AUFBRUCH AUS DEM LOCKDOWN? | SLAM-POET LAURIN BUSER
07.05.2021 Gesellschaft«Himmelschreiende Ungerechtigkeiten»
Was tut ein vielseitiger Weltenbummler, der in einer Pandemie gezwungenermassen vermehrt zu Hause bleiben muss? Im Kleiderschrank neue Songs aufnehmen. Musikerin Ira May im Gespräch mit Poetry-Slam-Künstler und ...
«Himmelschreiende Ungerechtigkeiten»
Was tut ein vielseitiger Weltenbummler, der in einer Pandemie gezwungenermassen vermehrt zu Hause bleiben muss? Im Kleiderschrank neue Songs aufnehmen. Musikerin Ira May im Gespräch mit Poetry-Slam-Künstler und Multitalent Laurin Buser. Teil 4 unserer Serie.
Ira May
Wie sah dein Leben vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie aus?
Laurin Buser: Ich fuhr sehr viel im gesamten deutschsprachigen Raum herum: Hier ein Auftritt, dort ein Dreh, kurz für ein Meeting dahin, mal für ein paar Tage ins Studio dorthin. Zuhausesein war relativ selten.
Wie sieht dein Leben seit März 2020 aus?
Ich bin selbstverständlich viel mehr zu Hause. Die allermeisten Shows wurden ja abgesagt, Meetings finden online statt, Songs nehme ich vermehrt im Homestudio auf. Und Homestudio bedeutet bei mir: Mikrofon in den Kleiderschrank stellen und Bettdecke drüber für eine gute Akustik. Kann also noch ausgebaut werden. Ich fokussiere mich einfach viel mehr auf das Schreiben und das Produzieren von Musik und Videos.
Inwiefern kannst du deine Kunst in dieser Zeit leben?
Das Schreiben an Texten und Songs ist trotz allem möglich. Sobald es aber zu menschlicher Interaktion kommt – beispielsweise bei Videodrehs oder Proben – wird es halt rasch komplizierter. Letzthin mussten wir einen ganzen Dreh mit kompletter Filmcrew verschieben, weil die Hauptdarstellerin in Quarantäne war. Oder bei den Drehs für Musikvideos für das Stück «Räuber Hotzenplotz» am Theater Basel, bei welchem ich Regie führte, hatten wir das Problem, dass zu der Zeit nur fünf Personen im öffentlichen Raum zusammenkommen durften. Das macht einen Dreh schwierig.
Konntest du Nothilfe vom Bund in Anspruch nehmen?
Ja. Aber man war schon in einer argen bürokratischen Bringschuld, obwohl wir ja faktisch von einem Berufsverbot betroffen waren und sind.
Wie hältst du dich mental fit?
Austausch mit Freundinnen und Freunden, viel lesen und: Ich habe neuerdings Vitaparcours für mich entdeckt. Aber es gibt solche und solche Tage. Es ist psychisch wahrlich nicht immer einfach, mit dieser Situation umzugehen.
Denkt man als Künstler in dieser Situation auch einmal ans Aufgeben?
Ich persönlich sah mich dazu nicht gezwungen, aber da spreche ich aus einer relativ privilegierten Position. Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Branche mussten – zumindest vorübergehend – umsatteln. Mein Deutschland-Booker zum Beispiel arbeitet seit einigen Monaten auf dem Bau, um seine Miete reinzubekommen. Aber worauf ich keine Lust hatte, war, weitere Liveshows zu entwickeln, die dann gar nicht oder erst viel später aufgeführt werden. Das ist viel zu frustrierend. So haben auch Fatima Moumouni und ich Anfang Jahr entschieden, das Schreiben unseres neuen Abendprogramms um mindestens ein Jahr zu verschieben. Wenn nicht klar ist, ob wir überhaupt spielen können, hätte sich das Proben für mich zu sehr nach Beschäftigungstherapie angefühlt.
Ab wann rechnest du wieder mit einer gewissen Normalität?
Ich habe aufgehört, in dieser Frage den Liveticker zu verfolgen. Ich gehe davon aus, dass wir erst nächstes Jahr wieder «normale» Veranstaltungen erleben werden, mit voll ausgelasteten Innenräumen und ohne Masken.
Deine Tipps für «Leidensgenossen»?
Erinnert euch an die erste Welle und die damit einhergehenden Gefühle der Solidarität! Dieses Gefühl konservieren, ausbauen, weiterdenken und auch dann anwenden, wenn es nicht um einen selber geht. Ich will wirklich nichts relativieren, unsere Branche hat es schwer. Aber diese Krise hat so himmelschreiende Ungerechtigkeiten auf dieser Welt offenbart, da kann ich die Leiden von uns Schweizer Kulturschaffenden wahrlich nicht als einziges Problem betrachten.
Wo findet man dich?
Online. Am aktivsten bin ich auf Instagram. Vor einer Woche ist meine neue Single «Es hört nie auf» erschienen, die findet man auf allen gängigen Plattformen. Und nein, in dem Lied geht es nicht um die Pandemie …
Was ist dein grosser Traum?
Ich will Konzerte spielen in schwitzigen Klubs, wo alle eng an eng tanzen. Ansonsten selbstverständlich Weltfrieden!
Die Musikerin Ira May ist in Gelterkinden aufgewachsen. Mit bürgerlichem Namen heisst sie Iris Bösiger.
Persönlich
im. Laurin Buser ist 1991 geboren und in Muttenz aufgewachsen. Er besuchte die Rudolf-Steiner-Schule im Birseck. Seine Eltern sind der Schauspieler und Musiker Daniel Buser und die Regisseurin Dalit Bloch. Er tritt seit 2007 bei Poetry-Slams auf und hat seither stetig Aufmerksamkeit erlangt. Im selben Jahr wurde er Schweizer U20-Meister und 2010 deutschsprachiger U20-Meister im Poetry-Slam. 2010 erhielt er den Förderpreis des Kantons Baselland. Buser war Gast des Internationalen Literaturfestivals in Berlin 2011. Im Jahr 2014 veröffentlichte er die EP «Nachtaktiv», seit 2015 bildet Laurin Buser mit Fatima Moumouni das Duo «Zum Goldenen Schmied». 2017 veröffentlichte er beim Label «Kunst-WerkStadt» die EP «SCHMUCK».
Buser hat in mehreren Theaterstücken sowie in Videoclips mitgewirkt. Von 2017 bis 2019 war Buser tätig für das Webvideoformat «Jäger & Sammler» des Onlie-Netzwerks «Funk» (ZDF). Er ist Teil des «Club d’Inspiration» bei der Umweltorganisation Greenpeace Schweiz.