Der Kapitän geht von Bord
20.07.2021 Politik, RothenfluhOtto Graf
Der Sprung ins kalte Wasser war es nicht direkt, nur sechs Monate nach seinem Einzug in den Gemeinderat, als der damals 63-jährige Paul Schaub-Wohler vom Stimmvolk von Rothenfluh auf den 1. Juli 2012 zum neuen Gemeindeoberhaupt gewählt wurde. Das Dorf ...
Otto Graf
Der Sprung ins kalte Wasser war es nicht direkt, nur sechs Monate nach seinem Einzug in den Gemeinderat, als der damals 63-jährige Paul Schaub-Wohler vom Stimmvolk von Rothenfluh auf den 1. Juli 2012 zum neuen Gemeindeoberhaupt gewählt wurde. Das Dorf durchlief damals auf politischer Ebene eine hektische Phase. Mitglieder des Gemeinderats, Präsidenten eingeschlossen, kamen und gingen in rascher Folge. Es brauchte Mut, sich auf den präsidialen Sessel hieven zu lassen. Dessen war sich Schaub bewusst. Er war aber gleichzeitig überzeugt, dass er es mit einem guten Team im Rücken schaffen würde, das Schiff in ruhigeres Fahrwasser zu steuern.
Das ist ihm als Kapitän zweifellos gelungen. Die Gemeinde erlebte danach eine ruhige Phase, abgesehen von der Geschichte in der Kirchgemeinde mit den Kaninchen in der Wohnung des Pfarrhauses. Das hatte aber mit der Einwohnergemeinde nichts zu tun. Der Gemeinderat wurde in der Öffentlichkeit als Einheit wahrgenommen, der am selben Strick und in dieselbe Richtung zieht. Dennoch kam der Rücktritt von Schaub auf Ende Juni 2021, den er bereits im Dezember 2020 angekündigt hatte, überraschend. Er begründete seinen Entschluss mit persönlichen Angriffen auf seine Person. Über die Gründe, die das Fass zum Überlaufen brachte, mochte er sich in der Öffentlichkeit nicht näher äussern.
Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die Auseinandersetzung um einen Dorfbrunnen seinen Entscheid beeinflusst hat. Doch das ist vorbei. Der alte Brunnen ist wieder da und die Kirche blieb somit im Dorf. Seit dem Ankündigen des Rücktritts sind sieben Monate verflossen. Inzwischen wurde Frank Erny in die Exekutive gewählt. Und für das Präsidium ist Patrick Vögtlin vorgeschlagen.
Ziele weitgehend erreicht
In seiner neunjährigen Präsidialzeit hat Paul Schaub viel erreicht. So trug er an vorderster Front dazu bei, den Forstbetrieb der Bürgergemeinde in den eigenständigen Zweckverband
Forstrevier Ergolzquelle zu überführen. Als weitere Highlights sind der Wiederaufbau der Mülistetthütte, das Organisieren der Banntage, der Bau des Waldpfades, die jährlichen Waldbegehungen und die Gründung der Wohngenossenschaft Dübach zu erwähnen. Als eine der letzten Amtshandlungen wirkte der Zurückgetretene beim Spatenstich der Genossenschaft für den altersgerechten Wohnraum und den neuen Dorfladen am Dübachweg mit. Nochmals richtig gefordert war Schaub eine Woche vor seinem «Letzten», als die Fluten des Dübachs und die Regenmengen Keller und Untergeschosse zahlreicher Gebäude im Dorf, darunter auch solche der Gemeinde, unter Wasser setzten und an den Strassen und Fluren erhebliche Schäden anrichteten.
Zurückblickend auf sein Wirken als Gemeindeoberhaupt zieht er eine positive Bilanz und sagt: «Wir hatten innerhalb des Gemeinderats ein ausgezeichnetes und kameradschaftliches Verhältnis.» Auch die Zusammenarbeit mit dem Gemeindepersonal, hebt er hervor, sei stets harmonisch verlaufen.
In der vergangenen Dekade hat der Ex-Präsident auch verspüren müssen, wie sich das Verhältnis zwischen dem Volk und den Behörden verändert hat. Die Bevölkerung, stellt er fest, sei heute sicher kritischer eingestellt als vor zehn Jahren. Zudem seien die Umgangsformen härter geworden. Dass jemand die Arbeit der Behörden wohlwollend zur Kenntnis nimmt, merke man kaum. Auch ein «Wir-Gefühl», wie etwa bei den früheren Dorffesten, sei heute nicht mehr auszumachen. Offenbar handle es sich um eine Zeiterscheinung. Davon könnten auch die Vereine ein Liedlein singen.
