Freispruch und Lob für Weber
08.06.2021 Baselbiet, Justiz, PolitikThomas Immoos
Muttenz. Thomas Weber, seit 2013 Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, war der ungetreuen Amtsführung angeklagt. Er soll der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle (ZAK) in den Jahren 2014 und 2015 200 000 Franken zu viel ausbezahlt ...
Thomas Immoos
Muttenz. Thomas Weber, seit 2013 Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, war der ungetreuen Amtsführung angeklagt. Er soll der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle (ZAK) in den Jahren 2014 und 2015 200 000 Franken zu viel ausbezahlt haben. Die ZAK war über ein unübersichtliches Konstrukt eng mit der Wirtschaftskammer Baselland verbunden. Mit einer Leistungsvereinbarung sollte sie – im Auftrag des Kantons – Arbeitsmarktkontrollen durchführen. Dies zu einer überhöhten Pauschalentschädigung, wie die Anklage von Staatsanwalt János Fábián feststellte.
Da Weber und der Vorsteher des Kantonalen Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) zu wenig genau hingeschaut hätten, kam es schliesslich zur Anklage wegen ungetreuer Amtsführung gegen Weber und wegen Gehilfenschaft gegen Keller. Der Staatsanwalt hatte eine zwölfmonatige bedingte Strafe gegen den Regierungsrat und eine Geldstrafe gegen den Kiga-Chef beantragt.
Zu Beginn seiner Urteilsverkündung erteilte der Gerichtspräsident Webers Anwalt Andreas Schröder eine Rüge, weil er in seinem Plädoyer Staatsanwalt János Fábián persönlich angegriffen und der Lüge sowie des perfiden Vorgehens im Lauf der Untersuchung bezichtigt habe. Der Staatsanwalt habe aber «seriös und akribisch ermittelt». Auch bedeute der Freispruch nicht, dass der Staatsanwalt schlecht gearbeitet habe.
Falsche Personen vor Gericht
In seinem Urteil sprach Gerichtspräsident Schröder deutliche Worte an die Adresse der Wirtschaftskammer (WK). Aus diesen wurde klar, dass eigentlich die falschen Personen vor Gericht standen. Die Wirtschaftskammer habe die ZAK als «leere Hülle» benutzt; organisatorisch habe eine grosse Intransparenz bestanden. Aber alle hätten der ZAK vertraut – Regierungsrat, Verwaltung und Landrat. Letzterer hatte die gesetzliche Grundlage für eine neue Leistungsvereinbarung mit der ZAK geschaffen.
Der einzige Zeuge der Anklage, der ehemalige ZAK-Geschäftsführer Markus Rohrer, zeigte auf, wie die Wirtschaftskammer Druck auf Regierung und Verwaltung ausübte und bewusst unübersichtliche Strukturen schuf. Und wie die ZAK bei Weitem nicht so viele Kontrollen durchgeführt habe, wie vereinbart. Auch habe die ZAK mit ihren drei Angestellten 70 Prozent der Mietkosten in einem Bürogebäude tragen müssen, während der andere Mieter, ebenfalls eine Suborganisation der Wirtschaftskammer, mit acht Angestellten lediglich 30 Prozent übernahm.
Die Erkenntnisse des Verfahrens «werfen ein beunruhigendes Licht auf die Wirtschaftskammer», stellte Schröder fest. Weber und Keller könne kein Vorwurf gemacht werden, da das Gesetz vom Landrat genehmigt worden sei – samt der jährlichen Pauschalentschädigung an die ZAK. «Das pflichtwidrige Verhalten lag in der Schlechterfüllung des Auftrags durch die ZAK», so Schröder. Aus der Zeugenaussage sei klar hervorgegangen, dass dem ZAK-Geschäftsführer geplante heikle Betriebskontrollen – etwa gegen Rofra oder Ikea – entzogen und zur Chefsache erklärt wurden, wodurch die Angelegenheit beim WK-Direktor Christoph Buser landete – und nichts weiter unternommen wurde. Bei den beiden Angeschuldigten fehle der Vorsatz der ungetreuen Amtsführung. Denn sie konnten nicht voraussehen, dass der Auftrag schlecht erfüllt werden würde; auch hätten sie dies nicht in Kauf genommen oder gar gebilligt. Viele der Vorwürfe habe man erst im Nachhinein erkennen können. «Aus damaliger Sicht und mit dem damaligen Wissen» sei das Verhalten Webers und Kellers nicht zu beanstanden. Man dürfe nicht zu hohe Massstäbe ansetzen zu einem Zeitpunkt, in dem man über mehr Einsicht verfüge.
