Anfragen aus ganz Europa
11.06.2021 Energie/Umwelt, Waldenburg, WirtschaftElmar Gächter
Es bleibt kein Stein auf dem andern. Und so erstaunt es nicht, wie viel Material die Waldenburgerbahn auf ihrer 13 Kilometer langen Neubaustrecke verschlingt (siehe Kasten). Nicht weniger imposant sind die enormen Mengen Material, die ausgebaggert, ...
Elmar Gächter
Es bleibt kein Stein auf dem andern. Und so erstaunt es nicht, wie viel Material die Waldenburgerbahn auf ihrer 13 Kilometer langen Neubaustrecke verschlingt (siehe Kasten). Nicht weniger imposant sind die enormen Mengen Material, die ausgebaggert, abgebaut und entfernt werden müssen. Da stellt sich die Frage, ob das alles auf Nimmerwiedersehen in Deponien landet oder doch wieder und in welcher Form Verwendung auf den Neubauflächen findet.
Fabiano Rosa, technischer Leiter des Gesamtprojekts, gibt Entwarnung: «Gegen die Hälfte alles bestehenden Materials wird in irgendeiner Form grösstenteils auf unserer Baustelle wiederverwendet. Nachhaltigkeit wird hier grossgeschrieben.»
Die Wiederaufbereitung und Weiterverwendung insbesondere des Aushubmaterials folgt allerdings auch der Not gehorchend. Die Deponiesituation im Baselbiet ist angespannt, man nehme nur das Beispiel der grössten Deponie, der «Höli» in Liestal. Diese ist weitgehend aufgefüllt, und bis die zur Debatte stehende, aber noch nicht bewilligte Vergrösserung erfolgt ist, wird die neue Waldenburgerbahn längst ihren Betrieb aufgenommen haben.
Wiederverwertung ist Pflicht
Bei Grossbaustellen wie dieser ist zudem ein Entsorgungskonzept vorgeschrieben. Wie die Bau- und Umweltschutzdirektion auf Anfrage mitteilt, müssen die Bauabfälle gemäss Konzept vor Ort getrennt und einer Verwertungs- oder Entsorgungsanlage zugeführt werden. Verwertbare Abfälle müssen nach dem Stand der Technik und mit verhältnismässigem Aufwand grundsätzlich verwertet werden. Das Amt für Umwelt und Energie führt periodisch Baustellenkontrollen durch, an denen auch die Einhaltung des Entsorgungskonzepts überprüft werde.
Fabiano Rosa weist auf das Beispiel des Felsabtrags in Hölstein hin. «In diesem Teilabschnitt haben wir vor, das Material zu brechen und es, statt es zu entsorgen, als Koffermaterial in der Fundationsschicht wiederzuverwenden.» Dies gelte auch für den bestehenden Schotter, der zum grössten Teil bei der Trassee-Entwässerung wiederverwertet werden könne.
Als Bauherrin sei die Baselland Transport AG (BLT) dafür verantwortlich, dass das Material vor dem Aushub geprüft werde. Dem Bauunternehmer obliege es, das Material sauber zu deklarieren und entsprechend zu entsorgen oder aufzubereiten. Stark kontaminiertes Material, wie beispielsweise der teerhaltige Belag, geht als Sonderabfall grösstenteils auf dem Schiffsweg nach Holland, das als Recyclingweltmeister gilt. In Grundwasserschutzzonen setzt die BLT ausschliesslich auf neues, sauberes Material.
Während die Weichen und Stellwerkanlagen ihren Weg zur Zillertalbahn in Österreich finden, werden die rund 2400 Tonnen Schienen zum grössten Teil recycliert. «Der Preis für Stahl ist zurzeit so hoch, dass Anfragen von Recyclingfirmen aus ganz Europa an uns herangetragen wurden», so Fabiano Rosa. Selbst die Fahrleitungsmasten fanden problemlos Absatz. Mehr als 20 davon wurden von Landwirten aus dem WB-Tal übernommen.
