Industrie und Bausektor boomen, auch in Corona-Zeiten
11.02.2021 BaselbietOberbaselbiet | Umfrage bei Firmen weist auf eine recht robuste Wirtschaft hin
Eine Umfrage bei kleinen bis grossen Baselbieter Unternehmen zeigt: Sie haben das Pandemiejahr erstaunlich gut überstanden – vom Gastround Eventbereich abgesehen. Die Pharmaindustrie ...
Oberbaselbiet | Umfrage bei Firmen weist auf eine recht robuste Wirtschaft hin
Eine Umfrage bei kleinen bis grossen Baselbieter Unternehmen zeigt: Sie haben das Pandemiejahr erstaunlich gut überstanden – vom Gastround Eventbereich abgesehen. Die Pharmaindustrie boomt, ebenso der Bausektor. Die übrigen Branchen kamen einigermassen über die Runden – zum Teil mit Unterstützungsgeldern von Bund und Kanton. Als sehr ungewiss gilt das laufende Jahr.
André Frauchiger
Die Umfrage der «Volksstimme» bei Baselbieter Unternehmen im oberen Kantonsteil bestätigt die Aussage des Baselbieter Standortförderers Thomas Kübler, wonach die Wirtschaft nach dem Jahr 2020 insgesamt nicht schlecht dastehe. Dies bekanntlich mit Ausnahme der Restaurant- und Hotelbetriebe, der Eventfirmen und einzelner Detailhändler, vor allem im Non-Food-Bereich. Den raueren Wind der Covid-19-Pandemie bekamen aber alle Firmen in irgendeiner Form zu spüren. Das laufende Jahr wird verhalten optimistisch bis skeptisch beurteilt.
Grovana
«Ein spezielles und schwieriges Jahr»
fra. Christopher Bitterli, Inhaber der Grovana Uhrenfabrik AG in Tenniken, spricht von einem «speziellen, schwierigen Jahr 2020». Im März und April beim ersten Lockdown und wieder seit dem 20. Januar dieses Jahres gingen die Geschäfte nur schleppend, mussten Einbussen in Kauf genommen werden. Nur der Monat August 2020 sei normal gelaufen, im September habe wieder Kurzarbeit angeordnet werden müssen. Grovana-Uhren sind in 65 Ländern vertreten – mit allen damit verbundenen Unsicherheiten, wie Bitterli erklärt. Glücklicherweise hätten die asiatischen Märkte 2020 wieder angezogen.
Auf das gesamte Jahr 2020 gesehen, musste die Uhrenfabrik aus Tenniken eine 15-prozentige Umsatzeinbusse hinnehmen. Seit diesem Februar sei der Uhrenmarkt wieder blockiert. Er müsse zurzeit vollständig auf Kundenbesuche verzichten, was für das Geschäft nicht gut sei, stellt Christopher Bitterli fest. Der Uhrenfabrikant hofft, dass die Uhrenläden ab März wieder geöffnet sein werden, dann erhole sich der Markt wieder. «Ich bin optimistisch, dass wir im März wieder voll starten können.» Immer wichtiger werde das Onlinebusiness, das bereits vor der Pandemie aufgebaut worden sei und sich seither gut entwickle, verrät Christopher Bitterli. Die Grovana Uhrenfabrik beschäftigt rund 30 Personen.
Bachem
«Ausgeglichenes Resultat»
fra. Die weltweit tätige Bachem AG mit Hauptsitz in Bubendorf ist auf hochwertige Biochemikalien und pharmazeutische Wirkstoffe spezialisiert. Das 1971 gegründete Unternehmen beschäftigt rund 1500 Personen, davon rund 900 in Bubendorf. Bachem hat auch einen Sitz im Wallis (Vionnaz), in Kalifornien, in Grossbritannien (St. Helens) und einen in Tokio.
CEO Thomas Meier legt Wert auf die Feststellung, dass Bachem den Schutzkonzepten für die Belegschaft grosse Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die Massnahmen hätten gut funktioniert. Kurzarbeit musste nicht verzeichnet werden. Nach wie vor befinden sich rund 300 Angestellte im Homeoffice.
Laut Meier brachte die Corona-Pandemie für Bachem ein ausgeglichenes Resultat, eine «Null-Plus-Null-Runde ohne viele Nachteile». Bei den klinischen Studien sei es wegen Corona zu Verzögerungen gekommen. Es sei deutlich spürbar gewesen, dass Operationen in den Spitälern wegen der Corona-Pandemie verschoben worden seien. Einzelne Produkte wie das Arzneimittel Propofol seien aber wegen Corona vermehrt verlangt worden.
Für das laufende Jahr zeigt sich Meier optimistisch. Gesamtwirtschaftlich sieht er die Corona-Zeit aber kritisch. Denn die Frage stelle sich, wie die hohen Schulden bezahlt werden könnten.