Weber: «drei belastende Jahre»
Regierungsrat Weber wurde vom Gerichtspräsidenten sogar ausdrücklich gelobt. Er habe nämlich bereits Ende 2015 Schadenersatzforderungen von 380 000 Franken gegen die ZAK gestellt, weil deren Leistungen ungenügend waren. Ausserdem habe er in den vergangenen Jahren die Arbeitsmarktkontrolle neu organisiert, sodass sie ihrer Aufgabe auch nachkommen könne. Gerichtspräsident Andreas Schröder stufte die Aussage des Zeugen als sehr glaubwürdig ein, das Verhalten der Wirtschaftskammer als «sehr beunruhigend». Deshalb empfahl er dem Gesetzgeber, die Angelegenheit aufzuarbeiten.
Nach dem Urteil zeigte sich Regierungsrat Thomas Weber erleichtert. Allerdings habe er damit gerechnet. «Die drei Jahre des Verfahrens waren aber sehr belastend für mich und meine Direktion», räumt er ein. Staatsanwalt János Fábián verzichtet auf einen Weiterzug, sodass die beiden Freisprüche rechtskräftig werden dürften.
Reaktionen auf den Freispruch von Thomas Weber
vs. «So», schrieb der Baselbieter Regierungsrat Thomas Weber in einem Facebook-Post nach seinem Freispruch. Im dazugehörigen Bild: eine Flasche «Tignanello» (Jahrgang 2011) und zwei bereits gefüllte Gläser dazu. Die Kommentarspalte zum «Post» lässt keine Zweifel offen: Der edle Tropfen wird ihm zumindest von seinen Freunden von Herzen gegönnt. Thomas Weber selbst zeigte sich nach dem Freispruch in Muttenz gegenüber dem «Regionaljournal» von SRF erleichtert. Er sei froh über das Urteil, das beweise, dass der Rechtsstaat immer noch funktionere. Die neuen Gesetze und Leistungsvereinbarungen würden solche Vorgänge künftig verhindern. Gleichwohl müssten nun aber gewisse Vorgänge im Zusammenhang mit der ZAK auf der politischen Ebene aufgearbeitet werden. Das sei insbesondere die Arbeit der parlamentarischen Gremien.
Der gesamte Baselbieter Regierungsrat teilte nach dem Urteil lediglich mit, er begrüsse es, dass der Sachverhalt durch das Strafgericht geklärt werden konnte. Ausführlicher äusserte sich Webers Partei, die SVP: Mit dem Urteil stehe fest, dass Thomas Weber im Zuge seiner Regierungsarbeit rund um die Arbeitsmarktkontrollen korrekt gehandelt habe. Es bestätige die Rechtschaffenheit und das pflichtbewusste, integre Schaffen Webers. Demgegenüber dürfe nun die Frage gestellt werden, so die SVP, ob sich die Baselbieter Staatsanwaltschaft in dem Fall verrannt habe. Bereits im Zuge der Strafermittlungen hätte sich zeigen müssen, dass nur eine Einstellung des Verfahrens infrage gekommen wäre, schreibt die Partei. Die Junge SVP fordert zudem, die Arbeit der Staatsanwaltschaft müsse in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch hinterfragt werden. Erkenntnisse und allfällige Konsequenzen seien klar zu nennen und umzusetzen.
Mit einer öffentlichen Mitteilung hat sich auch die SP zum Urteil geäussert. Unter dem Titel «Eine ZAK darf es nie mehr geben» hält die Partei fest, dass die gerichtliche Klärung angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen Thomas Weber wichtig gewesen sei. Zu bedauern sei hingegen, dass Weber trotz des grossen öffentlichen Interesses eine Aussage vor Gericht verweigerte. Es müsse nun alles unternommen werden, «dass in Zukunft verfilzte Strukturen und finanzielle Abhängigkeiten, wie es sie bei der ZAK gegeben hat», nicht mehr vorkommen. Für die Baselbieter Jungsozialisten bleibt nach Webers Freispruch gleichwohl ein «fahler Beigeschmack». Das Verfahren habe einmal mehr gezeigt, dass die Baselbieter Politik von Filz durchzogen sei.