Bei offener Barriere: Fuhrwerk überfahren
30.07.2021 Lausen, VerkehrHeinz Spinnler
Die Schranken beim Bahnübergang «Rüchlig» in Lausen waren offen, als Fuhrmann Graf vom Hof Allersegg in Gelterkinden am 10. August 1928, morgens um 7.20 Uhr, mit seinem Zweispännerfuhrwerk die Bahngleise befuhr. Ein Personenzug aus Richtung ...
Heinz Spinnler
Die Schranken beim Bahnübergang «Rüchlig» in Lausen waren offen, als Fuhrmann Graf vom Hof Allersegg in Gelterkinden am 10. August 1928, morgens um 7.20 Uhr, mit seinem Zweispännerfuhrwerk die Bahngleise befuhr. Ein Personenzug aus Richtung Sissach kollidierte mit dem Fuhrwerk. Fuhrmann Graf wurde beim Zusammenstoss mit dem Zug gegen die Böschung geschleudert, blieb aber unverletzt. Die beiden Pferde wurden getötet, das eine wurde laut Protokoll «vollständig verschnitten und noch zirka 60 Meter weit geschleppt», das andere brach nach dem Aufprall tot auf der Stelle zusammen. Und: «Das Fuhrwerk in viele Stücke kurz und klein gespalten», so heftig sei der Aufprall gewesen.
Schlafender Barrierenwärter
Dass dieser Unfall ein gerichtliches Nachspiel hatte, ist nicht verwunderlich. Folgendes wurde beim Gerichtsverfahren protokolliert:
«Der Angeklagte E. W., der zur kritischen Zeit Barrierenwärterdienst versah, gibt zu, die Barrieren bei diesem Übergang und auch diejenigen unterhalb Itingen nicht ge schlossen zu haben. Er habe geschlafen. Er hat den Dienst um 3.45 Uhr morgens angetreten. In der Untersuchung wurde festgestellt, dass am 6. Juni 1928, morgens zwischen 3.30 und 4 Uhr beim Passieren eines Zuges die betreffende Barriere ebenfalls nicht geschlossen war. Damals hat ein Automobil unmittelbar nach Passieren des Zuges die betreffende Stelle befahren. Der Angeklagte wird der Bahngefährdung schuldig erklärt und mit einer Gefängnisstrafe von 10 Tagen, sowie zu den ergangenen Kosten verurteilt.»
Der Schaden wurde mit 3235 Franken bemessen, wovon die Pferde mit 2200 Franken taxiert wurden. Diese Geschichte ist mit drei seltenen Unfallbildern dokumentiert. Die weiteren Informationen sind der «Volksstimme» entnommen.
Unfälle an bewachten wie unbewachten Bahnübergängen waren nicht selten. Oftmals endeten sie tödlich oder mit nicht geringem Sachschaden, wenn sich etwa Automobile auf den Gleisen befanden. Die Bahnübergänge auf der Strecke Basel–Olten wurden in den 1960er-Jahren saniert oder aufgehoben. Auch die Übergänge auf der Strecke Sissach– Läufelfingen wurden mit automatischen Schranken umgerüstet.
Fortsetzung unserer Serie
spi. «Eisenbahn-Geschichten aus dem oberen Baselbiet»: So war eine 20-teilige Artikelserie der «Volksstimme» im Jahr 1996 betitelt. Geschrieben wurden die Geschichten aus Anlass der Jubiläen «150 Jahre Schweizer Eisenbahn» und «140 Jahre Alte Hauensteinlinie» im Jahr 1997. Im Mittelpunkt stand der heute verwaiste Bahnhof Sommerau, Gelterkindens erster Bahnhof. Teils heitere Anekdoten, aber auch geschichtliche und bahntechnische Themen wurden beschrieben. Das daraus entstandene Buch ist seit Langem vergriffen.
Es gibt noch einige weitere Geschichten, die es wert sind, aufgearbeitet zu werden. Dies wird nun geschehen. Als Grundlage dienen Protokolle vom Bahnhof Sommerau sowie Dokumente über Unfälle und Betriebsstörungen im Staatsarchiv Baselland. Nicht im Zentrum stehen Berichte über tödliche Unfälle im Bahnverkehr, mit einer Ausnahme: Ein solcher Unfall beim Bahnübergang Altmarkt in Liestal wird im Verlauf unserer Serie thematisiert. Sonst aber geht es um «Spankörbe», die den Zielort nicht direkt erreichten, es geht um einen entlaufenen Hund, eine Ladung mit verfaultem Stroh, um eine entgleiste Dampflokomotive auf der Drehscheibe Sissach und weitere, nicht weltbewegende Begebenheiten.