«Es läuft fast alles falsch beim FC Basel»
22.04.2021 Baselbiet, Politik, Bezirk Liestal, Sport, RegionDer ehemalige FCB- und Nationalspieler Walter Mundschin kritisiert Mannschaft und Klubführung
Walter Mundschin befasst sich nach wie vor mit Herzblut mit dem FC Basel, er ist aber auch von anderen Sportarten begeistert und zieht eine positive Bilanz über seine berufliche Laufbahn als ...
Der ehemalige FCB- und Nationalspieler Walter Mundschin kritisiert Mannschaft und Klubführung
Walter Mundschin befasst sich nach wie vor mit Herzblut mit dem FC Basel, er ist aber auch von anderen Sportarten begeistert und zieht eine positive Bilanz über seine berufliche Laufbahn als Baselbieter Landschreiber.
Andreas Bitterlin
Herr Mundschin, spielen Sie mit Ihren 74 Jahren noch Fussball?
Walter Mundschin: Nein, seit 15 Jahren nicht mehr. Im Rahmen eines Freundschaftsspiels mit dem FC Landrat habe ich mir schon beim Einlaufen eine Zerrung eingefangen. Deshalb sagte ich mir: «So, jetzt ist fertig, ich bin zu alt für den aktiven Fussball.» Ich habe gewechselt zum Skifahren – alpin und Skitouren –, zum Velofahren mit dem Mountainbike und dem Rennvelo und zum Tennis. Das alles bereitet mir nahezu ebenso viel Spass wie Fussballspielen.
Zu Ihren Zeiten in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war der FC Basel Serienmeister, jetzt steckt er in einer Krise. Was läuft zurzeit falsch beim FCB?
Es läuft fast alles falsch. Es stimmt hinten und vorne nicht. Es stimmt nicht in der Führung, in der Mannschaft und in der sportlichen Leitung. Und vor allem korrespondieren die verschiedenen Stufen untereinander mangelhaft. Dass der FCB die schlechteste Mannschaft der Super League in diesem Jahr ist, dokumentiert, dass es um den Klub schlecht bestellt ist. Um Erfolg zu haben, muss alles rundlaufen: Die Mannschaft muss stimmig sein, das Zusammenspiel muss funktionieren, es muss jeder wissen, was der andere tut und jeder muss dasselbe Ziel anstreben. Die Führung muss einen positiven Einfluss auf die Mannschaft haben. All das funktioniert offensichtlich nicht.
Welche Beziehung haben Sie zum Klub? Ist noch Herzblut im Spiel Verfolgen Sie das Geschehen und die Meisterschaft?
Ich verfolge das Geschehen intensiv. Stadionbesuche stehen zwar nicht mehr auf dem Programm, aber ich betrachte die Spiele am Fernseher, wenn sie übertragen werden. Der FCB interessiert mich, und Herzblut ist dabei vorhanden. Ich bin selbstverständlich enttäuscht, wenn er gegen den Ranglisten-Letzten Vaduz verliert und im Cup gegen das Challenge-League-Team Winterthur mit 2:6 ausscheidet. Das sind Resultate, die für einen FC Basel unmöglich sein müssten, es ist eine sportliche Katastrophe. Immerhin gab es zuletzt wieder eine Aufwärtstendenz, seitdem Patrick Rahmen Trainer ist.
Die Fans sind frustriert und gehen auf die Barrikaden. Sie demonstrieren zu Tausenden und verbrannten eine Puppe in der Form von FCB-Chef Bernhard Burgener. Können Sie diese heftigen Reaktionen nachvollziehen?
Ich verstehe die Wut der Fans. Sie wollen Erfolge miterleben. Es sind jeweils auch ihre Erfolge, wenn die Mannschaft gewinnt. Und jetzt sind sie frustriert, also suchen sie einen Sündenbock, den sie in Präsident Burgener gefunden haben. Das ist verständlich, aber einige Formen des Protestes, wie etwa das Verbrennen einer personifizierten Puppe, erachte ich als falsch. Es spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Primär ist die Mannschaft in der Pflicht, und auch der Trainer und die Klubführungen stehen in der Verantwortung.