Rauscher & Stoecklin
«Flexibel bleiben»
fra. Die Sissacher Elekrotechnik-Firma Rauscher & Stoecklin AG spürte die Pandemie von Anfang an, vor allem in der Lieferkette, wie Managing Director Pietro Nizzola erklärt. «Mit grosser Anstrengung haben wir es geschafft, unsere gesamte Produktion am Laufen zu halten, sodass finanzielle Auswirkungen beinahe gänzlich vermieden wurden.» Leider sei die Firma selbst von Coronavirus-Fällen betroffen gewesen, die aber glücklicherweise nicht so schlimm gewesen seien: Alle betroffenen Mitarbeiter seien wieder im Betrieb. Die innerbetrieblichen Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 funktionierten bisher sehr gut.
Der Umsatz sei bis anhin nur wenig von den Auswirkungen der Pandemie betroffen worden. «Trotz höherer Kosten haben wir keine Hilfen wie Finanzierungen oder Kurzarbeit in Anspruch genommen», bilanziert der Managing Director. Die diversifizierte Betriebsorganisation mit drei Geschäftsbereichen habe dabei «sicherlich geholfen».
Der Elektrizitätssektor, einer der Anwendungsbereiche von Rauscher & Stoecklin, sei «relativ träge». Deshalb hätten in dieser Branche zu Beginn der Pandemie keine grossen Reaktionen am Markt festgestellt werden können. Erst gegen Ende des Jahres 2020 habe sich ein Rückgang der Nachfrage ergeben, insbesondere in der Industrie. Nizzola: «Hingegen gab es im Bereich der Elektroinstallationen anfänglich eine Krise. Diese war aber relativ schnell überwunden, die Situation hat sich wieder normalisiert und wir konnten uns erholen.» Im Bereich der Steckverbinder gab es einen stark reduzierten Export, der Inlandmarkt hingegen blieb stabil. Für das laufende Jahr zeigt sich der Firmenchef vorsichtig: Es sei schwierig, das Jahr abzuschätzen. Im Moment müsse eine Abschwächung der Nachfrage verzeichnet werden. Dabei handle es sich aber nicht um Stornierungen, sondern um Lieferverschiebungen, «sodass wir optimistisch bleiben».
Aktuell werde bei Rauscher & Stoecklin für den Nachfrage-Peak produziert, der normalerweise im Frühling komme. Zusätzlich würden neue Produkte und Dienstleistungen vorbereitet. Pietro Nizzola: «Aufgrund der grossen Ungewissheit ist es für uns wichtig, so flexibel wie möglich zu bleiben, damit wir uns kontinuierlich an die Situation anpassen können.»
Carbogen Amcis
«Eines der besten operativen Ergebnisse»
fra. Die international tätige Carbogen Amcis AG, die als Dienstleister im Bereich Chemische Prozessentwicklung tätig ist, hat ihren Hauptsitz ebenfalls in Bubendorf. Das Unternehmen erzielte 2020 eines der besten operativen Ergebnisse seit dem Zusammenschluss der beiden Firmen Carbo-Gen Laboratories AG und Amcis AG vor 15 Jahren. Geschäftsleitungsmitglied Alan Fischer weist aber darauf hin, dass Covid-19 die Firma in dem Sinne beeinflusst habe, dass einerseits «einige Routineprodukte weniger Absatz generierten, da mögliche Patienten nicht lebenswichtige medizinische Untersuchungen aufschieben und die nachfolgenden Behandlungen nicht stattfinden». Als Beispiel erwähnt er insbesondere den Bereich der Augenheilkunde mit den entsprechenden kommerziellen Arzneimittelwirkstoffen. Die Betroffenen seien mit ihren Augenleiden im vergangenen Jahr offenbar weniger zum Arzt und ins Spital gegangen. Auch andere Pharmaunternehmen hätten diese Entwicklung gespürt. Anderseits hätten einzelne Produkte, zum Beispiel Vitamin-D-analoge Verbindungen, die gegen die Folgen einer Coronavirus-Infektion zu wirken scheinen, einen deutlich höheren Absatz erzielt.
Die internationalen Pandemie-Bekämpfungsbemühungen bewirkten bei Carbogen Amcis eine «Belebung» der Aufträge für neue Wirkstoffe für klinische Studien. Alan Fischer: «Die Welt hat wieder einmal gemerkt, dass Produkte der Pharmabranche lebensnotwendig sind.» Die Prozessentwicklung für pharmazeutische Wirkstoffe für Biotech-Start-ups, die bei Carbogen Amcis 60 Prozent der Gesamttätigkeit ausmacht, habe einen «Boost erhalten». Man spüre jedoch die Schwierigkeiten der Pharma-Kunden, für ihre klinischen Studien die notwendigen Probanden zu rekrutieren.