Viele Produkte aus der Schweiz
Auch die Hardware der Sicherungsanlagen bei den Niveauübergängen, die in den letzten Jahren für mehr als 10 Millionen Franken erneuert wurde, wird laut BLT-Projektleiter Patrick Zeller wiederverwendet. «Die Anlagen werden sicherheitsmässig auf den neuesten Stand gebracht, wobei die Holmen, die Antriebe und die Masten für die Blinklichter von den Lieferanten revidiert und wieder installiert werden.»
Bei ihrer Einkaufsphilosophie legt die BLT gemäss Fabiano Rosa grossen Wert auf die Dienstleistungen. «Diese stehen und fallen mit der Kundenberatung und dem Standort der Dienstleister.» So gebe es bei der festen Fahrbahn wie in Oberdorf oder Hölstein verschiedene Systeme. Aufgrund der Kosten-Nutzen-Analyse habe man sich für ein Produkt entschieden, das eine Kundenbetreuung in der Schweiz habe und von hier betreut werde.
Die meisten Hauptprodukte, die für den WB-Neubau verwendet werden, stammten aus Schweizer Produktion, wie Kies, Beton oder Belag. Der Schotter kommt aus Deutschland, wo er fertig gebrochen mit dem Schiff über den Rhein angeliefert und in Hüningen in einem Zwischenlager deponiert wird. Die Schienen liefert eine Giesserei aus Österreich, die Weichen werden im Tessin hergestellt.
Die BLT kauft alle relevanten Komponenten selber ein. «Wir haben mit allen Lieferanten Verträge abgeschlossen, dass fristgerecht geliefert werden kann», hält Fabiano Rosa fest. Die Lieferungen wurden öffentlich ausgeschrieben, wobei möglichst kurze Transportdistanzen ein wichtiges Kriterium gewesen seien.
Materialbedarf für die WB-Erneuerung
emg. Es sind Tonnen von Material in Bewegung. So unter anderem 5000 Tonnen Schwellen, 2400 Tonnen Schienen, 45 000 Tonnen Aushub Alt-Schotter, 300 000 Tonnen Aushub, 216 Fahrleitungsmasten, 1900 Tonnen Kabelkanal, 700 Tonnen Mastfundamente, 280 000 Tonnen Kiessand/Hinterfüllung, 56 000 Tonnen Frischbeton.
NACHGEFRAGT | ALEX GYSIN, GYSINTIEFBAU AG
«Wir wollen Ressourcen schonen»
emg. Alex Gysins Firma Gysin Tiefbau AG ist in verschiedenen Losen des WB-Neubaus involviert und betreibt auf dem ehemaligen Campingplatz in Hölstein eine grössere Zwischendeponie.
Herr Gysin, welche Materialien lagern Sie hier und welche werden wiederverwertet?
Alex Gysin: Wir bereiten hier alles auf, was recyclierbar ist: Schotter,
Beton, Betonteile oder Strassenaufbruchmaterial. Wir brechen das Material und bereiten es so auf, dass es als Unterbaumaterial für den Neubau verwendet werden kann. Wir haben zu diesem Zweck einen Breder-Brecher gemietet.
In welchem Zustand kommt das Material bei Ihnen an?
Dies ist sehr unterschiedlich. Das Material wird ja vor der Anlieferung geprüft. Ganz sauberer Schotter wird vor Ort wiederverwendet, leicht belasteter kommt zum Teil in unsere eigene Deponie Typ B in Bennwil. Stark belastetes Material muss gewaschen werden oder wird nach Holland exportiert. Wir selber haben keine Möglichkeit, dieses Material zu säubern.
Lohnt sich das Aufbereiten des Materials auch finanziell?
Selbstverständlich wollen wir primär Ressourcen schonen. Aber das Aufbereiten hat auch den positiven unternehmerischen Effekt, dass es kostengünstiger ist. Wir haben sehr kurze Transportdistanzen und die Deponiegebühren fallen weg. Aber man muss sich im Klaren darüber sein, dass bei den Preisen ein knallharter Markt besteht. Deshalb habe ich schon früh vorausgeschaut und den ehemaligen Campingplatz gekauft, um Umschlagsflächen anbieten zu können.