Standort für Schlachthof gesucht
26.11.2021 Baselbiet
Christian Horisberger
Mit einer Anschubfinanzierung wollen Bund und Kantone landwirtschaftliche Projekte zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung fördern. Rund 11 Millionen Franken haben die Parlamente der beiden Basel im Frühling 2020 für das bikantonale ...
Christian Horisberger
Mit einer Anschubfinanzierung wollen Bund und Kantone landwirtschaftliche Projekte zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung fördern. Rund 11 Millionen Franken haben die Parlamente der beiden Basel im Frühling 2020 für das bikantonale Programm Genuss aus Stadt und Land bewilligt. 23 Teilprojekte zur regionalen Entwicklung (PRE) sollten gemäss Landratsvorlage mit den Geldern unterstützt werden.
Nach der Detailplanung und grünem Licht vom Bund erfolgt Anfang kommenden Jahres der Startschuss für die Umsetzung der Vorhaben. Kürzlich wurden sie im kantonalen Amtsblatt publiziert. Allerdings sind von 23 vorgeprüften Projekten nur 12 aufgelistet. Unter anderem fehlt im Amtsblatt eines der Vorzeigeprojekte, über das in der vorberatenden Kommission und im Landrat heftig gerungen wurde: ein regionaler Schlachthof (die «Volksstimme» berichtete). Mit Gesamtkosten von rund 4 Millionen Franken und Bundes- und Kantonsbeiträgen von insgesamt rund 1,5 Millionen handelt es sich um das gewichtigste Teilprojekt.
Das Vorhaben sei nicht gestorben, sondern befinde sich weiterhin in Planung, erklärt der Nusshöfer Metzger und Initiant Peter Andrist. Der Eigentümer des Grundstücks in Lausen, auf dem das Schlachthaus hätte errichtet werden sollen, habe sich überraschend zurückgezogen; er mache für das Bauland Eigengebrauch geltend. Nun sind Andrist und sein Partner und Berufskollege Christoph Jenzer aus Arlesheim wieder auf der Suche nach Bauland.
Lukas Kilcher, Leiter des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, der das PRE-Programm 2017 angestossen hatte, spricht von einer «anspruchsvollen» Aufgabe: Gefragt sei eine preisgünstige Gewerbe-Parzelle im mittleren Baselbiet – idealerweise in der Nähe einer Hauptverkehrsader und in grösserer Distanz zum Siedlungsgebiet gelegen. Ein Betrieb, in dem Tiere getötet werden, sei «sensibel», sagt Kilcher, so etwas habe nicht jeder gerne in seiner Nachbarschaft. Umso mehr hofft er, dass das «wertvolle» Schlachthof-Projekt realisiert werden kann. Denn die Alternative ist unbefriedigend: Die meisten Rinder aus dem Baselbiet werden heute in einem Grossbetrieb in Oensingen geschlachtet. Ein Schlachthof im Kanton Baselland würde zum Wohl der Tiere die Transporte verkürzen und die volle Wertschöpfung in der Region behalten.
Persönliche und betriebliche Gründe
Ebenfalls noch in Planung ist der Ausbau der Basler Bäckerei Kult, die gänzlich auf Halbfabrikate verzichtet und möglichst mit Zutaten aus der Region arbeitet. Hier hätten die Vorabklärungen ergeben, dass der ursprüngliche Standort ungeeignet ist, sagt Johanna Gysin, die beim Ebenrain das Dossier PRE betreut. Das Projekt werde gegenwärtig weiter konkretisiert.
Sechs Projekte seien von deren Entwicklern aus persönliche Gründen
– familiären oder gesundheitlichen – zurückgezogen worden, führt Gysin weiter aus. Eines davon hatte Ebenrain-Leiter Kilcher besonders am Herzen gelegen: der Ausbau einer Käserei in der Basler Markthalle. Einerseits stelle der Käser «göttlich guten Käse» her, andererseits sei eine Käserei das Paradebeispiel für die Ziele des Programms: Anstatt Milch zu einem Minimalpreis in eine zentrale Verarbeitungsstätte zu transportieren, könnte der Käser den Bauern einen besseren Preis für ihre Milch zahlen, sie verarbeiten und regional vermarkten.