Laut Alan Fischer gab es 2020 bei Carbogen Amcis weder eine Umsatzeinbusse noch Kurzarbeit. Dank des grossen Einsatzes aller Mitarbeitenden und Vorgesetzten hätten die Auswirkungen von Homeoffice und Teillockdown minimiert werden können. Die Produktivität habe sich bis zum Jahresende kontinuierlich gesteigert und «zu einem glänzenden Resultat geführt». Und der Ausblick aufs weitere laufende Jahr? Alan Fischer unterstreicht, seine Firma habe einen Arbeitsvorrat von mehr als einem Jahr. Wachstum gebe es nur mit mehr Kapazitäten und Investitionen. «Wir haben kürzlich von einem Schweizer Bankenkonsortium die notwendigen Mittel erhalten, unsere Wachstumspläne zu finanzieren. Über die nächsten fünf Jahre werden wir in der Grössenordnung von 200 Millionen Franken in unsere Schweizer und in unser französisches Werk investieren.» Davon profitiere auch der Standort Bubendorf mit drei substanziellen Projekten.
Das grösste Risiko für die Geschäftstätigkeit sieht Alan Fischer im Moment in einem Virusausbruch in kritischen Abteilungen und einer damit einhergehenden temporären Einstellung der Geschäftstätigkeit. Es liege daher im firmeneigenen Interesse, die vom Bundesrat erlassenen Massnahmen so lange weiterzuführen, bis das Ansteckungsrisiko wieder minimal ist.
Mineralquelle Eptingen
«Mit blauem Auge davongekommen»
fra. «Wir sind 2020 mit einem blauen Auge davongekommen», erklärt Damaris Buchenhorner, Verwaltungsratspräsidentin, Geschäftsleitungsmitglied und Leiterin Marketing der Mineralquelle Eptingen AG. 2021 sei hingegen «miserabel gestartet». Wegen des erneuten Lockdowns sei der Umsatz beim Mineralwasser in Glasflaschen für die Gastrobetriebe «auf praktisch null gefallen». Es hänge nun alles davon ab, wie es weitergeht. Sobald die Gastrobetriebe wieder geöffnet werden, werde der Umsatz bei den Glasflaschen auch wieder rasch ansteigen. Als Sofortmassnahme hat die Mineralquelle Eptingen in ihrem Werk in Eptingen zusätzlich Kurzarbeit eingeführt. Das Verkaufspersonal ist bereits seit Mitte November in Kurzarbeit.
Die Glasflaschen für die Gastronomie machen rund 15 Prozent des Umsatzes in Eptingen aus. Zusammen mit dem zweiten Produktionsstandort in Lostorf werden pro Jahr 55 Millionen Flaschen aus Glas oder Pet gefüllt. Der seit über 120 Jahren bestehende Familienbetrieb beschäftigt rund 60 Mitarbeitende.
Damaris Buchenhorner zeigt – trotz wirtschaftlicher Herausforderungen – grosses Verständnis für die Massnahmen von Bund und Kantonen im Kampf gegen Covid-19. Sie hat im engsten Bekanntenkreis einen schweren Covid-19-Fall zu verzeichnen und hat miterlebt, was das Virus anrichten kann.
Goldschmied Ruepp
«Zufrieden – dank Unterstützung»
fra. Goldschmied Thomas Ruepp aus Sissach ist mit dem Geschäftsverlauf 2020 zufrieden. Der Umsatz sei mit dem Vorjahr vergleichbar. Die Leute hätten trotz Krise «noch Geld für Schmuck» gehabt und dieses «in der Region ausgegeben». Thomas Ruepp verkauft Schmuck «ab 400 bis mehrere Tausend Franken». Gerade im Spätsommer und Herbst sei es gut gelaufen. Der Laden war gemäss Bundesverordnung zwei Monate lang geschlossen. In dieser Zeit hat der Goldschmied «in Ruhe auf Bestellung gearbeitet». Ruepp räumt allerdings ein, die Finanzhilfe des Bundes habe ihn vor grösseren Mindereinnahmen bewahrt. Der konkrete Jahresabschluss liegt jedoch noch nicht vor.
Ruepp AG
«Umsatz auf Vorjahresniveau»
fra. Das Bauunternehmen Ruepp AG in Ormalingen hatte 2020 nicht weniger Arbeit als im Vorjahr. «Der Umsatz bewegte sich ungefähr auf demselben Niveau», erklärt Firmeninhaber Michael Ruepp. Auch er hat festgestellt, dass die Bevölkerung tendenziell zu Hause mehr Geld ausgibt, wenn sie nicht in die Ferien reisen kann. Die rund 60 Beschäftigten der Baufirma, die im Hoch- und Tiefbau tätig ist, hatten Vollbeschäftigung. Nicht ausschliessen mag der Unternehmer, dass die Aufträge in den nächsten Monaten rückläufig sein könnten, wenn Kanton und Gemeinden bei den Investitionen sparten. Doch er hofft darauf, dass dies trotz angespannter Finanzsituation nicht der Fall sein wird.
