Wenn Anzugträger Hanteln stemmen
18.11.2021 Kultur, SissachRaja Breig
An Nachwuchs scheint es der Filmbranche nicht zu mangeln: Zahlreiche Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Liestal hatten dieses Jahr als Maturarbeitsthema ein Filmprojekt gewählt. Was dabei herauskam, präsentierten einige der jungen Filmschaffenden am ...
Raja Breig
An Nachwuchs scheint es der Filmbranche nicht zu mangeln: Zahlreiche Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Liestal hatten dieses Jahr als Maturarbeitsthema ein Filmprojekt gewählt. Was dabei herauskam, präsentierten einige der jungen Filmschaffenden am vergangenen Sonntag im Kino Palace in Sissach.
Für die Arbeiten hatten die Maturandinnen und Maturanden mehrere Monate Zeit gehabt, Ende Oktober war Abgabetermin. «Mir war es wichtig, dass das Projekt einmal in grösserem Rahmen gezeigt wird», so Nora Luz, preisgekrönte Nachwuchsfilmemacherin und Organisatorin des Anlasses. Dutzende von Zuschauenden bloss für einen einzigen Kurzfilm ins Kino zu bestellen, war für sie jedoch nie infrage gekommen. So kam sie schliesslich auf die Idee, sich mit den anderen Filmschaffenden des Gymnasiums Liestal zusammenzutun und einen ganzen Kurzfilm-Nachmittag zu veranstalten.
Krieg und Krise
Nachdem sich alle Zuschauenden – unter ihnen Angehörige der Filmemacherinnen und Filmemacher sowie einige Lehrpersonen des Gymnasiums – im Kinosaal eingefunden hatten, konnte es losgehen: Insgesamt acht Filmprojekte wurden präsentiert, bei vielen von ihnen entsprach die Premiere auch der Derniere. «Die meisten der Filme werden danach praktisch nirgends mehr zu sehen sein», so Nora Luz, was wohl einer der Gründe dafür war, warum so viele Menschen den Weg ins «Palace» gefunden hatten.
Zahlreiche Gymnasiastinnen und Gymnasiasten griffen heikle gesellschaftliche Themen auf: Paulo Campinho Gomes aus Eptingen erzählte etwa vom Zwangs-Outing einer lesbischen Frau, Kevin Kaufmann aus Tecknau produzierte einen im Jahr 1940 spielenden Kurz-Kriegsfilm. Rachel Spinnler aus Gelterkinden und Nora Luz aus Sissach gingen in ihrem Streifen «Was war, das wird» auf das Thema sexuelle Gewalt ein. Als Grund für die Wahl dieses gewagten Themas nannten Spinnler und Luz die Tatsache, dass das Problem so selten aufgegriffen würde. «Es war eine grosse Herausforderung, das Thema angemessen darzustellen», kommentierten Luz und Spinnler ihre Arbeit.
Absurdität und Ausgleich
Der Aufwand, den die Schülerinnen und Schüler für ihre Maturarbeit teilweise betrieben, ist enorm: Léonce Aklin aus Bubendorf hat auf der Suche nach der perfekten Location ein leer stehendes Grossraumbüro eigenhändig mit Möbeln aus der Brockenstube eingerichtet. «Viele Bildschirme waren während des Drehs noch gar nicht zu sehen. Ich habe mit Green Screen gearbeitet», erzählt Aklin, dessen Film die Geschichte eines von ihm selbst verkörperten Lehrlings erzählt, der das Auto seines Chefs verkauft. Die Musik dazu habe er selber komponiert.
Während manche Kurzfilme mehr als 20 Minuten dauerten, gab es auch etwas kürzer gehaltene Streifen: Filipa Ries aus Liestal vermischte in ihrem anderthalbminütigen Video verschiedene Alltagssituationen. So waren etwa hantelstemmende Anzugsträger und Menschen, die rückwärts Treppen hinaufstiegen, zu sehen. Damit habe sie Absurdität erschaffen wollen, wie sie im Anschluss kommentierte. Luca Billerbeck aus Frenkendorf präsentierte einen Porsche-Werbespot, Anna Brawand aus Liestal einen Zusammenschnitt aus in diversen Skigebieten aufgenommenen Videoclips. Damit wolle sie ihre Faszination für Schnee und Berge vermitteln.
Der Kurzfilm «Ausgleich» von Anouk Lenzin aus Liestal (Gymnasium Muttenz) widerspiegelt die Situation von Jugendlichen während des Coronvirus-Lockdowns. An Kreativität und Begabung für das Filmhandwerk mangelt es den Gymnasiasten und Gymnasiastinnen definitiv nicht, und auch vor der Kamera ist so manches Talent offensichtlich. Viele der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler brillierten bei mehreren Filmprojekten in unterschiedlichen Rollen.