HERZBLUT
14.09.2021 GesellschaftNie wieder Velo!
Heute also eine Velokolumne, weil Velokolumnen lustiger sind als Gartenkolumnen in diesem unlustigen Gartenjahr.
Lustiger also.
Nein. Zu lachen gibt es auf dem harten Sattel nichts, schon gar nicht nach ein paar Dutzend Kilometern im Gegenwind. ...
Nie wieder Velo!
Heute also eine Velokolumne, weil Velokolumnen lustiger sind als Gartenkolumnen in diesem unlustigen Gartenjahr.
Lustiger also.
Nein. Zu lachen gibt es auf dem harten Sattel nichts, schon gar nicht nach ein paar Dutzend Kilometern im Gegenwind. Und dann am anschliessenden Berg mit den langen Rampen! Beine, Kreuz und Schultern schmerzen mit der Zeit so heftig, dass ich jeden Dritten, der mir solche Pein zufügte, sofort bei der Polizei anzeigen würde.
Und die Luft, die Luft! Rennvelofahren, das versichere ich Ihnen, ist die mit Abstand hassenswerteste Freizeitbeschäftigung, wenn man bei der Streckenwahl überambitioniert und dabei restlos untertrainiert ist. Ich habe keinerlei Erklärung dafür, weshalb ich mir das seit bald 30 Jahren antue! Und wenn ich auf Passstrassen die vielen bunten, elend vor sich hinleidenden Gümmler sehe, würde ich ihnen allen am liebsten den Vogel zeigen! Komisch nur, dass sich (auch) bei mir selbst nach den marterndsten Touren immer wieder das Gefühl einstellt, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlimm – und sogar etwas schön – war. Eine glatte Lüge!
Natürlich gibt es auch die tollen Momente. So auf der ersten Ausfahrt in unseren kürzlichen Veloferien. Ich hatte zuvor etwas trainiert, während meine Frau vor lauter Gemüse die Speichen nicht mehr sah. Und tatsächlich liess ich sie mit verhältnismässig leichtem Tritt am ersten Pyrenäenpässchen bald schon hinter mir. Das war Jahre nicht mehr vorgekommen, da sie entschieden disziplinierter, zäher und jünger ist. Ich war stets ein leidlich guter Roller in der Fläche, dafür seit jeher ein ganz lausiger Kletterer. Mit zunehmendem Alter bringt es auch keinen Vorteil mehr, wenn man das leichteste Rennvelo besitzt, dafür die für Tausende von Franken reduzierten Kilos an Rahmen und Rädern nun am Bauch den Berg hochschleppt.
Doch zurück in die Pyrenäen: Meine Frau also hatte einen ganz, ganz miesen Tag erwischt. Ich stand oben auf der Passhöhe und feuerte sie gönnerhaft an, als sie ausgepumpt und mit schwarzen Augenringen in Sichtweite kam. «Schlechte Beine …», japste sie. Beschwingt schoss ich ein paar hübsche Erinnerungsfotos.
Auf den Ausfahrten 2 und 3 war es dann allerdings sie, die beschwingt auf den Passhöhen fotografierte. Sie hatte sich gefangen! Der Japsende war ich! Auf Ausfahrt Nummer 4 über einen Monsterberg war bei mir die Luft dann total draussen. Langsam den Tränen nahe, musste ich auf den letzten, unendlich steilen Kehren sogar Ringgeliränggeli fahren! Der Beschluss oben auf fast 2000 Metern über Meer stand felsenfest fest: Fertig lustig mit diesem blöden Hobby! Für immer! Als meine Frau am nächsten Tag zu Ausfahrt Nummer 5 aufbrach, machte ich es mir demonstrativ im Liegestuhl bequem.
Vorgestern Sonntag erwischte ich mich nun dabei, wie ich das Datum für das Alpenbrevet 2022 googelte. Nur Furka, Nufenen und Gotthard, sicher nicht mehr. Alle, die sich für die Variante mit vier oder sogar fünf Alpenpässen an einem Tag entscheiden, haben definitiv einen ziemlichen Vogel!
David Thommen, Chefredaktor «Volksstimme»