Raja Breig

«Von der Ungeheuerlichkeit der Existenz zum banalen, lustigen Alltag» lautet der stolze Titel von Peter Grafs neustem Werk. Die darin enthaltenen Kurzgeschichten haben nicht nur die Fünfzigerjahre-Thematik gemeinsam, sondern weisen noch weitere inhaltliche Zusammenhänge auf: «Die Geschichten handeln alle davon, wie ich den banalen Alltag als Kind in den Fünfzigern erlebt und bewältigt habe», so Graf. Der hauptberufliche Psychiater, der nebenbei die Buchhandlung «Poete-Näscht» in Liestal führt, erläutert weiter: «Das Thema der goldenen und ein wenig miefigen Fünfzigerjahre hat mich einfach nicht losgelassen.» Aus diesem Grund habe er sich schliesslich dazu entschieden, es auf Papier festzuhalten.

Wünsche von gestern
Inspiration für seine Erzählungen holt sich der 74-jährige Lupsinger nicht nur durch Kindheitserinnerungen, sondern auch durch nächtliche Träume. «Zuerst schreibe ich den Traum auf, dann entwickelt sich daraus je nachdem eine Geschichte», schildert er. Ab und zu schlage er auch einfach ein willkürliches Buch auf, lese ein paar Zeilen davon und schreibe danach selber weiter. Eine wichtige Inspirationsquelle seien auch die verschiedenen Geschichten, die er während seiner Tätigkeit als Psychiater täglich hört. Diese eins zu eins zu übernehmen, käme für ihn allerdings nicht infrage.

Im Gegensatz zu den allermeisten Autorinnen und Autoren unserer Zeit schreibt Peter Graf seine Texte, wenn immer möglich, zuerst auf Papier. «Es ist ein ganz anderer Prozess», beteuert er. Die anschliessende Bearbeitung erfolge allerdings am Computer.

Das Schreiben, obschon bloss eine Nebentätigkeit, ist für Peter Graf Alltag. Wie passioniert er es praktiziert, kann er kaum verheimlichen. «Wenn ich den Stift in der Hand halte, fliesst die Tinte unten raus und meine Gedanken direkt hinterher», erzählt er etwa. Sinn und Zweck seiner Lesungen sei es grundsätzlich, den Leuten eine Freude zu bereiten. Er wolle ihnen ausserdem vermitteln, wie stark das Leben von heute mit den Wünschen von gestern in Verbindung stehe. «Was heute als Problem gilt, stellte in den Fünfzigerjahren ein Idealbild dar», erklärt Graf. Als Beispiel dafür nennt er den Strassenverkehr: «Früher konnte man es kaum erwarten, dass man hier auch endlich Autobahnen baut, heute regen wir uns über den vielen Verkehr auf.»

Unveröffentlichter Fantasy-Roman
Peter Grafs Lesungen, meist finden sie im Liestaler Dichter- und Stadtmuseum in der oberen Etage des «Poete-Näscht» statt, sind allseits beliebt. Ein Zielpublikum habe er keines, die Lesungen würden von Alt und Jung besucht.

Bis nächsten Frühling soll Peter Grafs Werk in Form eines Buches veröffentlicht werden, wofür er sich noch auf der Suche nach einem Verlag befindet. Im Jahr 2018 hat er erstmals einen Geschichtenband mit dem Titel «Zufällige Annäherung an die Frage nach dem Glück» publiziert. Den Anfang seiner literarischen Laufbahn markierte die Debüterscheinung allerdings nicht. «Ich habe bereits 1984 mit dem Schreiben begonnen», erzählt Graf. «Als ich Vater wurde, hat mein Leben noch einmal komplett neu gestartet. Ich habe einfach drauflosgeschrieben, und daraus ist am Ende ein Fantasy-Roman entstanden. Veröffentlicht wurde er allerdings nie.»

Als Grund dafür, warum ein Grossteil seiner Werke unveröffentlicht bleibt, nennt Graf Zeitmangel. Ausserdem sei er kein besonders guter Verkäufer seiner selbst.

Zeit verändert Wahrnehmung
Seiner Leidenschaft für Literatur war sich der Vater von vier Kindern nicht immer bewusst. Als Kind wollte er Lokführer oder Pilot werden, der Literatur ist er erst am Gymnasium verfallen. Nichtsdestotrotz entschied er sich schliesslich für ein Medizinstudium, da ihm die Arbeit mit Menschen ebenfalls zusagte.

Peter Grafs Faszination für Erzählungen, Novellen und Kurzgeschichten hat mit den Jahren keineswegs abgenommen: «Ich mag es, wenn Zusammenhänge erschaffen werden, wenn prägnante und spannende Formulierungen oder gute Bilder gefunden werden.» Insbesondere interessieren Peter Graf antiquarische Bücher und Antiquitäten im Allgemeinen: «Wenn man zurückschaut, nimmt man die eigene Umgebung anders wahr. Man erhält einen anderen Blickwinkel auf die Gegenwart, wie bei einer Zeitreise.» In der Zeit gereist ist Peter Graf beim Verfassen seines Werkes über die Fünfzigerjahre offenbar reichlich.

Gedanken aus Tinte

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