AUSGEFRAGT | NICOLAS EICHENBERGER, VEGANER UND TIERRECHTSAKTIVIST, LAUSEN
17.12.2021 Baselbiet, Bezirk Liestal, GesellschaftRaja Breig
Herr Eichenberger, wie lange leben Sie schon vegan und was war der Auslöser für Ihre Entscheidung?
Nicolas Eichenberger: Seit gut sieben Jahren. Als Jugendlicher konnte ich mit Veganismus nichts anfangen. Ich erinnere mich, wie ...
Raja Breig
Herr Eichenberger, wie lange leben Sie schon vegan und was war der Auslöser für Ihre Entscheidung?
Nicolas Eichenberger: Seit gut sieben Jahren. Als Jugendlicher konnte ich mit Veganismus nichts anfangen. Ich erinnere mich, wie unverständlich es für mich war, als meine Schwester auf einmal verkündete, sie würde von nun an auf Fleisch verzichten. Fleisch zu essen war für mich einfach normal und fühlte sich demnach richtig an. Eines Besseren belehrt wurde ich erst viel später. Als ich mit ein paar Kollegen in London war und bei «Kentucky Fried Chicken» die Berge von frittiertem Poulet sah, wurde mir auf einmal bewusst, wie gross ein einziges Huhn im Vergleich zu diesem Berg ist. Ich begann, mich regelrecht zu ekeln.
Aus welchen Gründen haben Sie sich schliesslich dazu entschieden, Veganer zu werden?
Nach der London-Reise begann ich, mich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Daraufhin lebte ich ein Jahr lang vegetarisch, habe dann nach gründlichem Recherchieren allerdings festgestellt, dass der Konsum von Eiern und Milch ethisch ebenfalls nicht vertretbar ist. Primär geht es mir beim Veganismus also um Ethik. Hinzu kommt, dass die vegane Ernährung die Umwelt enorm schont. Schliesslich ernährt man sich gezwungenermassen gesünder, auch wenn es mittlerweile sehr viel veganes Fast Food gibt. In jedem Fall verstärkt der Veganismus das Verständnis dafür, was man da eigentlich isst. Bevor ich Veganer wurde, habe ich im Laden nie auch nur eine einzige Verpackung umgedreht und durchgelesen, was in den Produkten, die ich ass, überhaupt enthalten war.
Was isst man als Veganer an Weihnachten?
Bei uns gibt es dieses Jahr vegane Lasagne.
Was machen Familien, bei denen die einen Fondue Chinoise, die anderen aber vegan essen wollen?
Ich kenne viele Familien, bei denen es zwei verschiedene Menüs gibt – eines mit Fleisch und ein vegetarisches oder veganes. Da meine Eltern beide Fleisch essen, haben wir das in vergangenen Jahren teilweise auch schon so gemacht. Für mich ist Weihnachten aber in erster Linie ein Familienfest – das Essen steht nicht im Fokus.
Welcher ist der schwierigste Part am Vegansein?
Das Schwierigste ist definitiv, dass man kaum mit jemandem essen gehen kann, ohne sein ganzes Wertesystem erklären zu müssen. Absichtlich provokante Fragen wie «Was würdest du tun, wenn du auf einer einsamen Insel gestrandet wärst?» können ebenfalls ganz schön nerven. Es kann gut sein, dass ich alles Mögliche essen würde, um zu überleben. Zufällig bin ich aber auf keiner Insel gestrandet – ich lebe in einem der reichsten Länder der Welt und kann mit meiner Menüwahl Tiere schützen. Oft erlebe ich solche Fragen als Ablenkungstaktik, als Versuch, ein Szenario zu finden, in dem Tiere essen alternativlos ist. Dass man erst auf eine einsame Insel gehen muss, um diese Rechtfertigung zu finden, sagt meiner Meinung nach viel. Überhaupt nicht schwierig ist übrigens das Einkaufen. Man kennt sich relativ schnell aus, weiss, welche Produkte vegan sind und welche nicht.
Wie hat sich dies in den letzten sieben Jahren verändert?
Der Unterschied zu früher ist gigantisch. Vor sieben Jahren beschränkte sich mein Einkauf im Coop Lausen hauptsächlich auf die Gemüseabteilung. Inzwischen ist das Sortiment an veganen Produkten regelrecht explodiert. Jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe, ist das Angebot ein bisschen grösser. Früher musste ich ausserdem jeder zweiten Person den Unterschied zwischen vegetarisch und vegan erklären, heute wissen darüber fast alle Bescheid. Dennoch ist es wichtig, dass sich die Leute darüber im Klaren sind, dass der Veganismus über eine Diät hinausgeht. Ich verzichte zum Beispiel auch auf Kleidung aus Leder oder Wolle.
Seit rund fünf Jahren engagieren Sie sich bei der Organisation Basel Vegan. Worin bestehen Ihre Aufgaben?
«Basel Vegan» hat zum Ziel, die vegane Community zu vernetzen und über Veganismus zu informieren. Dafür organisieren wir verschiedene Anlässe wie Dinner, Tastings, Filmabende und Flyeraktionen. Zudem sind wir jeweils an der «Basel Vegan Messe» mit einem Informationsstand präsent.
Bei welchen Organisationen sind Sie sonst noch tätig?
Neben «Basel Vegan» bin ich im Vorstand der Organisation Animal Rights Switzerland, die sich für eine gerechtere Tierschutzpolitik einsetzt. Zudem engagiere ich mich bei «Sentience Politics», einer NGO mit politischem Fokus, die beispielsweise die Massentierhaltungsinitiative erarbeitet und lanciert hat. Am 13. Februar wird im Kanton Basel-Stadt ausserdem über die ebenfalls von «Sentience Politics» stammende Initiative «Grundrechte für Primaten» abgestimmt.
Die Initiative fordert Grundrechte für Affen in der Verfassung. Wie soll sie umgesetzt werden?
Die Initiative bezieht sich auf die relevanten Grundrechte wie das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit. Dass beispielsweise das Recht auf Bildung und die Religionsfreiheit nicht inbegriffen sind, versteht sich von selbst. Die Initiative würde nur den Kanton direkt tangieren, private Institutionen wie den Zoo bloss indirekt. Dies liegt daran, dass Letztere dem nationalen Tierschutzgesetz unterliegen und die Kantone somit keine strengeren Regeln erlassen können. Ausserdem gewährleistet der Zoo das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit seiner Primaten grösstenteils. Einem absoluten Verbot von Tierversuchen käme die Initiative ebenfalls nicht gleich: Versuche, die lediglich das Beobachten und Interagieren mit den Primaten beinhalten, verletzten die Grundrechte nicht, da die Teilnahme freiwillig ist.
Zur Person
rab. Nicolas Eichenberger ist 31 Jahre alt und gelernter Multimediaelektroniker. Momentan arbeitet er als Audio-Video-Techniker und Audio-Operateur im Bundeshaus. Aufgewachsen ist er in Lausen, wohnt mittlerweile jedoch in Basel. Eichenberger engagiert sich tatkräftig für eine bessere Tierschutzpolitik und war von 2017 bis 2019 Präsident der Juso Basel-Stadt.