EBL lässt mehr Eigenverbrauch zu
23.07.2021 BaselbietDie Mittagssperre für Sonnenstrom wird aufgehoben
Bislang können Boiler, Wärmepumpen oder elektrische Heizung über den Mittag nicht mit Strom von der eigenen Photovoltaik-Anlage betrieben werden: Es gilt eine Mittagssperre. Die Elektra Baselland (EBL) ändert dies ...
Die Mittagssperre für Sonnenstrom wird aufgehoben
Bislang können Boiler, Wärmepumpen oder elektrische Heizung über den Mittag nicht mit Strom von der eigenen Photovoltaik-Anlage betrieben werden: Es gilt eine Mittagssperre. Die Elektra Baselland (EBL) ändert dies nun.
David Thommen
Besitzerinnen und Besitzer von Photovoltaikanlagen auf dem eigenen Hausdach können ab dem 1. Oktober mehr des selber produzierten Stroms nutzen: Die EBL deaktiviert auf dann die bisher geltende Mittagssperre. Diese verhindert, dass zwischen 10.15 und 12.15 Uhr die selber produzierte Energie für den eigenen Boiler, die Wärmepumpe oder die Elektroheizung verwendet wird. Die EBL sperrt die Stromzufuhr zu diesen Anlagen temporär per Signal aus der Zentrale. Der produzierte Sonnenstrom wird damit automatisch direkt ins Netz eingespeist. Grund dafür ist, dass der dezentral produzierte Strom kurz vor dem Mittag benötigt wird, da der allgemeine Verbrauch während dieser Zeit besonders hoch ist.
Oder zumindest besonders hoch war. Denn mittlerweile habe sich die Lastspitze vom Mittag auf den späten Nachmittag zwischen 17 und 18 Uhr verschoben, wie Jonas Jenni, Fachspezialist Netzwirtschaft bei der EBL, erklärt. Zudem seien Boiler und Heizungen dank Wärmepumpen mittlerweile deutlich weniger energieintensiv, was sich auf die Netzbelastung insgesamt entlastend auswirke. Daher könne nun den Besitzern von Solaranlagen erlaubt werden, den Eigenverbrauch über die Mittagszeit zu steigern. Also zu einer Zeit, zu der die Sonne hoch steht und bei schönem Wetter besonders viel Solarstrom anfällt. Laut Jenni wird die Sperre bei rund 12 000 Boilern im EBL-Verteilgebiet deaktiviert. Kosten entstünden für die Konsumenten keine und die Massnahme habe auch keinen Einfluss auf den Stromverbrauch, heisst es in einer Mitteilung der EBL an die Eigentümer von Photovoltaikanlagen.
Profitieren sollen von der neuen Massnahme insbesondere die Anlagenbesitzer: Wird der Sonnenstrom direkt vor Ort verbraucht und nicht ins Netz eingespeist, fallen auch keine Kosten für Netznutzung und Abgaben zugunsten der nationalen Netzbetreibergesellschaft Swissgrid an. Diese Kosten machen gut die Hälfte des Energiepreises pro Kilowattstunde aus, wie Jenni sagt. Ein gesteigerter Eigenverbrauch liege also im Interesse der Anlagenbesitzer, deren Stromrechnung tendenziell günstiger werde.
Ebenfalls ergibt sich für die EBL ein Vorteil: Wird mehr selber produzierter Strom vor Ort verbraucht, muss den Besitzern von Photovoltaikanlagen weniger Sonnenstrom zu einem verhältnismässig hohen Rückspeisetarif abgekauft werden. Die einstige Hoffnung der Stromversorger, dass sie den sauberen, aber verhältnismässig teuren Strom aus dezentralen Photovoltaikanlagen zu einem höheren Tarif an viele umweltbewusste Konsumentinnen und Konsumenten verkaufen können, hat sich weitgehend nicht erfüllt. Es gibt mehr Sonnenstrom, als im Abo verkauft werden kann.
Deaktivierung erfolgt automatisch
Laut dem Schreiben an alle Photovoltaikanlagen-Besitzer erfolgt die Deaktivierung der Mittagssperre am 1. Oktober automatisch, die Haushalte müssten in der Regel nichts unternehmen. Die Ausnahme sind laut EBL einige wenige Anlagen mit speziell modifizierten Steuerungen, bei denen die Einstellungen vom Elektriker angepasst werden müssen. Die Besitzer seien über solche speziellen Steuerungen in der Regel im Bild. Wer den Mittagsstrom bereits vorher selber nutzen will, kann sich bei der EBL melden.
Die Mitteilung der EBL dürfte übrigens so manchen Besitzer einer Solarstromanlage überrascht haben: «Dass es eine solche Mittagssperre gibt, haben vermutlich die wenigsten gewusst», kommentiert ein unabhängiger Berater für Solaranlagen gegenüber der «Volksstimme». Und ergänzt: «Wir haben den Leuten stets empfohlen, ihre Anlagen dann laufen zu lassen, wenn die Sonne hoch steht …» Wer die Steuerung des Boilers also so eingestellt hatte, dass er auch über die Mittagszeit aufheizt, bezog unwissentlich teureren Strom aus dem Netz. Bei der EBL hält man dagegen: «Alle Monteure von Photovoltaikanlagen sind darüber im Bild. Inwieweit dieses Wissen an die Anlagenbesitzer weitergegeben wurde, kann ich nicht beurteilen», so EBL-Fachmann Jonas Jenni.
Abschied vom jetzigen Tarifmodell
tho. Laut EBL-Netzfachmann Jonas Jenni gibt es bei der EBL derzeit nur zwei Tarife: Den Hochtarif, der werktags von 8 bis 18 Uhr gilt, sowie den Niedertarif für die restliche Zeit. Diese Struktur dürfte allerdings nicht mehr allzu lange gelten. Denn es laufen Vorbereitungen, um die Tarife flexibler gestalten zu können. In jedem Haushalt sollen neue Geräte – sogenannte «Smart Meter» – eingebaut werden, die den Energiebezug steuern. Strom für energieintensive Anlagen wie Wärmepumpen, Boiler, Tiefkühler oder Heizungen sollen unabhängig von der Tageszeit genau dann bezogen werden können, wenn das Angebot im Netz gross und der Preis damit tief ist. Dank dieser technischen Innovation wird dafür gesorgt, dass die Netzbelastung geglättet wird. Hoch- und Niedertarif können mit dieser Flexibilisierung abgeschafft werden. Doch das ist noch Zukunftsmusik.