Der Trainer sei auch ein Erfolgsfaktor, sagen Sie. Der FC Basel hat in der jüngeren Vergangenheit die Trainer mehrmals ausgewechselt; auch erfolgreiche wie Murat Yakin und Urs Fischer, die jeweils in ihren zwei Jahren in der Trainer-Funktion beim FCB zweimal Schweizer Meister wurden, wurden gefeuert.
Ich habe nie begriffen, warum Urs Fischer entlassen worden ist. Er hatte mit der Mannschaft Erfolg, ich beurteile dessen Entlassung als Grössenwahn. Es freut mich sehr, dass Fischer jetzt mit dem kleinen Union Berlin in der deutschen Bundesliga reüssiert. Ich bin fast ein wenig schadenfreudig.
Sie spielten in der langen Zeit beim FC Basel ausschliesslich unter einem Trainer, nämlich Helmut Benthaus, der – heute kaum mehr vorstellbare – 17 Jahre beim selben Klub das Training leitete. Was war sein Erfolgsrezept?
Er brachte Neuerungen: Im Spielsystem, im Training und in der Taktik brachte er neue Facetten ein. Er war ein Vorbild mit seiner Haltung als Spielertrainer auf und als Trainer neben dem Spielfeld. Er kam als kompetenter Bundesligatrainer mit dem Diplom eines Fussball-Lehrers zu uns. Er hatte rasch Erfolg, bereits in seinem zweiten Jahr wurde der FCB Schweizer Meister, was ihm eine gute Basis für sein weiteres Wirken gab. Und er war glaubwürdig. Wir glaubten ihm fast alles, was er weitergab. An all dem scheiterten wahrscheinlich die letzten erfolglosen FCB-Trainer.
Haben Sie noch Kontakt zu Benthaus und zu ehemaligen Mannschaftskollegen?
Intensiven Kontakt pflege ich mit Otto Demarmels, mit dem ich jede Woche Tennis spiele. Mit einigen FCB-Senioren verreise ich im Winter jeweils in ein Skiweekend nach Arosa, an dem auch Helmut Benthaus teilnimmt. Pandemiebedingt fiel der Anlass dieses Jahr allerdings aus.
Sie bezeichnen auch die Leistung der Geschäftsführung als mangelhaft. Welcher Unterschied besteht zwischen der Beziehung der heutigen Spielergeneration und jener von Ihnen zur Vereinsleitung?
Im Vergleich zu heute hatten wir eine sehr schmale Organisation. Es gab damals nur den Präsidenten, den Trainer, den Coach und zwei Masseure. Das war übersichtlich. Die Vereinsstruktur wurde zu Zeiten der Erfolge extrem aufgeblasen. Wenn ich die heutige Situation und unsere damalige Organisation betrachte, dann entspricht das dem Vergleich eines Konzerns mit einem Handwerksbetrieb. Das ist heute nicht mehr finanzierbar. Heute kann der FCB nicht mehr damit rechnen, in der Champions League mitzuspielen und Millionen von Franken zu verdienen, um damit den Betrieb sicherzustellen. Und ohne die Champions League kann der Klub seine Spieler weniger lukrativ verkaufen.
Wie gestaltete sich Ihre persönliche Geschäftsbeziehung zur Vereinsleitung?
Ich habe mit dem Präsidenten meine Verträge verhandelt und abgeschlossen. Von 1975 bis 1978 war ich Captain und habe mit dem Präsidenten die Prämienregelung für die Spieler ausgehandelt. Heute hat jeder Fussballer seinen Vermittler und Berater. Das läuft somit anders, also komplexer und aufwendiger.
Sie haben während Ihrer Karriere ein Ökonomie-Studium absolviert und als lic. rer. pol. abgeschlossen. Funktionierte diese Doppelbelastung reibungslos?
