MUNDART
07.10.2021 RegionAuto-Fiktion
Der Martin isch plötzlig wiene Zirkusdiräkter ummegloffe. Vom äinte Daag uf der ander het er e schwarze Frack mit goldige Verzierige träit, lengsgstreifti Hosen und Stiifel, wyssi Händsche, in der lingge Hand e Stock und oobedruff e ...
Auto-Fiktion
Der Martin isch plötzlig wiene Zirkusdiräkter ummegloffe. Vom äinte Daag uf der ander het er e schwarze Frack mit goldige Verzierige träit, lengsgstreifti Hosen und Stiifel, wyssi Händsche, in der lingge Hand e Stock und oobedruff e Zylinder. Won en s erscht Mol esoo gseh ha, hani dänkt, är syg uf em Wäg zunere Motto-Party. Bim nöggschte Mol han en im Park gseh spazieren und ha mer überläit, öb er het afo Theater spiilen oder öb är, was eigetlig nööcher lyt, ime Zirkus schafft.
Won en chürzlig bim Yychaufen aatroffe ha, han en druf aagsproche. Är häig scho lenger wellen e Roman schryybe, het er mer verzellt. Aber är häig äfach nit gwüsst wie. Är schryyb jo scho lang Daagebuech, das chönn er au guet, d Sache genau esoo ufschryyben und beschryybe, wie sii passiere, äis zu äis. Är syg au schon e paar Mol grüehmt worde für sy präzyse, dokumentarische Schrybstiil, d Lüt häige schon e paar Mol gsäit, dass es genau eso syg, wien ärs beschryyb! Das häig er denn au e Wyyli esoo gmacht, äfach gschriibe, was passieri. S Brobleem syg denn aber gsi, dass nüt passiert syg. Gar nüt. «Mit nüt schryybsch denn halt doch käi Roman, irgende Spannigsbooge muesch ha, irgend öppis, wo sich lohnt z verzelle.» E fyyne Nääbel isch unter sym Frack füürecho und het langsam syni Bei yyghüllt. Drum häig er dänkt, müess är äfach sys Lääben afo chly spektakulärer gstalte, quasi dä Roman, won är well schryybe, au erlääbe. Är häig sich lang Gedanke gmacht, wien em das chönnt glinge. Öb er söll e Chrüzschifffahrt bueche, sich uf e Droogetrip yyloo, e Psychotherapeut an der Nasen ummefüehren oder sy Groossvatter us em Altershäim entfüehren und mit däm per Autostopp nach Bilbao reise. «Und denn äfach in mym Doku-Stil über mys Lääbe brichte, voilà!» «Aso d Realiteet fiktionalisiere, zum denn en Autobiografie z schryybe oder e Roman?», hani mi gfrogt. Die ultimativ Inszenierig vom äigene Lääbe dokumentiere, aso s Lääbe verkünschtlige statt Kunscht schaffe, das dunkt mi e glungnige Wääg für so öbbis. Aber villicht entsprichts jo au öisem Zytgäischt. Und jetz syg sy «Ich-Verzeller» e Zirkusdiräkter, hani gfrogt. Näi, nit wükli, es geeb sehr e poetischi Gschicht, aso der Zirkusdiräkter syg meh im überträite Sinn gmäint. I ha mer überläit, was weer, wenn der Martin würd Lyrik schryybe, öb mer öis denn zwüsche de Zyyle troffe hätte? Woorschynlig nit. «Zum Glück schrybsch nit Lyrik!», hani gsäit.
Öb nit e chly Dischtanz zu syner Figur wichtig syg, hani gfrogt. Der Martin het der Chopf gsänkt. Er häig chly Stress. Er häig sich bitz in e Schlamassel yynegritte. Är well nit spoilere, aber er wüss jetz nümm, wiener es Änd find, ohni dass es ihm an Chraage gieng. Und dass er au Angscht dervor häig, dass sich dä Roman zumene Lääbensprojekt entwickli. «Wenn i Glück ha, gits none Schelme-Roman, süscht e Thriller!» Der Martin het e Konfetti-Pischtolen uspackt und in d Luft klöpft, denn het er sich verabschiidet und isch im Nääbel verschwunde.
Daniela Dill ist Spoken-Word-Autorin, stammt aus Lausen und lebt in Basel. Sie arbeitet im Wortstellwerk – Junges Schreibhaus Basel.