Mit viel Ruhe zum grössten Erfolg der Karriere
26.11.2021 Baselbiet, Thürnen, Sport, Bezirk SissachDaniel Hofstetter
Im Juli bot sich Roger Itin die Chance, seine seit über 30 Jahren andauernde sportliche Karriere zu vergolden. Am Eidgenössischen Schützenfest (ESF) in Luzern hat er als Achter der Qualifikation den Sprung in den Final geschafft. «Im ersten Moment habe ...
Daniel Hofstetter
Im Juli bot sich Roger Itin die Chance, seine seit über 30 Jahren andauernde sportliche Karriere zu vergolden. Am Eidgenössischen Schützenfest (ESF) in Luzern hat er als Achter der Qualifikation den Sprung in den Final geschafft. «Im ersten Moment habe ich gedacht, dass es nicht reichen würde. Mein Resultat war nicht wahnsinnig gut und es haben doch viele gute Schützinnen und Schützen teilgenommen», erzählt Itin. Das Gefühl trog ihn. Der Thürner stand im Final. Dort entwickelte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Rafael Bereuter. Der Aargauer war der wohl meistgenannte Favorit. Gleichzeitig wollte Bereuter Historisches schaffen: Als erster Schütze überhaupt sollte ihm die Titelverteidigung gelingen.
Vor den letzten zwei Schüssen lagen die beiden Kontrahenten praktisch gleichauf. Bereuter hatte mit drei Punkten Vorsprung knapp die Nase vorn. Doch Itin drehte das Blatt. Er schoss in der abschliessenden Eliminationsrunde zehn Punkte mehr, was ihn zum Schützenkönig in der Kategorie Gewehr 300 Meter Feld A machte.
Zu sagen, es wäre eine Sensation, wäre übertrieben. Dafür hat Itin seine Klasse schon zu oft unter Beweis gestellt. Eine Überraschung ist es hingegen schon. Dessen ist sich der 52-Jährige durchaus bewusst. «Es kam ein wenig unerwartet», so Itin und ergänzt: «Ich habe mich nicht speziell vorbereitet. Es war auch kein spezifisches Ziel, diesen Titel unbedingt einmal zu gewinnen.» Es ist nun aber zweifelsfrei der wichtigste Eintrag in seinem Palmarès.
Ruhe als grosse Stärke
Der Schiesssport hat Itin bereits als Kind begeistert. Geerbt hat er die Faszination von seinem Grossvater, der den Sport bis ins hohe Alter aktiv betrieb. Begonnen hat alles «klassisch», wie Itin es ausdrückt, als Teenager mit einem Jungschützenkurs. Weitere Erfahrungen sammelte er mit der Kleinkaliberwaffe sowie dem Luftgewehr. Mit Anfang 20 trat er schliesslich der Schützengesellschaft Thürnen bei. Zu Beginn «nicht so ambitioniert. Dann hat sich das immer weiter gesteigert.» Lange schoss er mit der Ordonnanzwaffe. Insbesondere deshalb, weil im Verein niemand sonst mit der Sportwaffe schoss. 1996 wurde das Sportgewehr als Kategorie freigegeben, woraufhin auch er den Wechsel vollzog. Dabei kamen ihm die Erfahrungen mit der Kleinkaliberwaffe zugute, da diese «ähnlich» sei, wie Itin erklärt. Im Verein blieb er allerdings der einzige Schütze, der mit dem Sportgewehr schoss. Deshalb entschied er sich dann, der Schützengesellschaft Sissach beizutreten, in der das Sportgewehr verbreiteter war.
Im Schnitt trainiert der Betriebsmechaniker zwei bis drei Mal pro Woche jeweils eine Stunde. Die Trainings finden dabei nicht ausschliesslich im Schiessstand statt. Auch zu Hause lassen sich Übungen wie beispielsweise für die Stellungen gut praktizieren. Daneben betreibt Itin noch Konditions- sowie Krafttraining.
