allem beim Klimawandel, dessen Folgen auch das Baselbiet rascher und härter treffen werde, als den meisten Menschen bewusst sei. Die Politik sei viel zu träge und verliere Zeit, um den Wandel hin zu einer klimaneutralen Zukunft zu schaffen. Die Grünen wollten daher im Dezember im Landrat den Aufgaben- und Finanzplan zurückweisen, um «die ambitionslose Regierung» zu deutlich mehr Investitionen in einen klimafreundlichen Umbau zu zwingen, scheiterten damit aber deutlich. Die Prioritäten, so Csontos, würden heute falsch gesetzt.
Spielt bei seinem Rücktritt auch eine gewisse Frustration über zu langsame Prozesse und über Niederlagen mit? «Überhaupt nicht», sagt er, Verlieren gehöre in der Demokratie dazu. Auch habe die Geschichte mit der Velohochbahn keine Narben hinterlassen: Csontos und sein Fraktionskollege und Geschäftspartner Klaus Kirchmayr wollten mit ihrem gemeinsamen Start-up «urb-x» ein visionäres Hochbahnprojekt im Zusammenhang mit dem Eidgenössischen Schwingfest in Pratteln verwirklichen.
Unterstützt wurden die beiden vom ebenfalls grünen Baudirektor Isaac Reber, der dafür öffentliches Geld frei machen wollte. In der Folge hagelte es Klüngelei-Vorwürfe, worauf das Projekt gestoppt wurde. Csontos: «Ich habe viel darüber gelernt, wie Menschen, die Politik und die Medien funktionieren.» Und auch über sich selber, wie er selbstkritisch meint. Heute sei «urb-x» auf gutem Weg. Im Dezember wurde ein Baugesuch für ein Pilotprojekt der Velohochbahn auf dem Basler Güterbahnhof eingereicht. Kirchmayr hat seinen Rückzug aus dem Parlament ebenfalls angekündigt.
Zweiter grüner Regierungsrat
Csontos stellt dem Landrat generell ein gutes Zeugnis aus: «Dort sind 90 Menschen tätig, die alle ihr Bestes geben.» Menschlich und politisch habe er viel lernen dürfen. Eine baldige Rückkehr auf die politische Bühne schliesst er aus, weitere Ambitionen habe er nicht: «Man wird mich im Herbst nicht auf der Nationalratsliste finden.» Und eine Kandidatur für den Regierungsrat sei keine Option. Csontos war es, der vor einigen Woche in einer «Carte blanche» in der «Volksstimme» einen zweiten Sitz der Grünen in der Kantonsregierung gefordert hatte. Er habe damit nicht sich selbst gemeint, sagt er und lacht.
Wählbar wäre Csontos bei den nächsten Baselbieter Wahlen ohnehin nicht: Er zieht von Ramlinsburg nach Basel, um näher bei seinem Arbeitsplatz bei «urb-x» und der Uni zu sein. «Trotzdem bleibe ich einer von Ramlinsburg und bin dem Baselbiet weiterhin verbunden», sagt er. Wer für ihn im Wahlkreis Waldenburg in den Landrat nachrückt, wird erst später kommuniziert.
Im Baselbiet in Erinnerung bleiben dürfte Bálint Csontos vor allem in seiner Rolle als umtriebiger und erfolgreicher Parteipräsident. Im Landrat konnten die Grünen unter seiner Führung ihre Vertretung um 6 auf 14 Sitze ausbauen, dazu gelang die Wiederwahl des grünen Regierungsrats Isaac Reber problemlos, und als Höhepunkt errangen die Grünen im Wahljahr 2019 mit Maya Graf erstmals den einzigen Baselbieter Sitz im Ständerat.