Damit nicht alles weiter einstürzt
09.12.2021 Baselbiet
Lorenz Degen
Wer im Bölchengebiet oder am Wisenberg umherwandert, entdeckt viele Spuren der Fortifikation Hauenstein: Halb verfallene Unterstände, mit Waldboden aufgefüllte Schützengräben, abgeplatzte Wappen und ausgewaschene Inschriften von ...
Lorenz Degen
Wer im Bölchengebiet oder am Wisenberg umherwandert, entdeckt viele Spuren der Fortifikation Hauenstein: Halb verfallene Unterstände, mit Waldboden aufgefüllte Schützengräben, abgeplatzte Wappen und ausgewaschene Inschriften von Truppengattungen an Felswänden. Zwischen 1914 und 1918 entstand ein rund 44 Kilometer langer Festungsgürtel rund um Olten, primär mit dem Ziel, einen Angriff der französischen Armee von Westen her abwehren zu können. Es galt, den Eisenbahnknotenpunkt und Brückenkopf zu sichern. Auch ein Durchmarsch des deutschen Heeres in Richtung Frankreich hätte damit blockiert werden können, stand aber in der militärischen Planung unter dem deutschfreundlichen General Ulrich Wille (1848–1925) nicht im Vordergrund.
Gleich nach der Mobilmachung, am 3. August 1914, wurde mit dem Riesenbauwerk begonnen. Im Dreischichtbetrieb legten Heerscharen von Soldaten Militärstrassen an, hoben Schützengräben aus, planierten Artillerie- und Scheinwerferstände. Rund 14 000 Armeeangehörige, von 1914 bis 1916 unter Kommandant Heinrich Schiess (1852–1934), standen im Einsatz, dazu 1100 Pferde. Im Ernstfall hätte die Fortifikation einen Bestand von 42 500 Mann gehabt, doch dazu kam es glücklicherweise nie. Ein grosses Problem, das bis Kriegsende am 11. November 1918 nicht gelöst wurde, war die Wasserversorgung. Quellen waren auf den Jurahöhen rar und die Gefahr einer Selbstvergiftung durch Verunreinigungen des Trinkwassers sehr hoch, wie der Sanitätsdienst der Armee in einem Bericht festhielt.
Dass die Bölchenfluh heute begehbar ist, geht auch auf diese Zeit zurück. Sie wurde als Beobachtungspunkt zurechtgesprengt. Die in Felsen gehauenen und bemalten Wappen an der «Südstrasse» erinnern bis heute an die verschiedenen Truppen und werden gegenwärtig vom Bildhauer Luciano Sutter saniert.
Erinnerung wachhalten
Am 11. Februar dieses Jahres konstituierte sich der «Verein Fortifikation Hauenstein», nachdem Landrat Pascal Ryf (CVP / «Die Mitte», Oberwil) am 14. Juni 2018 ein Postulat mit dem Titel «Rettet die Fortfikation Hauenstein» eingereicht hatte. Landrat Ryf forderte darin unter anderem eine denkmalpflegerische Unterschutzstellung, denn bis heute ist die Fortifikation Hauenstein nicht als kulturelles Erbe anerkannt. (Landrat Ryf begründete seinen Vorstoss im Oktober 2018 ausführlich in der «Volksstimme».) Nach über einem Jahr Wartezeit kam von der Baselbieter Regierung der Bescheid, die Summe von 90 000 Franken sei nötig, um eine vertiefte Analyse vorzunehmen. Dies wäre aber erst im Aufgaben- und Finanzplan 2021–2024 möglich. Zudem sei das Postulat abzuschreiben.
Der Landrat stemmte sich aber dagegen und liess das Postulat stehen. Pascal Ryf stellte nun bei der Regierung den Antrag, die 90 000 Franken ins Budget 2022 aufzunehmen. Die Regierung will davon nichts wissen, wie sie vor wenigen Tagen bekannt gab, und vertröstet auf eine eventuelle Gutsprache für den Ausgaben- und Finanzplan 2023–2026. Nun wird der Landrat während der Budgetdebatte Mitte Dezember Farbe bekennen müssen, ob er der Regierung folgt und damit den Zerfall weiterlaufen lässt, oder mit seiner Zustimmung zum Antrag Ryf ein erstes Zeichen setzt, das Verschwinden dieses Kulturgutes zu stoppen.