Den Grund für diese Haltung sieht Schaub in der Tatsache, dass es uns allgemein immer noch zu gut geht. Man lasse sich zwar von den An-
nehmlichkeiten gerne bedienen, zeige aber wenig Bereitschaft, sich aktiv am Geschehen zu beteiligen.
Corona verdrängt das Persönliche
Mit Frank Erny sind die Ortsbürgerinnen und -bürger nach wie vor mit einer Person im Gemeinderat vertreten. Die Frage nach einem separaten Bürgerrat ist deshalb nicht aktuell. Der Ex-Präsident kann sich durchaus vorstellen, dass die Bürgergemeinde in einigen Jahren mit der Einwohnergemeinde fusionieren wird. Bereits jetzt, sagt er weiter, werde im Regionenverein Oberes Baselbiet angesichts der anstehenden personellen Veränderungen in Nachbargemeinden von Rothenfluh auf Verwaltungsebene die Frage des Zusammenlegens von Gemeindeverwaltungen diskutiert.
In der Covid-19-Situation, berichtet Schaub, habe manches per Videokonferenz stattgefunden. Aber die persönlichen Kontakte habe er vermisst. Positiv erachtet er es, dass wenigstens die Gemeindeversammlungen mit den entsprechenden Massnahmen durchgeführt werden konnten.
Seit wenigen Tagen ist Paul Schaub nun im politischen Ruhestand. Den politischen Ballast ist er los, was sicherlich auch seiner Gesundheit förderlich ist. Er hat nun, in der Gewissheit, viel für sein Dorf getan zu haben, Zeit und Musse, zusammen mit seiner Gattin Claudia die Freizeit zu geniessen.
PAUL SCHAUB
og. Paul Schaub, Jahrgang 1949, Bürger von Rothenfluh, wurde am 1. Januar 2012 in den Gemeinderat von Rothenfluh und ein halbes Jahr später als Gemeindepräsident gewählt. Der gelernte Feinmechaniker war 25 Jahre als Lehrer auf verschiedenen Stufen tätig. Danach arbeitete er 12 Jahre beim Amt für Militär und Bevölkerungsschutz als Leiter des Katastrophenschutzes und war somit auch Mitglied des Kantonalen Krisenstabs. In der Armee bekleidete er zuletzt im Stab der Territorialdivision 2 den Dienstgrad eines Oberstleutnants. Schaub war ausserdem Waldchef der Bürgergemeinde Rothenfluh, Vorstandsmitglied im Zweckverband Forstrevier Dübach, Mitglied der Talweiherkommission, Präsident der Wohngenossenschaft Dübach und Mitglied der Finanzkommission Jugendmusikschule Gelterkinden. Zudem ist er Aktivmitglied des Weinbauvereins Suttenberg in Liestal sowie Vizepräsident, Legatkassier und Kassier Alte Garde der Schützengesellschaft Liestal.
«Ich könnte mir eine engere Zusammenarbeit der Gemeinden vorstellen»
Herr Schaub, was war das persönliche Highlight in Ihrer Amtszeit?
Paul Schaub: Besonders hervorheben möchte ich die Gründung des Zweckverbands Forstrevier Farnsburg und die Gründung der Wohngenossenschaft Dübach.
Welches Ziel haben Sie nicht erreicht?
Leider ist es nicht gelungen, die Dorfbevölkerung genügend zu motivieren, sich aktiver an aktuellen Themen zu beteiligen.
Welche Vision schwebt Ihnen noch vor?
Ich kann mir vorstellen, dass die Oberbaselbieter Gemeinden in Zukunft noch enger zusammenarbeiten werden.
Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger mit?
Eigentliche Ratschläge muss ich sicherlich nicht erteilen. Ich sage nur: «Vorwärts in die Zukunft schauen.»
Wie wird die nächste Generation Rothenfluh verändert haben?
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Rothenfluh werden auch in Zukunft ein naturnahes, familiäres und ruhiges Lebensumfeld geniessen können. Die aktuelle Gesamtmelioration bietet die einmalige Chance, all diese Eigenheiten nachhaltig zu erhalten. Rothenfluh wird weiterhin sehr moderat wachsen.