Es klappte. Klar, ich habe das Studium nicht in der Minimalzeit absolviert, ich benötigte mehr Zeit. Das Sommersemester dauerte von März bis Juli, also während der Hochsaison des Fussballs. Diese Sommersemester musste ich meistens abschreiben. Aber es klappte grundsätzlich gut.
Sind Sie unmittelbar nach der Fussballkarriere als Zweiter und später als Erster Landschreiber des Kantons Basel-Landschaft gewählt worden?
Nein, schon während der Fussballkarriere. 1974 wurde ich als Zweiter Landschreiber gewählt, und 1978 hörte ich mit dem Fussball auf. Wenn es Terminkollisionen gab, beispielsweise bei Spielen am Mittwoch oder während der Trainingslager, dann hat der FC Basel dem Kanton Baselland meinen Lohnausfall vergütet für die Zeit, die ich nicht verfügbar war als Landschreiber.
Worin besteht das Pflichtenheft eines Landschreibers?
Der Landschreiber ist die Scharnierstelle zwischen Regierung und Parlament. Sowohl für die Exekutive, also die Regierung, als auch für die Legislative, also für den Landrat inklusive Kommissionen, gehörten die Vorbereitungen und die Nachbereitungen der Sitzungen zu seinem Aufgabenprofil. Der Landschreiber ist des Weiteren zuständig für die Organisation von Abstimmungen und Wahlen. Das gefiel mir, weshalb ich auch 37 Jahre dort gearbeitet habe.
Zu Ihrer Zeit waren im Gegensatz zu heute die Regierungssitzungen öffentlich. Wurde dieses Besuchsrecht von Einwohnerinnen und Einwohnern wahrgenommen?
Ab und zu. Während meiner Amtszeit waren es nicht mehr als fünf Personen, die zu den Sitzungen erschienen. Ich muss zugeben, dann wurden nicht die umstrittensten und heikelsten Themen behandelt.
Sie haben von 1980 bis 1991 als Gemeinderat von Böckten politisiert. Was hat Sie an dieser Funktion gereizt?
Mich interessierte, wie eine Gemeinde funktioniert. Ich war unter anderem involviert in den Landschaftsplan und in die Umzonung in ein Gewerbegebiet im Bereich des heutigen Lidl. Das waren anspruchsvolle und spannende Aufgaben.
Haben Sie im Fussball Erfahrungen gemacht oder Kenntnisse gewonnen, die Ihnen danach im Berufsleben genützt haben?
Der Fussball hat mich sehr geprägt. Ich habe gelernt, mit unterschiedlichen Menschen umzugehen. In einem Fussballteam gibt es verschiedene Charaktere, und im Sport musst du mit allen umgehen und am gleichen Strick ziehen können. Ich lernte zu gewinnen und zu verlieren. Ich lernte wieder aufzustehen, wenn wir verloren hatten. Der Fussball war eine gute Lebensschule: Man muss mit allen Beteiligten auskommen, ohne sich anzubiedern. Das hat mir Kompetenzen gegeben, die auch im Beruf hilfreich waren.
Zur Person
abi. Walter Mundschin ist am 17. Oktober 1947 in Sursee geboren. 1963 zog er mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Schwestern nach Sissach. Nach dem Besuch des Gymnasiums Liestal absolvierte er an der Universität Basel ein Studium der Nationalökonomie, das er als lic. rer. pol. abschloss. Von 1965 bis 1978 spielte er beim FC Basel Fussball, insgesamt waren es 339 Wettbewerbsspiele, davon 13 im Europapokal der Landesmeister. Sechsmal wurde Mundschin Schweizer Meister und zweimal Cup-Sieger. Sieben Mal lief er in Länderspielen für die Schweiz auf und schoss gegen Schottland ein Tor. Mundschin ist 1,90 Meter gross und spielte in der Position des Liberos als freier Verteidiger hinter einer Dreierkette. Er hat zwei erwachsene Kinder (eine Tochter und ein Sohn) und drei Enkelkinder. Heute ist er pensioniert und wohnt in Liestal.