Rückkehr der Radioeuphorie
30.07.2021 BaselbietRobert Bösiger
Zusammen mit seiner Frau Susanne wohnt Daniel Schindler (55) in einem Einfamilienhaus in Pfeffingen. Eine Treppe führt hinunter in einen Raum, in dem auf einem Tisch ein Computer, ein kleines Mischpult und ein Tischmikrofon stehen. Von hier aus ...
Robert Bösiger
Zusammen mit seiner Frau Susanne wohnt Daniel Schindler (55) in einem Einfamilienhaus in Pfeffingen. Eine Treppe führt hinunter in einen Raum, in dem auf einem Tisch ein Computer, ein kleines Mischpult und ein Tischmikrofon stehen. Von hier aus fährt Schindler seine Sendungen für das neue Lokalradio mit dem eingängigen Namen Happy Radio.
Schindler ist in der regionalen Medienlandschaft kein unbeschriebenes Blatt: Schon im zarten Alter von 16 sass er beim ehemaligen Elsässer Piratensender Radio One im Studio, ab 1983 als regelmässiger Moderator beim damals noch in Sissach domizilierten Lokalradio Raurach (das nach diversen Standort-, Namens- und Besitzerwechseln heute unter der Bezeichnung Energy Basel firmiert und von Zürich aus gelenkt wird).
Nach dem Wirtschaftsstudium und Wanderjahren bei Radio DRS 3, Schwarzwaldradio/Radio Regenbogen, Basilisk und Argovia wandte er sich ab 2006 den Printmedien zu (unter anderen der Basler Zeitung) und der Unternehmenskommunikation (unter anderem bei der Wirtschaftskammer KMU in Liestal und der Schweizerischen Erdölvereinigung Avenergy). Die radikale Formatiererei und Normierung bei den meisten Radios habe ihn, den Radioverrückten, zusehends weggetrieben von diesem im Grunde doch so faszinierenden Medium, sagt Schindler.
Radio für Lockdown-Zeit
Erst im Verlauf der jüngsten Lockdown-Phase wurde er wieder vom Radiovirus befallen. Zusammen mit seinem guten Freund Max Diggelmann (55) experimentierte Schindler an einem Onlineradio. Die Idee dahinter? Schindler: «Komm, lass uns etwas tun für die Menschen im Lockdown.» So entwickelte sich die Idee sukzessive zum festen Plan, ein neues Lokalradio für die Region anzubieten.
Zunächst sendete das Duo Schindler/Diggelmann mit einer Handvoll Gleichgesinnter unter dem Namen Good Time Radio ab Anfang 2021 stundenweise, insbesondere an Freitagabenden als Radioparty. Nun aber wollen es die Radioaktiven wissen: Ab 31. Juli sendet Happy Radio auf DAB+ (Kanal 10A) vom neuen Sendestandort Chrischona-Turm in Bettingen aus in die ganze Region hinaus. Gemäss Programmleiter Daniel Schindler steht ein Publikum ab 40 im Fokus. Serviert werden vorwiegend musikalische Perlen von A wie ABBA bis Z wie ZZ Top. Und dies sieben Tage pro Woche rund um die Uhr.
Markante Stimmen, guter Sound
Geboten werden soll nicht nur gute Musik. Sondern, so Schindler: «Wir bringen Stimmen, Menschen, Geschichten und Werbung aus beiden Basel, dem Schwarzbubenland und dem Fricktal.» Den Gründern ist es gelungen, eine Handvoll bekannter Stimmen zur Mitarbeit zu motivieren. So sind etwa Nick Schulz (ex Radio Basilisk), Carmen Oriet (ex Radio Raurach) mit an Bord, aber auch Gunvor Meier und der «Berufskleinbasler» Werner Blatter. Der in London ansässige ehemalige Baselbieter Berufsmusiker Benjamin Leuenberger wird unter dem Namen Benjamin Keys jeweils am Dienstagabend ab 19 Uhr Schweizer Musiker, die im Ausland den Durchbruch geschafft haben, porträtieren.
Da Radio und Programm noch im Aufbau begriffen sind, darf man in den kommenden Wochen mit weiteren Überraschungen in Form von Spezialsendungen und Stimmen rechnen.
Anders als zu Beginn der 1980er-Jahre, als die ersten hiesigen Lokalradios (Raurach, Basilisk und DRS 3) entstanden und so das SRG-Monopol beendeten, ist die notwendige technische Infrastruktur heute nicht mehr mit enormen Kosten verbunden. Heute können die Sendungen von beinahe überall aus mit einem Minimum an technischem Equipment gefahren und ins Programm eingespeist werden. Deshalb können die Macher von Happy Radio auch getrost auf ein Zentralstudio verzichten – vorerst.
Ohne Idealismus kein Lokalradio
Nicht verändert hat sich im Vergleich zu den damaligen Gründerjahren der Umstand, dass Radiomachen viel mit Herzblut und Idealismus zu tun hat. So auch bei Happy Radio, wie Daniel Schindler der «Volksstimme» bestätigt: «Wir alle setzen unsere gesamte Freizeit für unser Radio ein.» Ob der neue Sender auf Dauer ohne bezahltes Personal auskommt, wird sich zeigen. Vorderhand aber setzen die Radiomacherinnen und -macher darauf, dass das Radiovirus den Betrieb am Drehen erhält.
Schindler wünscht sich im Gespräch mit der «Volksstimme», dass Happy Radio bald ein stattliches Publikum findet («Längerfristig wünsche ich mir 20 000 bis 30 000 regelmässige Hörer»), und dass man dereinst eine Radioredaktion wird installieren können, um lokale und regionale Informationen aufzuarbeiten und anzubieten. Keine Illusionen macht sich der Radioprofi, was die Bedeutung von Happy Radio in der Region Basel anbelangt: «Wir werden neben den beiden Platzhirschen Basilisk und Energy wohl immer ein ergänzendes Radio bleiben.»
Um die trotz schlanker Strukturen und minimalster Investitionskosten anfallenden Ausgaben zu decken, haben Max Diggelmann und Daniel Schindler einen Verein ins Leben gerufen.