Sebastian Wirz

Die Geschichte, wie Mark Rickenbacher zu seiner Brauerei in Oltingen kam, ist eine klassische: Ein Mann, der gerne Bier trinkt, beginnt, sich selber im Brauen zu versuchen. In der Küche wird eingemaischt, geläutert und gekocht, im Keller vergoren, im Badezimmer geputzt. Wenn ein Sud unterwegs ist, riecht es im Haus. Kommt Besuch vorbei, versammeln sich die Männer inklusive Gastgeber stets um die Töpfe und Fässer. Die Gastgeberin muss derweil dem weiblichen Besuch erklären, wie sie in so einer stinkenden Hütte leben könne. Irgendwann sind entweder die Konflikte nicht mehr kleinzuhalten oder es bietet sich eine gute Gelegenheit, die Brauerei irgendwo ausserhalb des Familienheims einzurichten.

In etwa so wurde das Oltinger «Geissheiri Bräu» geboren, benannt nach einer örtlichen Sagengestalt, die im «grosse Huus» gewohnt haben soll, in dem Rickenbacher aufwuchs, und die auf der Geissflue verstorben sein soll – oder, wie bei Sagen üblich, heute vielleicht doch noch lebt. Die Entstehungsgeschichte ist dann aber auch alles, was an Rickenbachers Brauerei als klassisch bezeichnet werden kann. Denn sie ist von der ausgeklügelten Anlage über das ausgezeichnete Bier, den ausgeprägten Status als «echte» Vereinsbrauerei bis zum ausgebauten Zapf-Kühlschrank von A bis Z alles andere als 08/15.

Zwei Techniker an den Töpfen
Will eine Brauerei mehr als 400 Liter Bier im Jahr produzieren, kann sie sich als Verein eintragen lassen. Somit erhöht sich die alkoholsteuerfreie Menge auf 800 Liter und das Gebräu darf unentgeltlich an die Mitglieder abgegeben werden. Aus diesem Grund gibt es in der Schweiz viele Brauereien, die das Wort «Verein» nur aus rechtlichen Gründen im Namen tragen. Doch «Geissheiri Bräu» ist anders: Rickenbacher betreibt eine «echte» Vereinsbrauerei, die den Turnverein Oltingen mit Bier versorgt.

Als der TV 2017 die Räumlichkeiten der ehemaligen Oltinger «Cheesi» übernahm, bot sich Mark Rickenbacher die Möglichkeit, mit seinem je nach Betrachter und Betrachterin «duftenden» oder «riechenden» Handwerk aus dem eigenen Haus auszuziehen. «Ich habe gesagt: ‹Wenn ihr das ernst meint mit der Vereinsbrauerei: Ich brauche vier Quadratmeter›», sagt Eik, wie er im Dorf genannt wird.

Diese vier Quadratmeter werden nicht etwa von einer fixfertigen Standard-Anlage belegt: Der Automationsingenieur kaufte Töpfe und Schläuche. Konzept, Zusammenbau und Programmierung der Steuerung erfolgten in Eigenregie. So wird die Temperatur im Gärfass, das den Output pro Brauvorgang auf maximal 120 Liter begrenzt, etwa mit einem Aquariumkühler kontrolliert – Fachmann Eik weiss sich zu helfen; eine Kombianlage, wie sie mittlerweile zu erschwinglichen Preisen zu haben wäre, käme dem 47-Jährigen nie ins Haus. Lieber gab er der Anlage einen letzten individuellen Feinschliff, indem er das Steuerelement inklusive Touchscreen in ein schönes Stück Holz montierte.

Aus dem Kühlschrank fliesst Bier
Es ist eine Brau-Anlage für technische Fachmänner. Die Tatsache, dass mit Matthias Haberthür der zweite «Geissheiri»-Brauer Automatiker ist, der damit auch weiss, wie eine Steuerung programmiert wird, ist wohl darin begründet. Haberthür, ebenfalls ein leidenschaftlicher Biertrinker, kam dem Brauer zu Hilfe, als dieser zeitweilig an die Kapazitätsgrenzen stiess. «Matthias hat eine steile Karriere vom Gehilfen über den Lehrling bis zum Hobby-Braumeister in Rekordzeit absolviert», lobt Rickenbacher seinen Kollegen.

Rickenbacher und Haberthür mögen eine ausgefallene Anlage haben, ihre Produkte sind es nicht: Die beiden verzetteln sich nicht in komplizierten und anspruchsvollen Bieren, sondern liefern in zwei Varianten das, was getrunken und geliebt wird. Das helle, leichte und erfrischende Kölsch mit seiner wunderbaren, fast schon cremigen Konsistenz gefalle «vor allem den Jungen», wie Rickenbacher sagt. Bei den Turnern mit mehr Lebenserfahrung schneide das dunklere und etwas stärkere obergärige Bier besser ab.

Die Brauer geben das Bier zum Selbstkostenpreis an den Turnverein ab, der als Mieter bei der Milchgenossenschaft eingetragen ist, in deren Besitz sich die «Cheesi»befindet. Wer trinkt, darf einen Unkostenbeitrag in eine alte Milchkanne werfen oder modern via Twint etwas beisteuern. «Wichtig ist, dass die Brauerei selbsttragend ist», sagt Rickenbacher. Die Brauer beziehen dabei keinen Lohn, der Eigenverbrauch ist dafür gedeckt. Der Turnverein finanziert so die Miete von 380 Franken für das Lokal.

In den an sich «langweiligen» Raum haben die Oltinger neben der Brau-Anlage eine urchige Bar aus Holz gebaut – inklusive Dach. Um den Tisch mit Eckbank versammeln sie sich nach den Turnstunden und «verarbeiten» die vergangene Trainingseinheit sowie das Weltgeschehen. Das Bier kommt dabei aus einem mit Holz verkleideten Kühlschrank, der zugleich als Zapfanlage inklusive «Dachchäänel» als Ablauf fungiert – selbstverständlich ist auch diese «Anlage» nicht irgendwo gekauft, sondern selbst gebaut.

Oberbaselbieter Bier – eine Serie

wis. Mehr als 1200 Einträge sind bei der Eidgenössischen Zollverwaltung im «Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien» vermerkt. 400 Liter Bier dürfen pro Kalenderjahr zum unentgeltlichen Eigenkonsum gebraut werden, Vereine dürfen 800 Liter steuerfrei brauen. Wer mehr produziert, muss in diesem Verzeichnis eingetragen sein.
Auch nach dem Konkurs der Brauerei Farnsburg gibt es im Oberbaselbiet zahlreiche Brauereien, die Bier in grösseren Mengen produzieren und es verkaufen. Die «Volksstimme» stellt in loser Folge Oberbaselbieter Biere und ihre Macher vor. Bisher erschienen: Kraftstoff (Sissach), Engibeer Brauerei Leue (Waldenburg), Hopster und Malzer (Rickenbach), Hopferei (Sissach).

Bier-Facts

Name: Geissheiri Bräu, Oltingen

Gründung: 2017

Output pro Brauvorgang: bis 120 Liter

Output pro Jahr: 850 bis 1000 Liter

Sorten: ein helles, leichtes Kölsch und ein etwas schwereres, dunkles, obergäriges Bier.

Verkauf: Das Bier von «Geissheiri Bräu» wird im Vereinslokal des Turnvereins für Mitglieder ausgeschenkt, die auch für private Anlässe Bier bestellen können. Zudem zapfen die Brauer jedes Jahr am «Oltiger Määrt» für die Öffentlichkeit.

Selbst gebaut, selbst gebraut

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