Bei Corona auf-, bei der Temperatur abwärts
30.12.2021 BaselbietMärz und April | Läden und später auch die Gartenbeizen dürfen wieder öffnen
David Thommen
Nein, diesen Rückblick auf März und April 2021 beginnen wir nicht mit Corona. Wir starten mit einem ganz anderen ...
März und April | Läden und später auch die Gartenbeizen dürfen wieder öffnen
David Thommen
Nein, diesen Rückblick auf März und April 2021 beginnen wir nicht mit Corona. Wir starten mit einem ganz anderen Ärgernis: dem Wetter.
Losgelegt hat der März ganz ordentlich, doch irgendwie ist alles trügerisch: Saharastaub schiebt sich vor die Sonne. In früheren Zeiten wäre dies wohl als böses Wetter-Omen gedeutet worden und die grössten Pessimisten unter den Zeichendeutern hätten tatsächlich recht behalten: Es wird ein Frühling zum Vergessen! Ab dem 14. März installiert sich ein Kaltluft-Förderband über Europa, das sich in der Folge nicht mehr von der Stelle rührt. Am 19. März lesen wir auf der «Volksstimme»- Frontseite: «Frost im Anmarsch». Tagelang strömt kalte Polarluft zu uns, mehrfach fällt Schnee bis in tiefe Lagen. Die März-Höchstwerte der Temperatur bleiben im Norden deutlich unter 10 Grad!
Gut, es ist März und man hätte vielleicht noch ein Auge zudrücken können, doch dann frieren wir weiter: Der April ist im landesweiten Mittel der kälteste der vergangenen 20 Jahre und bringt in den tiefen Lagen der Alpennordseite zwischen 8 und 15 Frosttage! Am 13. April zeigten wir weissen Schnee auf weissen Kirschblüten auf der Frontseite, und der zuständige Redaktor titelte offensichtlich ziemlich in Rage: «Jetzt ist es genug!» Es ist so kalt, dass sich die Bienen lieber in ihren Stöcken gegenseitig wärmen als auszuschwärmen, um freudvoll die Blüten der Obstkulturen zu bestäuben. Allerdings wäre ihre Arbeit sowieso für die Katz’ gewesen: Der späte Frost zerstört ausserhalb der gedeckten Anlagen vielerorts grossflächig den ganzen Blust. Es trete vor, wer in diesem Jahr auch nur eine einzige Zwetschge oder Aprikose von einem frei stehenden Oberbaselbieter Baum gegessen hat! Nein, dem Frühling 2021 weint kein Mensch auch nur eine Träne nach.
Bei der Pandemie verhält es sich ähnlich: Der März startet hoffnungsvoll, später kommt es bekanntlich ganz anders. Viele der lange Zeit geschlossenen Läden mit Gütern des nicht täglichen Bedarfs dürfen am 1. März endlich wieder öffnen. Auch Treffen im Familien- und Freundeskreis sowie sportliche und kulturelle Aktivitäten mit bis zu 15 Personen sind nun wieder erlaubt. In der «Volksstimme» ist von einer «Wiedergeburt» die Rede und unser Reporter, den wir am Tag der Ladenöffnung einen Augenschein nehmen lassen, berichtete von «rappelvollen Parkplätzen» vor den Läden.
Weniger rosig sieht es zu diesem Zeitpunkt nach wie vor für die geplagten Restaurants aus. Immerhin wird erlaubt, dass sich die Beizen quasi als Betriebskantine betätigen und angemeldete Arbeiter über Mittag verköstigen dürfen. Es wird nicht das grosse Geschäft. Ab Mitte April dann immerhin ein Lichtblick: Die Gartenrestaurants dürfen öffnen. Allerdings kommt kaum jemand. Es ist viel zu kalt. Siehe oben.