Erfolge feierte er zahlreiche. Zuerst bei Schützenfesten in der Region. Dann auf kantonaler Ebene bis hin zu nationalen Festen. Dabei durfte er sich oft auf seine mentale Stärke verlassen. Die Ruhe sei wohl sein grösster Trumpf. Die Fähigkeit, sich in den entscheidenden Momenten richtig konzentrieren zu können, hat womöglich sogar den Unterschied am Eidgenössischen Schützenfest ausgemacht. Insbesondere weil es so ein spezieller Anlass gewesen sei, habe er die steigende Nervosität gut gespürt. Daneben haben die zahlreichen Personen im Schiessstand, der Speaker, die Musik sowie die Zuschauer für zusätzliche Ablenkung gesorgt. Es sei schon nicht alltäglich gewesen. Doch er behielt die Nerven.
Nervenstärke bewies er auch an mehreren Schweizermeisterschaften. Im Jahr 2010 wurde er Dritter. Dasselbe Resultat erreichte Itin 2015. Dazwischen wurde er 2013 sogar Vize-Schweizer-Meister. Nur ganz zuoberst aufs Treppchen hat es ihm noch nie gereicht.
Vor zwei Jahren wollte es Itin wissen und hatte sich den Titel des Schweizer Meisters gross auf die Fahne geschrieben. «Ich habe viel trainiert», so Itin. Doch sein Plan missriet. «Es hat sich dann in eine Richtung entwickelt, die nicht gut funktioniert hat.» Er habe sich selbst derart unter Druck gesetzt, dass er die Lockerheit verlor. Eine Erkenntnis hat Itin aus dieser schwierigen Phase aber gewonnen: «Es ist nicht einfach, auf den Punkt genau bereit zu sein. Im Gegenteil, es ist sehr schwierig.» Den Titel verpasste er. Er profitierte aber von der intensiven Trainingsphase. «Ich habe gemerkt, dass es einfach ein bisschen länger braucht. Mein Niveau ist dadurch schon gestiegen.»
Viel Anerkennung
Es gipfelte im Gewinn des Eidgenössischen Schützenfestes 2021. Ein Titel, der nur alle fünf Jahre vergeben wird und deshalb durchaus mit einem Sieg an einem Schwingund Älplerfest oder an den Olympischen Spielen vergleichbar ist. Es ist schlichtweg ein Titel, der für Aufsehen sorgt.
Nach dem Titelgewinn haben ihn zahlreiche Glückwünsche erreicht. Zum einen natürlich von Personen aus seinem direkten Umfeld. Er hat aber auch Zuschriften von Leuten erhalten, von denen er es gar nicht gedacht hätte. Daneben hat die Schützengesellschaft Sissach einen Empfang für ihn organisiert, was ihn sehr gefreut hat.
Die Behörden wurden ebenfalls auf ihn aufmerksam, ist Itin doch seit 1958 und dem Sieg von Erwin Vogt erst der zweite Eidgenössische Schützenkönig aus dem Baselbiet. Der Thürner wird am 1. Dezember verdientermassen mit dem Baselbieter Anerkennungspreis ausgezeichnet. Eine Ehre, die Itin sehr berührt. Der Sieg am ESF, die Glückwünsche und die ihm entgegengebrachte Anerkennung motivieren ihn zusätzlich, auch in Zukunft Bestleistungen zu erbringen.
Die Motivation ist ihm jedenfalls anzumerken. Dabei ist es nicht sein Ziel, sein Trainingspensum zu erhöhen. Vielmehr möchte er weiter an der Konstanz arbeiten, wirklich regelmässig seine zwei bis drei Trainings pro Woche einzuhalten. Denn «wenn ich es durchziehe, kann das schon recht viel sein».
Doch noch Schweizer Meister zu werden, sei schon ein Ziel. Aber aufgrund seiner Erfahrung möchte er sich nicht auf einen Wettkampf fokussieren. «Das bringt mir nichts. Ich schaue von Wettkampf zu Wettkampf und nehme es, wie es kommt.»
Sportpreisverleihung und Verleihung des Anerkennungspreises für Roger Itin, Mittwoch, 1. Dezember, 18.30 Uhr, Kultur- und Sportzentrum Münchenstein.
Es gilt Zertifikatspflicht.