Echtes Geld für falsche Liebe
07.05.2021 BaselbietMittels Lügen und Sex soll eine Frau fast 800 000 Franken ertrogen haben
Während rund fünf Jahren hat eine heute 40-jährige Frau unter Vorgaukelung von Liebe und Freundschaft insgesamt fast 800 000 Franken von älteren Männern ertrogen. Im Oberbaselbiet bezog ...
Mittels Lügen und Sex soll eine Frau fast 800 000 Franken ertrogen haben
Während rund fünf Jahren hat eine heute 40-jährige Frau unter Vorgaukelung von Liebe und Freundschaft insgesamt fast 800 000 Franken von älteren Männern ertrogen. Im Oberbaselbiet bezog sie gleichzeitig Sozialhilfe. Nun steht sie gemeinsam mit ihrer Mutter vor Gericht.
Sebastian Schanzer
2012: In einer Zürcher Bar machte eine etwa 32-jährige verheiratete Frau − sie bezog zu dieser Zeit Sozialhilfe in einer Oberbaselbieter Gemeinde − die Bekanntschaft mit einem älteren Herrn. Der Mann, «von gutmütiger und hilfsbereiter Wesensart», ging mit ihr bald ein freundschaftliches und sexuelles Verhältnis ein und schenkte ihr sein Vertrauen. Ihre Erzählungen von privaten Problemen und persönlichem Leid weckten sein Mitgefühl und so öffnete er gutgläubig sein Portemonnaie, als sie erstmals um ein Darlehen von 700 Franken bat. Die darauffolgenden Zahlungen allein von diesem Mann sollten sich bis zum Februar 2015 auf insgesamt 550 000 Franken summieren.
So zumindest steht es in der Anklageschrift der Verhandlung am Baselbieter Strafgericht, die gestern begonnen hat. Der Frau wird unter anderem vorgeworfen, sich durch eine Vielzahl von Betrugshandlungen des gewerbsmässigen Betrugs schuldig gemacht zu haben. Insgesamt sieben Kläger, darunter auch die oben erwähnte Sozialhilfebehörde, fordern Schadenersatz. Von den Geschädigten soll die Frau, teilweise unterstützt von ihrer Mutter, innert fünf Jahren fast 800 000 Franken erlangt haben.
Fingierte Notlagen
Das immer gleiche Vorgehen ist in seiner Unverfrorenheit fast nicht zu übertreffen. Den älteren Männern, drei davon stammen aus dem Einzugsgebiet der «Volksstimme», gaukelte die Frau eine Freundschaft oder sogar Liebe vor, um ihnen dann ihr persönliches Leid auszubreiten: Ihre Tochter sei verstorben, ihre Mutter ermordet worden, sie habe die Arbeit verloren, könne ihre Schulden und Rechnungen nicht bezahlen. Um möglichst viel Geld zu erlangen, errichtete sie «eine endlose Abfolge fingierter finanzieller Notlagen», aus der ihr die Männer helfen sollten, schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift.
Das Geld benutzte sie, so die Anklage, um ihrem «verschwenderischen Lebensstil» nachzugehen, Ferien oder Verwandtenbesuche in Brasilien zu finanzieren.
Erfolgreiches Hinhalten
Die Frau beteuerte ihren Gläubigern entgegen ihrer wahren Absicht stets, die Darlehen zurückzubezahlen, wie aus der Anklage zu erfahren ist. So kümmere sie sich um eine Anstellung und habe beispielsweise ein Haus im Wert von bis zu einer Million Franken in ihrer Heimat in Brasilien geerbt. Angeblich um es vor Ort zu verkaufen, liess sie sich Reisen und Hotelaufenthalte in Brasilien finanzieren.
Gestützt wurde die Frau dabei teilweise von ihrer Mutter. Diese bezeugte gegenüber den Geschädigten die Wahrheit der Angaben ihrer Tochter, ja, in einem besonders dreisten Fall wandte sie das beschriebene Vorgehen sogar selbst an. Dreist, weil der betroffene Mann infolge seiner Erkrankung an Parkinson an einer körperlichen und geistigen Einschränkung leidet. Innert eineinhalb Jahren knüpfte sie ihm 15 400 Franken ab.
Die Anklage geht jeweils davon aus, dass die betrogenen Männer keine Chance hatten, das falsche Spiel zu durchschauen, die Angaben der Frauen seien oft nicht zu überprüfen gewesen.
Mehrere Konten verheimlicht
Auch die Sozialhilfebehörde ihrer damaligen Oberbaselbieter Wohngemeinde schöpfte offenbar keinen Verdacht, als die jüngere der beiden Frauen in den Jahren 2012 sowie 2014/15 Antrag auf Unterstützung stellte. Entgegen ihrer Pflicht habe die Frau ihre finanziellen Verhältnisse nicht vollständig offengelegt. Vielmehr verheimlichte sie, dass sie über mehrere Post- und Bankkonten verfügte, auf denen sie in den Jahren zuvor regelmässig Einkünfte in der Höhe von mehreren Hunderttausend Franken erzielt hatte. Die Mitarbeitenden der Behörde hätten also auf keinen Fall wissen können, dass die Frau auch während des Bezugs von Sozialhilfegeldern undeklarierte Einkünfte erzielte. Während sie konkret zwischen Februar und Juli 2012 rund 11 000 Franken Sozialhilfe erhielt, verbuchte die Frau durch ihren Schwindel zusätzliche Einnahmen von knapp 94 000 Franken.
Für die gestern gestartete Verhandlung hat das Baselbieter Strafgericht insgesammt fünf Tage eingeplant. Das Urteil soll Ende Mai fallen.