Inzwischen hat der Verein bereits buchstäblich eigene Pflöcke eingeschlagen und das «Panzertürmli», einen beliebten Aussichtspunkt am Ende des Rehags, mit einem neuen Zaun gesichert. Von etlichen Gemeinden kam hierfür finanzielle Unterstützung. Auch hundert Jahre nach ihrer Entstehung besteht in der Bevölkerung grosses Interesse am Thema: Zwei Wanderungen, organisiert von der bz und Baselland Tourismus, waren in diesem Sommer restlos ausgebucht. Immer wieder treffen auch Anfragen von Schülerinnen und Schülern ein, die über die Fortifikation Hauenstein einen Vortrag halten oder ihre Abschlussarbeit schreiben. Hier hilft der Verein auch gerne und strebt eine aktive Geschichtsvermittlung an, wozu mittelfristig auch Info-Tafeln und Hinweisschilder gehören sollen. Denn wer heute durch die Wälder streift und auf die historischen Anlagen stösst, findet keine Information vor Ort dazu.
Es geht dabei nicht um die Glorifizierung von Militärgeschichte, sondern um das Wachhalten der Erinnerung an eine entbehrungsreiche, schwierige Zeit, die vom Schweizervolk grosse Opfer forderte. Die Fortifikation Hauenstein steht zwischen Weltkrieg und Landesstreik, zwischen dem Schutz der Heimat und der existenziellen Not. Sie ist Mahnmal und Gedächtnisort zugleich.
Autor Lorenz Degen ist Vizepräsident des «Vereins Fortifikation Hauenstein».
Das Fotoprojekt
vs. Das Bundesarchiv ist im Besitz zahlreicher historischer Bilder zur Fortifikation Hauenstein. Sie wurden überwiegend zwischen 1914 und 1915 aufgenommen. Ziel des laufenden Fotoprojekts zur Fortifikation Hauenstein ist es, aktuelle Vergleichsbilder mit dem identischen Bildausschnitt/Bildwinkel zu erstellen (nicht nur ungefähr, sondern möglichst genau).
Leider seien kaum Informationen zu den Bildern erhalten geblieben, sagt der Langenbrucker Fotograf Diego Sonderegger. Mehrheitlich seien nur (Bildrand-) Notizen vorhanden, die eine Zuordnung zum «Festungskommando Hauenstein» zulassen. Das Recherchieren der Aufnahmestandorte war beziehungsweise ist eine entsprechend grosse Herausforderung. Auch sind laut Sonderegger keine Informationen zu den verwendeten Kameras vorhanden (insbesondere den Abbildungsformaten und Brennweiten).
Das Projekt stehe noch ganz am Anfang, sagt Sonderegger. Er habe erste Probeaufnahmen angefertigt, die dabei helfen sollen, passende (Licht-) Stimmungen zu finden. Die «Volksstimme» darf einige der Vergleichsbilder hier zeigen. Der Fotograf weiter: «Wenn das Projekt ansprechende Bilder hervorbringt, werde ich eine Ausstellung organisieren – möglicherweise in der Revue in Langenbruck.» Jetzt bleibe aber abzuwarten, was herauskomme.
Der Verein
ld. Der «Verein Fortifikation Hauenstein» hat seinen Sitz in Langenbruck. Pascal Ryf übernahm das Präsidium, Lorenz Degen (Arlesheim) das Amt des Vizepräsidenten, Jolanda Singer (Langenbruck) dasjenige der Kassierin. Weiter gehören dem Vorstand an: Danielle Sonderegger (Langenbruck), Ressort Netzwerk Baselland; Diego Sonderegger (Langenbruck), Ressort Vermittlung; Christoph Rast (Olten), Ressort Dokumentation und Geschichte; Christian Rieder (Basel), Ressort Tourismus und Öffentlichkeitsarbeit; Andrea Tschanz (Bern), Beisitzerin. Der Verein freut sich über neue Mitglieder, der Jahresbeitrag beträgt pro Person 50 Franken. Übers Jahr verteilt werden verschiedene Anlässe organisiert. Auch sammelt die engagierte Gruppe historische Karten, Dokumente, Fotos und Zeitzeugnisse aller Art, ebenfalls mit dem Ziel, die Fortifikation Hauenstein vor dem Vergessen zu bewahren.