Verna AG
«Wir können uns nicht beklagen»
fra. Ins gleiche «Horn» wie die Ruepp AG bläst das Bauunternehmen Verna AG in Sissach. Es ist im selben Segment tätig – Hoch- und Tiefbau, zusätzlich noch Muldenservice und Muldentransport.
120 Festangestellte und 5 Temporäre werden in der Verna AG beschäftigt, wie Yvonne Spinnler, Partnerin des Firmeninhabers Vincenzo Verna, erklärt.
Spinnler: «Wir hatten auch in Zeiten des Lockdowns alles offen, es lief gut, wir können uns nicht beklagen.» Nach wie vor verzeichne das Bauunternehmen volle Auftragsbücher. Der Blick in die Zukunft sei von Optimismus geprägt.
Bad Bubendorf
«Herbe Umsatzeinbussen im Hotel»
fra. Das bekannte Hotel Restaurant Bad Bubendorf sah sich 2020 mit grossen Herausforderungen konfrontiert, wie Hoteldirektor Mario Joch erklärt. Die Gaststätte, die wie das Bad Ramsach zum Besitz einer exklusiven privaten Hotel- und Restaurantkette gehört, musste in dieser Corona-Zeit «herbe Umsatzeinbussen» verzeichnen. Das Bad Bubendorf empfängt normalerweise viele Seminar- und Businessgäste; diese fielen im vergangenen Jahr «praktisch komplett weg», wie Joch betont. «Viele Bankette und Hochzeiten wurden storniert.» Für die gesamte Branche, ob Ferien- oder Stadthotellerie, sei es kaum möglich gewesen, vernünftig zu wirtschaften: «Viele Kollegen sprechen von ruinösen Rahmenbedingungen.» Er kenne keinen Hotelbetrieb, der nicht Kurzarbeit habe anmelden müssen.
Auch der Beginn des laufenden Jahres sei «äusserst schwierig» gewesen. Wichtig sei es, die Kostenseite im Griff zu haben und die Liquidität gut im Auge zu behalten. Aber: «Eine Prognose, die über den April 2021 hinausgeht, wage ich nicht abzugeben.» Das Hotel Bad Bubendorf will sich verstärkt auf den individuellen Gast fokussieren. Gefragt seien zurzeit Gesamtangebote mit guter Gastronomie und Übernachtung. Dies ist trotz Corona und geschlossenem Restaurationsbetrieb für Gäste mit Hotel-Übernachtung möglich. Die hauseigene «Osteria Tre» mit 16 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern sowie die «ausgezeichnete Küche im Wintergarten» seien glücklicherweise Anziehungspunkte für Gäste mit Hotelbuchung. Mario Joch: «Den Kopf in den Sand zu stecken ist für uns keine Option. Wir setzen weiterhin auf hohe Qualität und kämpfen uns mutig durch diese Krise.» Diese sei schliesslich auch «eine Chance, Prozesse zu überdenken und neue Ideen zu entwickeln».
Spectrum GmbH
«Es lief nichts»
fra. Für Patrick Kölliker, Mitinhaber des Veranstaltungsdienstleisters Spectrum GmbH in Bretzwil, war das Jahr 2020 katastrophal. Er musste eine 80-prozentige Einbusse beim Geschäftsgang hinnehmen. Januar und Februar des vergangenen Jahres seien noch recht gut gelaufen. Im Lockdown und im Sommer aber «lief nichts»: «Es ging nichts mehr, es gab nicht einmal Livestreams zu konzipieren und zu realisieren.» Kölliker musste seit dem Interview mit der «Volksstimme» vom 11. September («Wir fühlen uns im Stich gelassen») einen weiteren Mitarbeiter entlassen. Seine Mitarbeitenden leisten weiterhin Kurzarbeit. Im Dezember machte Patrick Kölliker eine Eingabe, um die Härtefallregelung nutzen zu können. Die Antwort sei noch offen.
Nach Einschätzung Köllikers sieht es für die nächsten Monate nicht gut aus. «Die Absage der BEA in Bern weist darauf hin.» Dasselbe zeichne sich bei den Festivals ab. Nicht nur seine Branche, auch Werbefirmen würden leiden. Nach wie vor zeigt sich Kölliker aber entschlossen, nicht aufzugeben. Mit Visualisierungen und Aufträgen im kleinen Rahmen will er die Zeit durchstehen. «Es besteht aber eine grosse Planungsunsicherheit.»