Nicht zu nah und nicht zu fern
31.08.2021 Baselbiet, Wenslingen, Politik, GesellschaftChristian Horisberger
Wenslingen ist nicht flächendeckend für den Mobilfunk erschlossen. Ausgerechnet im Gewerbegebiet Leimen ist mit dem Smartphone nichts anzufangen. Die Swisscom möchte die Situation verbessern. Seit drei Jahren steht sie mit der Gemeinde in ...
Christian Horisberger
Wenslingen ist nicht flächendeckend für den Mobilfunk erschlossen. Ausgerechnet im Gewerbegebiet Leimen ist mit dem Smartphone nichts anzufangen. Die Swisscom möchte die Situation verbessern. Seit drei Jahren steht sie mit der Gemeinde in Verhandlungen für den Bau einer Mobilfunkantenne. Beim ersten Anlauf stand der Parkplatz beim Friedhof als Standort für eine Sendeanlage auf einem 30-Meter-Mast zur Debatte. Davon wollte die Bevölkerung aber nichts wissen. Dies kam an einer Gemeindeversammlung im November 2019 deutlich zum Ausdruck, an der über den möglichen Standort orientiert worden war. Die Antenne verschandele den Friedhof.
Der Friedhof wurde fallen gelassen, die Suche ging weiter – mit Erfolg: Für den Gemeinderat wie auch für die Swisscom scheint das rund 500 Meter vom Dorfrand entfernte Reservoir für einen neuen Mast günstig zu sein. An einem öffentlichen Informationsabend vom Donnerstag erklärte der Gemeinderat, weshalb.
Gemeinderat Roger Grieder, Elektrotechnik-Lehrer an der Berufsschule Aarau, orientierte an der Veranstaltung mit gut 30 Interessierten über den Planungsfortschritt und über den aktuell zur Debatte stehenden Standort. Dabei hielt er fest, dass er als Elektrotechnik-Fachmann spreche und nicht als Branchenvertreter. Er sei neutral.
Wie im Schulunterricht
Den Info-Abend gestaltete Grieder ähnlich wie eine Übermittlungstechnik-Unterrichtsstunde für seine Berufsschülerinnen und -schüler. Die Theorie mit Strahlung, Wellenlängen und Frequenzen veranschaulichte er mit Experimenten. Die nachlassende Intensität der Strahlung demonstrierte er anhand eines Magneten: Als er den Magnet in ein mit winzigen Nägeln gefülltes Gefäss hielt, blieb unmittelbar am Magnet ein dickes Knäuel haften, mit zunehmendem Abstand zum Magneten, blieben weniger Nägel hängen. Analog dazu lasse die Intensität der Strahlung einer Mobilfunkantenne mit wachsender Distanz nach.
Die Energie, die in Mikrowellen steckt, veranschaulichte Grieder mit einem handelsüblichen Mikrowellenofen. Er legte eine Energiesparleuchte in den Garraum, stellte die Leistung auf schwache 80 Watt ein und setzte das Gerät in Betrieb. Siehe da: Die Lampe begann zu leuchten. Die maximal zulässige Leistung einer Mobilfunkantenne beträgt im Vergleich dazu 5 Watt.
Merke: Die weder hör- noch sichtbaren Mikrowellen, hoch dosiert, haben es in sich. Die Kunst ist es, Menschen möglichst nicht in unmittelbarer Nähe einer Sendeanlage der Strahlung auszusetzen, diese aber nahe genug am Siedlungsgebiet zu errichten, damit es vollständig versorgt werden kann, auch ohne die Leistung allzu hoch schrauben zu müssen. Mit dem Reservoir ausserhalb des Siedlungsgebiets sei der für den Gemeinderat «optimale» Antennenstand gefunden worden, so Grieder. Der Mast würde 20 Meter hoch.
Die Entwicklung sei nicht aufzuhalten, ob einem das passe oder nicht, hielt der Fachmann fest. Daher stelle sich für den Gemeinderat nicht die Frage, ob in Wenslingen eine Sendeanlage errichtet wird, sondern wo. Und es liege im Interesse des Gemeinderats, beim Standort mitreden zu können, ehe sich der Anbieter an Private wendet, die mit jährlichem Mietertrag von 6000 bis 10 000 Franken rechnen könnten. Schlimmstenfalls würde mitten im Dorf eine Anlage gebaut, wie dies beispielsweise im solothurnischen Rohr der Fall sei. Grieder präsentierte dazu ein Foto von jener Anlage. So etwas möchte man, wenn immer möglich, verhindern.
Viel Zuspruch
Diese Argumentation stach. In der offenen Diskussion begrüssten die meisten Votantinnen und Votanten den Standort. Dagegen sprachen sich nur Einzelne aus, wobei sie sich nicht primär zum Standort äusserten, sondern ihre Skepsis gegenüber der Mobilfunk-Strahlung grundsätzlich zum Ausdruck brachten. «Zu viele Dinge sind unerforscht, ich traue der Swisscom nicht», sagte eine Teilnehmerin.
Die Unterzeichnung eines Mietvertrags für die Zurverfügungstellung eines Areals zur Errichtung eines Sendemasts obliegt gemäss Gemeindegesetz nicht der Gemeindeversammlung, sondern alleine dem Gemeinderat, hielt Gemeindepräsident Andreas Gass fest. Aber man wolle nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entscheiden, da es sich beim Mobilfunk und insbesondere bei 5G um ein sehr emotionales Thema handle. Daher forderte er die Anwesenden auf, die gehörten Informationen zu verbreiten. Der Gemeinderat werde seine Ohren offenhalten und aufgrund der Reaktionen der Bevölkerung entscheiden, ob er den Vertrag mit der Swisscom eingehen soll.