Die Mode des bereits Getragenen
28.10.2021 BaselbietSecond-Hand-Kleider sind längst nicht mehr verpönt
Kleidung aus zweiter Hand erfreut sich wachsender Beliebtheit. Umweltbewusstsein und Freude an alten Farben, Mustern und Stoffen machen aus einer einstigen Gewohnheit im Kindesalter eine Mode für Erwachsene.
David ...
Second-Hand-Kleider sind längst nicht mehr verpönt
Kleidung aus zweiter Hand erfreut sich wachsender Beliebtheit. Umweltbewusstsein und Freude an alten Farben, Mustern und Stoffen machen aus einer einstigen Gewohnheit im Kindesalter eine Mode für Erwachsene.
David Schneider
«Da kannst du noch reinwachsen.» Dieser Satz dürfte bei den meisten Leserinnen und Lesern Erinnerungen an vergangene Zeiten wecken. Besonders Menschen mit älteren Geschwistern wissen, dass sich «da» auf zu grosse Kleider bezieht, Kleider, die von Kind zu Kind weitergegeben und so «ausgetragen» werden. Möglicherweise entsprechen die Pullover, T-Shirts, Hosen und Jacken alles andere als dem Geschmack des oder der Eingekleideten. Die Kleider wurden getragen, bis sie dem kleinsten Familienmitglied nicht mehr passten, und selbst dann wurden sie noch an Freunde und Bekannte weitergegeben. Das Nachtragen von Kleidern war bei Kindern gang und gäbe. Besonders beliebt waren Kleider aus zweiter Hand aber oft nicht – neu Gekauftes sorgte für doppelte Freude. Das hat sich geändert. Das Tragen von Kleidung aus zweiter Hand ist zur Mode geworden, sodass die Kleider heute nicht mehr nur im Familien- und Bekanntenkreis weitergegeben, sondern auch in Geschäften verkauft werden. Gefragt sind aber weniger Kleider für Kinder als für junge Erwachsene. «In unseren Laden kommen besonders viele junge Menschen», sagt Susanne Härri, stellvertretende Geschäftsleiterin von «Garderobe» in Liestal. In ihrem Laden in der Rathausstrasse verkauft sie zusammen mit ihrem Team bunt gemischte Kleider aus zweiter Hand.
Geschäfte wie «Garderobe» sind auf regelmässige Kleiderspenden angewiesen, nur so kann ein breit aufgestelltes und mit den Jahreszeiten wechselndes Angebot aufrechterhalten werden. «Es werden sehr viele Kleider gebracht», betont Ursina Lareida vom Second-Hand-Laden «Transparenz» in Sissach. In ihrem Geschäft verkauft sie ausschliesslich Damenmode.
Unterschiedlich motivierte Käufe
Die Gründe für das Kaufen von gebrauchten Kleidern seien verschiedenster Natur. «Nicht zuletzt dafür verantwortlich ist wohl der Sinn für wiederverwendbare Ressourcen und Umwelt, der besonders in Zeiten des Klimaaktivismus geschärft wird», vermutet das Frauenteam des Secondhandladens für Damen «Da Capo» in Gelterkinden.
Doch nicht nur der Gedanke an die Ökologie ist ausschlaggebend, auch die Freude an alten Farben, Mustern und Trends bewegt die Kundschaft zum Griff zu Getragenem. So sind beispielsweise wieder Schlaghosen, Rollkragenpullover, Strickmuster und Manchesterstoff an Jüngeren zu sehen. Modehersteller versuchen derzeit, auf den Zug der alten Mode aufzuspringen; alte Zeitzeugen sind aber oft weitaus erschwinglicher und attraktiver als neue Kopien.
Die Nachfrage nach bereits getragenen Kleidern besteht also. Gemäss den drei befragten Baselbieter Geschäften ist diese in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. «Kleider aus zweiter Hand werden auch in Zukunft gefragt sein», ist sich Susanne Härri von «Garderobe» sicher.