ZOOLOGISCH
27.07.2021 BaselbietErfolgsrezept «Schleim»
Die Spanischen Wegschnecken auf unserem Bild haben im Gegensatz zu den Gehäuseschnecken kein Gehäuse und werden daher zur Gruppe der Nacktschnecken gezählt. Was in aller Welt brachte diese Weichtiere im Laufe der Evolution ...
Erfolgsrezept «Schleim»
Die Spanischen Wegschnecken auf unserem Bild haben im Gegensatz zu den Gehäuseschnecken kein Gehäuse und werden daher zur Gruppe der Nacktschnecken gezählt. Was in aller Welt brachte diese Weichtiere im Laufe der Evolution zum Rückbau eines Hauses, das Schutz vor allerlei Gefahren bietet und immer zur Hand ist, wenn es benötigt wird?
Ein Kalkhaus ist zwar genial, es ist aber schwer und verhindert, dass die Schnecke sich in kleine Spalten verkriechen kann. Als Ersatz besitzen die Nacktschnecken, die zu über 85 Prozent aus Wasser bestehen, effiziente Schleimdrüsen. Der zähe Schleim aus einem Eiweiss-Zucker-Gemisch wird im Kopfbereich produziert und dient als fortlaufend ausgerollter Teppich, wenn es gilt, auf trockenen oder rauen Unterlagen vorwärtszukriechen. Zudem ist der Schleim hygroskopisch, zieht also Wasser aus der Umgebung an und schützt die Schnecke damit vor hoher Verdunstung. Der Schleim ist so zäh, dass sich Nacktschnecken sogar daran abseilen können. Diese Zähigkeit bekommen wir zu spüren, wenn wir die roten Kerle von Hand auflesen und im bösartigsten Fall in Nachbars Garten werfen. Der Schleim lässt sich kaum mehr von den Fingern entfernen.
Trotz dieses Schleimschutzes sind die Schnecken eher nachts aktiv. Da sie vor allem Blätter – sowohl frisch und knackig als auch welk – lieben, sehen viele Gartenpflanzen bald nicht mehr so aus wie auf der Samentüte. Wegschnecken verschmähen aber auch Pilze, tote Artgenossen oder Tierkot nicht. Wenn sie genügend gewachsen sind, folgt die Paarung (siehe Bild). Die zwittrigen Tiere legen sich aneinander und geben – sich männlich fühlend – je ein Spermapaket ab. Das Gegenüberindividuum nimmt dieses auf, um dann später – nun in weiblicher Art und Weise – die besamten Eier in die Erde abzulegen.
Auf dem Bild sind gut die augenähnlichen Atemöffnungen zu sehen. Diese führen zu den Lungen in der Mantelhöhle. Nicht sichtbar sind die oberen und unteren Fühler. Auf den oberen, längeren sitzen die kleinen Augen und Riechsinneszellen. Bei Berührung werden sie mit Hilfe von Muskeln eingezogen und dann – wenn die Luft rein scheint – hydraulisch wieder ausgestülpt.
Unsere Schneckenart wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei uns entdeckt. Damals und bis vor wenigen Jahren war man der Überzeugung, dass diese Schneckenart aus Spanien mit Pflanzen nach Mitteleuropa gebracht wurde und sich bei uns so stark vermehrte, dass die einheimischen Wegschneckenarten verdrängt wurden. Genetische Untersuchungen haben diese These über den Haufen geworfen. Die sogenannte Spanische Wegschneckenart gab es schon immer bei uns und in Spanien vermutlich kaum oder gar nicht.
Gerne hätte ich etwas über Abwehrmöglichkeiten der für uns lästigen Tiere berichtet. Wirklich effiziente und ökologisch vertretbare gibt es für die momentane Regenperiode kaum. Und falls Sie auf die Idee kommen sollten, die Nacktschnecken anstelle des zerstörten Gemüses zu essen, dann rate ich davon ab. Denn der Schleim ist sehr bitter, weshalb zum Beispiel auch Igel diese Schnecken nur in höchster Hungersnot fressen.
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.