«Ochsen» kämpft ums Überleben
28.01.2022 Baselbiet, Oltingen, Gastronomie, Bezirk Sissach
Janis Erne
Der Skiausflug zum bernischen Hasliberg sei eine willkommene Abwechslung gewesen. «Einen Tag lang konnte ich meinen Kopf lüften», erzählt Markus Stocker, aka «Stocky». Denn zu Hause im Baselbiet beschäftigen den Wirt des Oltinger «Ochsens» ...
Janis Erne
Der Skiausflug zum bernischen Hasliberg sei eine willkommene Abwechslung gewesen. «Einen Tag lang konnte ich meinen Kopf lüften», erzählt Markus Stocker, aka «Stocky». Denn zu Hause im Baselbiet beschäftigen den Wirt des Oltinger «Ochsens» finanzielle Probleme. Pandemiebedingt würden 50 000 Franken in der Kasse fehlen, um den Betrieb im laufenden Jahr weiterführen zu können, so Stocky. Aus offenen Rechnungen von langjährigen Lieferanten und aus staatlichen Abgaben setze sich das Defizit zusammen. Stocky ist mit allen Gläubigern in Kontakt und hat Abzahlungsmodalitäten ausgehandelt. Seit der Einführung der Zertifikatspflicht im vergangenen September kämpfe er mit monatlichen Umsatzeinbussen von bis zu 60 Prozent: «Es kamen immer weniger Gäste, zudem wurden alle Weihnachtsessen abgesagt.»
Selbstkritisch gesteht sich der «Ochsen»-Wirt aber auch eigene Fehler ein: «Ich hätte bereits im Winter 2020 und spätestens im Herbst 2021 Stellen abbauen und die Öffnungszeiten stark reduzieren müssen.» Stattdessen habe er auf eine Besserung der Situation gehofft, um das Minus abbauen zu können. Doch die Lage verbesserte sich nicht. Wegen der hohen Corona-Fallzahlen ist die Zertifikatspflicht bis heute geblieben.
Erschwerend kommt beim «Ochsen» hinzu, dass der Betrieb auch kulturelle Veranstaltungen – die ganzheitlich gesehen defizitär sind – organisiert. Trotz finanzieller Schieflage möchte Stocky die Konzerte und Aufführungen nicht missen. Veranstaltungen wie etwa das Konzert der bekannten Schweizer Soulsängerin Nicole Bernegger hätten viele Leute glücklich und das kleine Oltingen bei Auswärtigen bekannt gemacht.
Crowdfunding gestartet
Um zu verhindern, dass der «Ochsen» weiter unter dem defizitären Kulturbetrieb leidet, soll künftig ein neuer Förderverein die Kosten der Veranstaltungen übernehmen. Geplant ist, dass sich das Vereinskapital aus Spenden von Privatpersonen sowie aus Stiftungs- und Kulturfördergeldern zusammensetzt. Bevor die Gründung des Fördervereins angegangen werden kann, muss das Lokal aber diesen Winter überleben.
Gestern Donnerstag ist dazu eine zweimonatige Crowdfunding-Kampagne gestartet. Bis zum 27. März können Freundinnen und Freunde sowie Gäste des Restaurants Ochsen gemeinschaftlich 50 000 Franken bereitstellen, um das Defizit in Stockys Rechnung zu begleichen. Der Wirt wendet sich an interessierte Personen: «Um den ‹Ochsen› als Stätte des Miteinanders und als Kulturort zu erhalten, brauche ich nun eure Unterstützung.»
Prominente Hilfe
Oltingen steht hinter seiner Beiz und deren Wirt: Nationalrätin Florence Brenzikofer und Gemeindepräsident Stefan Eschbach verwalten treuhänderisch das Crowdfunding-Konto, das bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank untergebracht ist. Sollten die 50 000 Franken nicht innerhalb der nächsten 60 Tagen zusammenkommen, würden sie die Spenden zurücküberweisen. Der «Ochsen» stünde vor dem Aus.
An ein Scheitern der Sammelaktion will Stocky momentan nicht denken – zu wichtig sei ihm die Oltinger Beiz: «Seit der Eröffnung vor drei Jahren ist der ‹Ochsen› zu einem Herzensprojekt herangewachsen, sodass ich 2020 meinen anderen Betrieb in Basel aufgegeben habe.» In der Stadt wirtschaftete Stocky sehr erfolgreich – er betrieb unter anderem jahrelang den beliebten «Appenzeller»-Stand vor dem «Joggeli».
Doch von einer Pandemie kann auch der erfahrenste Gastronom aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Zurzeit kämpft im Baselbiet über die Hälfte der Gastrobetriebe mit deutlichen Umsatzeinbussen. Bei Stocky führte Corona zu einem Umdenken: «Kommt das Geld zusammen, wird der ‹Ochsen› sein Angebot künftig dem saisonalen Gästeaufkommen anpassen.» Schliesslich soll das traditionelle Restaurant seine Gäste auch morgen noch glücklich machen.
Informationen zur Sammelaktion unter: www.ochsenoltingen.ch