Im Baselbiet startet zu dieser Zeit das «Breite Testen». Belegschaften von Firmen und Schülerinnen und Schüler können seither regelmässig freiwillig an Covid-19-Massentests teilnehmen. Angestrebt wird, im Baselbiet wöchentlich 50 000 asymptomatische Menschen zu testen. Und testen kann man sich ab dem 1. April auch daheim: Alle können pro Monat fünf Selbsttests beziehen – gratis. Am ersten Tag bilden sich Schlangen vor den Apotheken.
Sodann kündigt der Chef im Baselbieter Krisenstab an, dass nun bald Impfstoff in grossen Mengen verfügbar ist und alle den Arm hinhalten können. Das Gerangel um einen der vorderen Plätze in der virtuellen Warteschlange ist längst in vollem Gange, es ist die Rede von «Impfdränglern». Dass man später schon fast händeringend um Willige für die Erstimpfung werben muss, hat damals noch niemand gedacht.
Kurz nach Ostern, Anfang April, heisst es dann: «Aadie Waldenburgerli». Die schmalste Schmalspurbahn der Schweiz mit ihrer 75-Zentimeter-Spur ist Geschichte. Ab jetzt wird das «Waldenburgerli» neu gebaut und bekommt Schienen, auf denen später ein BLT-Tram fahren kann. Wir von der «Volksstimme» sind bei der letzten Fahrt der alten WB selbstverständlich mit an Bord. Und natürlich vergiessen auch wir das eine oder andere Tränlein. Falls die Sehnsucht nach dem ehrwürdigen «Cremeschnitten-Express» einmal zu gross wird: Das alte WB-Rollmaterial soll in der Slowakei ein neues Bahnleben erhalten.
Begegnungszone – wie weiter?
Bleiben wir noch einen Moment beim Verkehr: In Sissach spricht der neu zuständige Gemeinderat Stephan Marti erstmals öffentlich über seine Pläne für die Begegnungszone, mit der viele nicht glücklich sind: Es hat zu viel motorisierten Verkehr dort. Zwar will Marti punktuell Veränderungen vornehmen (Parkleitsystem, neue Markierungen), doch seine Zukunftsvision weicht kaum vom Status quo ab. Das treibt nicht nur Mitglieder der Stechpalme auf die Palme. Viele Sissacherinnen und Sissacher sähen es lieber, wenn den Autos der eine oder andere Stein mehr in den Weg gelegt würde. Etwas gepiesackt muss sich der Sissacher Gemeinderat fühlen, weil gleich nebenan die Stadt Liestal mit dem nationalen Preis «Flâneur d’Or» für seine vorbildliche Fussgängerzone im «Stedtli» ausgezeichnet wird.
Einen erfreulichen Anlass gibt es in Gelterkinden: Dort weiht der Tennisklub seine neue Anlage in der «Wolfstiege» ein. Wir sind voller Hoffnung, dass der nächste grosse Champion aus dem Oberbaselbiet kommt. Dass Roger Federer ein Unterbaselbieter ist, haben wir nun schon lange genug gehört.
Und zum Schluss noch dies: Im Kanton Baselland werden zwölf Sitzbänke an häufig besuchten Orten aufgestellt. Damit soll an das Leiden der Verdingkinder erinnert werden. Der ehemalige Nusshöfer Gemeindepräsident Paul Richener, der eine Verdingkindvergangenheit hat, ist bei der Einweihung der ersten Bank dabei und hört sich die offizielle Entschuldigung von Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer an, die Richener «dankend annimmt» und sagt: «Ich sehe vom Kanton eine Anerkennung, wenn auch eine späte.»
Die Chronistenpflicht gebietet es abschliessend, das Ende einer Bieridee zu vermelden: Die Sissacher Brauerei Farnsburg AG wird definitiv in den Konkurs geschickt. Alle Rettungsversuche waren umsonst. Nicht in Konkurs geht hingegen der Kanton Baselland, wenngleich auch seine Zahlen schlecht sind. Der Abschluss der Rechnung 2020 zeigt ein tiefrotes Defizit von 52 Millionen Franken. Eigentlich hatte man einen Überschuss von 40 Millionen angestrebt. Doch dieses Budget war einst gemacht worden, als Corona noch nichts anderes als ein Bier war.