Armut im Baselbiet: SP macht weiter Druck
06.05.2021 BaselbietRegierung lehnt SP-Vorstösse aber mehrheitlich ab
Der kantonale Armutsbericht löste im vergangenen Jahr Entsetzen aus. Der Regierungsrat versprach danach ein Massnahmenpaket, um der Armut im Kanton entgegenzuwirken. Die SP befürchtet, dass dieses auch wegen Corona klein ...
Regierung lehnt SP-Vorstösse aber mehrheitlich ab
Der kantonale Armutsbericht löste im vergangenen Jahr Entsetzen aus. Der Regierungsrat versprach danach ein Massnahmenpaket, um der Armut im Kanton entgegenzuwirken. Die SP befürchtet, dass dieses auch wegen Corona klein ausfallen könnte.
Tobias Gfeller
Im Baselbiet sind über 25 000 Menschen direkt von Armut betroffen. Das sind knapp 9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ab dem 65. Altersjahr ist jede fünfte Person armutsgefährdet. Diese Zahlen präsentierte Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) vor einem Jahr, als er den Armutsbericht vorstellte, den der Kanton in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) basierend auf Daten aus dem Jahr 2017 erarbeitet hatte. Die Zahlen lösten in der Baselbieter Politik bisweilen Entsetzen aus.
Lauber versprach umgehend, Massnahmen zu ergreifen und der Verhinderung und Bekämpfug von Armut mehr Gewicht zu geben. Unter anderem soll die Frühförderung intensiviert und der Zugang zum Wohnungsmarkt trotz Schulden erleichtert werden. Insgesamt präsentierte Lauber 46 Einzelmassnahmen, in die auch mehrere Hilfswerke und die Gemeinden eingebunden sind. Doch das reicht der Baselbieter SP nicht. Sie reichte erst gerade ein Vorstosspaket im Landrat ein, das die Regierung mehrheitlich zur Ablehnung empfiehlt.
Schiebt Kanton Verantwortung ab?
«Wir wollen Druck machen, damit das Thema nicht vergessen geht», erklärt die Liestaler SP-Landrätin Pascale Meschberger, die mit einem Vorstoss den kantonalen Armutsbericht erst ausgelöst hat. Weil Massnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Armut stets mit Ausgaben verbunden sind, befürchtet Meschberger, dass diese aufgrund der Ausgaben im Rahmen der Corona-Pandemie wieder unter Druck geraten könnten. Gerade Obdachlose und Randständige hätten im Kanton Baselland keine Lobby, die sich für sie einsetzt, warnt Meschberger. «Wir wollen verhindern, dass diese Menschen unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden.»
Unter anderem forderte die SP-Fraktion in ihren Vorstössen, neben vermehrten Anstrengungen für Obdachlose mit Übernachtungs- und warmen Verpflegungsmöglichkeiten, Anstrengungen im Bereich genossenschaftliches Wohnen und eine symbolische Entlöhnung in der Höhe von 3 Franken pro Stunde für Asylsuchende, die an Beschäftigungsprogrammen teilnehmen. Es gehe nicht, kritisiert Pascale Meschberger, dass das Baselbiet gerade bei den Obdachlosen die Verantwortung fast komplett Basel-Stadt überlasse.
Erste Massnahmen in Gesetzen
Der Regierungsrat empfiehlt die entsprechenden Vorstösse mit Ausnahme einer verstärkten Prävention vor Sozialhilfe aber zur Ablehnung. Die SP lässt aber nicht locker. Landrätin Pascale Meschberger stellt klar: «Wir werden dranbleiben, bis vom Kanton konkrete Massnahmen vorliegen. Und auch im Rahmen der Diskussionen um das neue Sozialhilfegesetz werden wir uns mit Anträgen einbringen.» Die Befürchtungen der SP seien unbegründet, entgegnet Bartolino Biondi, Sprecher der Finanz- und Kirchendirektion. Gerade Corona habe gezeigt, dass es Handlungsbedarf gebe und diesen habe die Direktion mit der ebenfalls vor einem Jahr vorgestellten Armutsstrategie unter Beweis gestellt. Vereinzelt seien Massnahmen bereits in Gesetzen umgesetzt worden, zum Beispiel im Rahmen der Teilrevision des Sozialhilfegesetzes. Die anderen Massnahmen sollen im Sommer 2022 vorgestellt werden. Bereits im kommenden Sommer gibt die Regierung einen Zwischenbericht ab. Dann werde auch die lancierte Sozialhilfestrategie vorgestellt. «Der Regierungsrat hat bereits gezeigt, dass er es mit seiner Armutsstrategie ernst meint und vorwärtsmacht», betont Biondi.
Zeichen dafür seien auch zwei priorisierte Massnahmen, die ein längerfristiges «Dranbleiben» an der Thematik sicherstellen sollen. Erstens erarbeitet das Kantonale Sozialamt aktuell mit der Fachhochschule Bern ein regelmässiges Armutsmonitoring. Ziel eines solchen Monitorings sei es, regelmässig zentrale Kennzahlen in Bezug auf die Armutssituation zu erheben. Zweitens wird eine Kommission für Armutsfragen eingesetzt, welche die weitere Umsetzung begleiten soll. Mit der Einrichtung eines solchen Gefässes soll gemäss Bartolino Biondi sichergestellt werden, dass die relevanten Akteurinnen und Akteure einer ganzheitlichen Armutspolitik zusammengebracht und die Abstimmung der verschiedenen armutspolitischen Massnahmen über einzelne Politikfelder hinaus ermöglicht werden.
Auch den Vorwurf, Baselland würde Obdachlose an Basel-Stadt abschieben, wehrt die Finanzdirektion entschieden ab. Für Obdachlose seien primär die Gemeinden zuständig und eine kürzlich erfolgte Umfrage habe gezeigt, dass diese sehr wohl in der Lage seien, diesbezüglich zu agieren, stellt Bartolino Biondi klar. «Der grösste Teil der Obdachlosen wird von den Gemeinden in Pensionen, Hotelzimmern und eigenen Liegenschaften – beispielsweise vorübergehend ungenutzte Asylunterkünfte − untergebracht. Diese Unterbringungsarten haben häufig einen höheren Standard als die Basler Notschlafstelle.»