Weitere Projekte wurden aus betrieblichen Gründen fallen gelassen: So beispielsweise der «Bäuerinnen-Apéro». Während der Detailplanung stellte sich laut Kilcher heraus, dass die hauptsächlich geplanten Massnahmen nicht subventionsberechtigt sind. Die Eigenkelterei des Sissacher Weinbaubetriebs Imhof verzichte auf die Teilnahme am PRE, weil sich der Zeithorizont der Weinbauern nicht mit jenem des ersten Baselbieter PRE-Projekts decke. Rückzüge während der Detailplanung seien nicht unüblich, weiss Kilcher von Kollegen in anderen Kantonen. Dafür sei die vertiefte Analyse unter anderem auch da: «Wer jetzt an den Start kommt, ist gut vorbereitet.»
Verzicht auf Staatsbeiträge
Einigen Interessenten für das Programm mahlten die politischen Mühlen zu langsam und sie setzten ihre Vorhaben ohne Geld der öffentlichen Hand um, darunter ein Backwaren-Outlet, eine Milchverarbeitung und ein Bier-Projekt. Auch das Zentrum «Dietisberg – wohnen und werken», verzichtete bei der Anschaffung einer Milchabfüllanlage letztlich auf Geld vom Staat: Laut Gysin haben die Verantwortlichen während der Planungsphase überraschend eine Occasions-Anlage erwerben können. Da der Kauf vor dem offiziellen Start des Baselbieter PRE-Programms über die Bühne ging, musste der «Dietisberg» auf die Beiträge verzichten.
Nun könnte man denken, dass man sich im Ebenrain darüber freut, dass mehrere Projekte ohne Fördergelder durchgezogen werden und damit mehr Mittel für weitere Vorhaben zur Verfügung stehen. Lukas Kilcher widerspricht: Ohne die Gelder von Bund und Kanton würden die Projekte in einem kleineren Umfang realisiert und hätten damit einen geringeren Effekt in Bezug auf die regionale Wertschöpfung.
Durch das Ausscheiden von neun Projekten aus dem Programm sind Fördergelder von Bund und Kanton im Umfang von 2,224 Millionen Franken frei geworden (die Beiträge für das Schlachthaus und die Bäckerei Kult bleiben reserviert). Deshalb lädt die Projektleitung landwirtschaftliche und landwirtschaftsnahe Betriebe ein, weitere Projekte einzureichen.
Zweifel am Nutzen
Dem Maispracher Landwirt und SVP-Landrat Markus Graf ist die Neuausschreibung sauer aufgestossen. Er hatte bereits 2020 gegen das Förderprogramm gekämpft und der Wegfall zahlreicher Projekte bestärkt ihn in seiner Überzeugung: «Landwirtschaftliche Betriebe, die auf Direktvermarktung setzen, tun dies schon lange und sind bestens im Markt integriert», schrieb Graf unlängst in einer «Carte blanche». Das Programm sei träge, dessen Nutzen gemessen am Aufwand gering. Speziell kritisierte Graf den Betrag von 4,3 Millionen Franken, der in die Führung einer Geschäftsstelle und die Entwicklung eines Regio-Labels gesteckt werden soll: «Noch ein Label mehr, verbunden mit ausufernder Bürokratie.» Schon heute habe der Konsument den Durchblick verloren.
Von Anfang Dezember bis Ende März 2022 können nun weitere PRE-Teilprojekte eingereicht werden. Lukas Kilcher ist guter Dinge, dass die zur Verfügung stehenden PRE-Gelder vielfältig und nutzbringend verwendet werden können. Seit der Publikation der Ausschreibung hätten sich bereits zehn potenzielle Interessenten bei ihm gemeldet.
Das Baselbieter PRE-Programm startet Anfang 2022 und wird bis Anfang 2027 abgeschlossen sein. In diesem Zeitraum wird die Geschäftsstelle des Vereins Genuss aus Stadt und Land sowohl die Projekte betreuen als auch die Marke Aus Stadt und Land entwickeln.
Zwölf Projekte am Start, zwei in Planung
vs. Die geförderten PRE-Teilprojekte:
Geschäftsstelle und Marketing (Ebenrain), Lebensmittelnetzwerk Basel, Frisches und Lokales in der Markthalle und auf dem Marktplatz Basel, Gemüseabo Birsmattehof, Therwil, Milchmaa und Erlebniskäserei Allschwil, Fruchtmanufaktur Posamenter, Wenslingen, Juramalz, Wursterei und Metzgereiladen Markthalle Basel, Hofkäserei Nebiker, Eptingen, Honigweg, Rünenberg, Agrotourismus Fluhberg, Sissach, Amriza Naturkosmetik, Reigoldswil. In Vorbereitung: Regio-Schlachthaus, Bäckerei Kult.