Dieser Markt dient nicht nur dem Einkaufen
27.07.2021 Gesellschaft, NiederdorfElmar Gächter
Wie die kleinen Gallier gegen die mächtigen Römer: Hier die Marktfahrer, eben die Gallier, gegenüber die Legionen aus wolkenkratzerhohen Stahlkranen, fast ebenso mächtigen Spundwänden und Heerscharen von raupenbestückten Ungetümen. Ein ...
Elmar Gächter
Wie die kleinen Gallier gegen die mächtigen Römer: Hier die Marktfahrer, eben die Gallier, gegenüber die Legionen aus wolkenkratzerhohen Stahlkranen, fast ebenso mächtigen Spundwänden und Heerscharen von raupenbestückten Ungetümen. Ein Vergleich aus dem Munde von Walter Bürgin, der hier seit einem Jahrzehnt seinen Käse verkauft und festhält: «Der Gemeinderat hat uns vorgeschlagen, wegen des Lärms der WB-Baustelle auf das Schulhausareal zu zügeln, doch wir gehören hierher auf das Baumgartenareal.»
Und dies seit nunmehr 25 Jahren. Mitglieder der damaligen «IG Dorfgassmärt» waren es, die im Mai 1996 den «Frytigsmärt» hier beim alten Milchhüsli ins Leben gerufen haben und der bis vor etwas mehr als einem Jahr vor allem von der Familie Oberli vom Hof Grütsch in Niederdorf betrieben wurde. Ihr Entscheid, anstelle des Marktes einen Hofladen im eigenen Betrieb zu führen, sollte jedoch nicht das Ende des «Frytigsmärt» bedeuten.
Ein seit einem Dezennium vertrautes Gesicht am Wochenmarkt gehört Marlis Degen. Sie bietet in diesem kleinen Kreis von Marktbegeisterten ihre, wie sie betont, mit viel Liebe hergestellten Teigwaren an aus Mehl von der Mühle Maisprach, verfeinert mit Eiern von Freilandhühnern und verpackt mit dekorativen Bändeln. In ihren Produkten steckt Herzblut. Wichtig sind ihr auch die Gespräche mit den Besucherinnen und Besuchern. «Immer wieder kommen ältere Leute oder Alleinstehende, die froh sind, hier über ihre kleineren und grösseren Probleme zu sprechen und dabei die eine oder andere Alltagssorge vorübergehend zu vergessen», so Marlis Degen.
Znüni für die Bauarbeiter
Holligers sind vor acht Jahren aus dem Kanton Aargau an die Dorfgasse in Niederdorf gezogen. Ursula Holliger ist leidenschaftliche Marktfahrerin und ebensolche Bäckerin ihres begehrten Holzofenbrotes. Zusammen mit ihrem Mann Heinz, der beim Markt gewissermassen den Lead übernommen hat, zählen sie zum Kernteam des »Frytigsmärt». Es war nicht zuletzt ihr Vorschlag, am vergangenen Freitag die Mitarbeitenden des Gemeindewerkhofs, der Verwaltung und den Gemeinderat zu einem Znüni einzuladen. Gemeindearbeiter Heinz Roth spricht von einer tollen Geste und meint: «Der Anlass ist für das Dorfleben sehr wichtig.» Dieser Aussage schliesst sich Gemeinderätin Helene Koch-Schmutz an. Dieser Treffpunkt sei sehr wertvoll, besonders auch, weil Niederdorf zurzeit ohne Restaurant dastehe. «Ich bin immer wieder erstaunt, dass sich so viele Leute hier trotz des Baulärms zum Stammtisch treffen.»
Das Angebot an Znünis, das vom Sandwich bis zum Raclette und zu Frikadellen reicht, wird auch vom Personal der WB-Baustellen geschätzt. Auch wenn sich auf «Anordnung von oben» keiner der angesprochenen Arbeiter für Fragen des Reporters zur Verfügung stellt, weiss Heinz Holliger, dass der «Frytigsmärt» für sie ein wichtiger Anlass ist.
Mit Leidenschaft dabei
Seit diesem Frühjahr ist das Angebot an Gemüsen wieder breit ergänzt worden. Madeleine und Eric Stebler aus Sissach halten hier ihre Ware feil, die sie weitgehend von der Familie Itin in Ormalingen beziehen. Auch sie sind mit Leidenschaft Mitglieder der kleinen Marktcrew und freuen sich, dass sie hier im Waldenburgertal gut aufgenommen worden sind.
«Mir macht das Verkaufen hier richtig Spass», sagt Walter Bürgin. Sein Käse ist gefragt und jeder Franken Gewinn, den er mit dem Verkauf erwirtschaftet, geht an den Verein «Waldenburg natürlich». Dieser setzt Projekte wie Brunnensanierungen, Baumpflanzaktionen oder Jugendanliegen um. Er windet der Gemeinde Niederdorf ein Kränzchen, die sich dem Markt gegenüber stets grosszügig zeige, gratis Strom liefere und einen Raum für die Stühle, Bänke und Zelte zur Verfügung stelle.
Selbst Musikliebhaber kommen an diesem Freitagmorgen nicht zu kurz. Maria Czogola spielt auf ihrer speziellen Drehorgel vertraute Melodien. Und das ganz Spezielle: Sie und ihr Mann Henryc kommen seit vielen Jahren aus Polen ferienhalber nach Niederdorf; der Marktbesuch ist dabei zu einem absoluten Muss für sie geworden. Die Bevölkerung darf sich freuen, dass die marktfahrenden Idealistinnen und Idealisten ihrem «Frytigsmärt» auch weiterhin die Treue halten.