Forschung für die Praxis im Agroscope Steinobstzentrum Breitenhof
16.04.2021 Baselbiet, Energie/Umwelt, Wintersingen, LandwirtschaftAndres Klein
Auf dem Gebiet des «Breitenhofs» in Wintersingen wird nicht nur das Erbgut alter Steinobstsorten bewahrt, sondern es wird intensiv geforscht. Hier stehen aber nicht Reagenzgläser oder Massenspektrometer im Zentrum, sondern lebende Bäume. Auf acht Hektaren ...
Andres Klein
Auf dem Gebiet des «Breitenhofs» in Wintersingen wird nicht nur das Erbgut alter Steinobstsorten bewahrt, sondern es wird intensiv geforscht. Hier stehen aber nicht Reagenzgläser oder Massenspektrometer im Zentrum, sondern lebende Bäume. Auf acht Hektaren stehen rund 4000 Bäume, meist Kirschen-, Zwetschgen-, Aprikosen- und neuerdings auch Baumnussbäume (die «Volksstimme» berichtete).
Ein kleines Team von vier bis sechs Personen (je nach Jahreszeit) forscht unter der Leitung von Thomas Schwizer vielseitig und praxisnah, damit die schweizerischen Landwirte ihren Obstbau effizient, ertragreich und möglichst ökologisch gestalten können. Hier werden neue Sorten auf ihre Eignung, Klimaverträglichkeit und Qualität getestet. Die geeignete Anbautechnik wird gesucht und immer mehr wird nach effizienten Methoden zur Schädlingsabwehr geforscht. Die Auswirkung von Düngung wird getestet. Ebenso werden Unterlagen auf Wüchsigkeit und Krankheitsresistenz geprüft und geeignete Methoden entwickelt, um die Auswirkung von schlechten Witterungsbedingungen (Spätfrost, Regen, Hagel, Trockenheit) zu vermindern. Neue Maschinen für Bodenbearbeitung, Baumpflege und Fruchternte werden getestet.
Hilfe für die Praktiker
Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Resultate aus den vielen Forschungsprojekten werden in Fachzeitschriften, im Jahresbericht sowie in Publikationen des Bundesamts für Landwirtschaft publiziert. Der Betriebsführer soll vor allem den Praktikerinnen und Praktikern auf den Höfen helfen, die passenden Sorten zu finden, die richtigen Schutz- und Fördermassnahmen zu ergreifen und dadurch ihre Erträge zu optimieren.
Es ist erstaunlich, wie ein so kleines Team ein so breites Forschungsfeld bewältigen kann. Die Effizienz, die im Obstbau gesucht wird, gilt hier in der Arbeit im Freien wie bei der Auswertung am Computer. Finanziert wird das Steinobstzentrum vom Bund, den Kantonen Aargau, Baselland, Bern, Solothurn, dem Schweizer Obstverband und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Zusätzliche Projektpartner sind die Kantone Luzern, Schwyz und Zug. Eine Aufgabe der Forschungstätigkeit wäre aus der Sicht des Leiters aber unverantwortlich und würde mittelfristig den einheimischen Obstbau dezimieren und den Früchteimport stark ankurbeln.
Nicht nur die Finanzen sind eine grosse Herausforderung für das Zentrum, auch die Globalisierung und der Klimawandel verlangen nach neuen Lösungen. Wegen der Globalisierung der Warenströme treten vermehrt bisher unbekannte Schädlinge auf. Im Moment sind die Schäden durch die Kirschessigfliege riesig und die Forschung ist gefordert. Dabei stehen in Wintersingen nicht Insektizide im Zentrum der Forschung, sondern es sind mechanische Abwehrmassnahmen wie spezielle Netze, die getestet werden. Zusätzlich bilden auch die Marmorierte Baumwanze aus Ostasien und der Japankäfer eine Gefahr für den Steinobst-Anbau.
Massnahmen kombinieren
Dass der Klimawandel mit seinen sommerlichen Starkregen und der Sommertrockenheit zur Erntezeit der Kirsche sowie die um fünf bis zehn Tage frühere Kirschblüte die Ernten dezimieren können, ist offensichtlich. Diese Veränderungen verlangen dringend nach Lösungen. Darum laufen vermehrt Versuche mit Abdeckungen und Bewässerung.
Was bei den Versuchen im Steinobstzentrum besonders auffällt, ist die Breite der Lösungsansätze. Es werden synthetische und biologische Spritzmittel ausprobiert, Nützlinge gefördert, Anbauund Bodenbearbeitungsmethoden verändert, Bewässerungsmethoden, Netze und Überdeckung der Kulturen geprüft sowie der Einsatz von Nützlingen wie Wildbienen und Schwebfliegen getestet.
Laut Thomas Schwizer kann den heutigen Herausforderungen nur die Stirn geboten werden, wenn die verschiedenen Massnahmen kombiniert, aufeinander abgestimmt und effizient eingesetzt werden. Es helfe nichts, nur auf synthetische Mittel oder nur auf biologische Bekämpfung von Schädlingen zu schwören. Es sei wichtig, das Effizienteste anzuwenden, das dem gesamten Ökosystem am wenigsten schade. «Optimierung des Ertrages und Minimierung der Schäden» heisst für ihn die Devise.
Während in den vergangenen Jahren die Forschungsprojekte über Schädlinge und Schutzmassnahmen zugenommen haben, hat die Forschung über neue Sorten eher stagniert oder sogar abgenommen. Das ist darauf zurückzuführen, dass weltweit immer weniger neue Obstsorten gezüchtet werden. In der Schweiz findet gar keine Sortenzüchtung für Zwetschgen, Pflaumen und Kirschen mehr statt. Für neue Kirschensorten wird in Mitteleuropa und in Nordamerika geforscht, für Zwetschgen nur noch in Deutschland in kleinem Rahmen, da der Zwetschgenmarkt sehr klein geworden ist. Aprikosensorten werden in Frankreich und Spanien gezüchtet. Diese Sorten befinden sich im Aufwind, da sie sich auch bei unseren jetzigen Klimabedingungen anbauen lassen und der Markt am Wachsen ist.
Jetzt bleibt noch die Hoffnung, dass wir uns all diese spannenden Forschungsprojekte am 29. Mai an der ersten Breitenhoftagung ansehen können.