Eine Liebeserklärung an das Tal
06.05.2021 Bezirk Waldenburg, Waldenburg, Kultur, Region
Robert Bösiger
Weshalb könnte man das neue Buch des Baselbieter Autors Thomas Schweizer mit dem nicht auf Anhieb zugänglichen Namen «Jurasan» lesen? Vielleicht, um zu erfahren, was Schweizer, eben erst 81 Jahre alt geworden, zu sagen hat und dabei ...
Robert Bösiger
Weshalb könnte man das neue Buch des Baselbieter Autors Thomas Schweizer mit dem nicht auf Anhieb zugänglichen Namen «Jurasan» lesen? Vielleicht, um zu erfahren, was Schweizer, eben erst 81 Jahre alt geworden, zu sagen hat und dabei womöglich zu erfahren, was es mit diesem Titel auf sich hat? Denn auch der Untertitel «Erinnerungen und Geschichten zwischen Chirsipfäffer und Energy Drinks» kann zunächst auch nicht weiterhelfen.
So machen wir uns auf, in diese Erinnerungen einzutauchen. In die Erinnerungen eines Mannes, der im Waldenburgertal – genauer: in Oberdorf – geboren wurde. Und zwar, wie er einst sagte, «in die gefährlichste Zeit, in der die Schweiz je war». Tatsächlich stand damals im Frühjahr 1940 die Hitler-Reichsarmee bereit und hierzulande befürchtete man, sie könnten durch helvetisches Territorium – durch die Nordwestschweiz – nach Frankreich vordringen.
Thomas Schweizer, der zunächst in Waldenburg die Realschule besuchte – übrigens zusammen mit dem späteren SVP-Regierungsrat Werner Spitteler (1940–2019) – und dann in die Romandie «flüchtete», um in Neuenburg das Gymnasium zu besuchen, studierte danach an der Uni Basel und wurde Lehrer. Zusammen mit seiner Frau Susanne zog er nach Füllinsdorf. Doch irgendwie zog es ihn immer wieder magnetisch «nach Hause» ins Waldenburgertal.
Nach seiner Pensionierung im Jahr 2002 verfiel Schweizer seinem Drang zum Schreiben vollends. Und er publizierte neben Kolumnen gut ein Dutzend Bücher und Auftragswerke. Nicht selten ging es inhaltlich um «sein» Tal und darum, Persönlichkeiten von dort zu porträtieren. So dreht sich auch das neue Werk «Jurasan» um das Leben und die Gegebenheiten, die im Waldenburgertal spielen.
Tal der Widersprüchlichkeiten
Schweizer sagt dazu: «Jurasan ist für mich eine als beklemmend empfundene Liebeserklärung an das Tal meiner Kindheit, an das oft vernachlässigte, übersehene und wirtschaftlich arg gebeutelte Tal mit seinen strebsamen Menschen, denen ich so viel zu verdanken habe.» Hinzuzufügen wäre wohl noch, dass der Autor sich seinem Tal nicht vorbehaltlos nähert, sondern mit dem kritisch-wohlwollenden Blick eines Mannes, der die Region als Ganzes kennen- und schätzen gelernt hat. So sind durchaus auch kritische Töne zu vernehmen.
Der Autor kramt für dieses Werk tief in seinen persönlichen Erinnerungen, verknüpft diese dann aber mit fiktiven Personen und Handlungen. Genau das macht die einzelnen Kapitel spannend und lesenswert. Selber sagt er dazu: «Ich bin generell kein Sammler, werfe aber eines nicht weg – die Erinnerungen.»
Selbst wenn nicht alle unsere Fragen restlos beantwortet werden nach der Lektüre des Buches: Immerhin in ein paar Punkten ist uns ein Licht aufgegangen. Nämlich, dass einige der geschilderten Personen – als Beispiele seien genannt Kari Vogelsang, Martin «Chrättli Märti» Krattiger, eventuell sogar Lehrer Jenny – sozusagen Alter Egos von Thomas Schweizer sind. Erstens. Und zweitens, dass «Jurasan» deshalb durchaus autobiografische Züge aufweist. Drittens liesse sich noch anfügen, dass es damals tatsächlich ein Mineralwasser gleichen Namens gab, das aus der Waldenburger Schlossquelle stammte und in Oberdorf verarbeitet wurde.
Tal der Entdeckungen
«Jurasan» ist, so gesehen, in der Tat eine Liebeserklärung an das Tal seiner Kindheit. Aus der Warte eines Zeitgenossen allerdings, der die Welt gesehen hat, gelingt es ihm, die womöglich verklärt-sehnsüchtigen Erinnerungen und die neuen, beileibe nicht nur schönen Realitäten miteinander zu verbinden. «Chirsipfäffer» und «Energy Drinks» eben.
Genau diese Offenheit, dies zuzulassen und darüber zu reflektieren, macht das Buch «Jurasan» lesenswert. Und Thomas Schweizer zu dem, als was er gemäss eigenen Aussagen gerne wahrgenommen werden möchte: als Botschafter des Waldenburgertals.
Nachbemerkung: Gut vorstellbar, dass die Leserinnen und Leser durch die Lektüre ermuntert werden, sich das ebenso vernachlässigte wie derzeit im Wandel begriffene Waldenburgertal näher anzusehen und zu entdecken. Viel Vergnügen dabei!