Nasse Böden bremsen Mähdrescher aus
13.08.2021 Baselbiet, LandwirtschaftGetreideernte findet in diesem Jahr erst spät statt – und gestaltet sich schwierig
Die Produzenten nutzen das trockene Wetter, um die Getreideernte einzufahren. Die Böden vieler Felder sind aber noch durchnässt, sodass die Mähdrescher noch nicht fahren können. Die Landwirte müssen ...
Getreideernte findet in diesem Jahr erst spät statt – und gestaltet sich schwierig
Die Produzenten nutzen das trockene Wetter, um die Getreideernte einzufahren. Die Böden vieler Felder sind aber noch durchnässt, sodass die Mähdrescher noch nicht fahren können. Die Landwirte müssen zudem mit Qualitätseinbussen rechnen.
Otto Graf
Das nasse und eher kühle Wetter der vergangenen Wochen wirkt sich gleich in mehrfacher Weise auf die Getreideernte aus. Mancherorts sind die Böden immer noch durchnässt und mit schweren Erntemaschinen oft gar nicht befahrbar. Denn die Mähdrescher würden den Boden stark verdichten und die Erträge künftiger Ernten mindern. Zudem hat die verzögerte Ernte eine Qualitätseinbusse zur Folge. Die Körner beginnen noch in der Ähre mit dem Austreiben, sodass das Brotgetreide vieler Anbauflächen nur noch als Futtergetreide verwertbar ist und finanziell weniger einbringt. Statt 50 bis 55 Franken pro 100 Kilo kassiert der Bauer nur noch etwa 40 Franken.
Dank des seit dieser Woche herrschenden Sommerwetters beginnt sich der Erntestau langsam aufzulösen. In der Regel nehmen Lohnunternehmen den Bauern das Ernten ab. Derzeit sind die Maschinisten praktisch Tag und Nacht unterwegs. «Eine solche Situation habe ich noch nie erlebt», schildert der Diegter Bauer und Lohnunternehmer Peter Miesch, der hauptsächlich Rinder mästet, die Lage.
Tau bestimmt den Einsatz
Wiederholt musste er eine schon nach wenigen Metern steckengebliebene Maschine mit dem Traktor aus dem durchnässten Feld ziehen. Dabei geht viel Zeit verloren, bis der Drescher auf einem anderen Feld mit dem Ernten beginnen kann. Miesch: «Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Denn die Qualität der Körner verschlechtert sich mit jedem Tag.» Immerhin haben seine sechs Mitarbeiter und er selbst mit drei Maschinen bis vorgestern etwa 90 Hektaren abgearbeitet. 100 Hektaren stehen noch an. Normalerweise bringt ein Mähdrescher pro Tag die Ernte von 10 Hektaren ins Trockene. «Wir beginnen in der Regel um 10 Uhr vormittags, wenn der Tau weg ist, und fahren bis Mitternacht, bis er wieder kommt», erklärt der Unternehmer, der seit über 35 Jahren im Geschäft ist. In taufreien Nächten, so Miesch, und wenn bald Regen zu erwarten ist, arbeite man gelegentlich durch.
Nach 22 Uhr ernte man wegen des Lärms wenn immer möglich auf Flächen abseits der Siedlungsgebiete. «Gibt es Reklamationen von Anwohnern, erkläre ich diesen die besondere Situation und stosse dann auf viel Verständnis. Meist gibt es dann für das Personal sogar noch etwas zu trinken», beschreibt Peter Miesch die Nachteinsätze und lobt seine Chauffeure. Diese seien mit Leib und Seele bei der Sache, die Ernte, das täglich Brot, einzufahren, bevor die Körner Schaden nehmen. «Alles hängt vom Wetter ab. Deshalb wollen wir Gas geben und den Bauern eine möglichst hohe Brotgetreideernte einfahren», stellt der Erntehelfer abschliessend fest.
Ein grosser Teil des Getreides übernimmt die Firma Nebiker in Sissach. Dort herrscht gegenwärtig Hochbetrieb. Wie Nicola Blaser, als Müller für das Getreide zuständig, erklärt, liefert der Bauer das Gut am zuvor vereinbarten Termin ab. Zunächst zieht Blaser ein Muster und bestimmt die Qualität der Ware, insbesondere den Feuchtigkeitsgehalt. «Sehr selten, vielleicht ein Mal pro Saison, müssen wir eine Anlieferung zurückweisen, weil sie zu stark mit Unkräutern belastet oder so feucht ist, dass sie bereits anfängt zu gären», sagt der Müller. Der Stärkegehalt beim Weizen, führt er weiter aus, entscheide schliesslich, ob sich die Körner als Brotgetreide oder nur als Futtergetreide eignen. Ist man sich einig, wird die Ware gewogen und ins Silo befördert.
Wegen des nassen Wetters erweist sich die Ernte als schwierig. Einmal war ein Getreideposten nicht nur feucht, sondern hatte auch einen unüblich hohen Anteil Erde drin. «Bei der Reinigung und Trocknung verfiel die Erde zu feinem Staub, was die Entstaubungsanlage an ihre Grenze brachte», so Blaser.
In der Praxis nimmt die Firma Nebiker pro Stunde 5 bis 10 Tonnen Erntegut an. Der markante Siloturm, das bauliche Wahrzeichen von Sissach, fasst rund 3000 Tonnen und enthält Kammern für Weizen, Gerste, neu auch Braugerste, Hafer, Erbsen und Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Im Silo wird die Ware gereinigt und, falls nötig, getrocknet. Im Lauf des Winters wird dann das Getreide wieder ausgelagert. Das Brotgetreide geht zum grössten Teil an die IP-Suisse und wird zu Mehl verarbeitet. Das Futtergetreide geht an diverse Schweizer Futtermühlen zur Produktion von Tierfutter.