Die immer ausgefallenere Fasnacht
23.02.2021 Bezirk Sissach, Sissach«Glöggeliwagä» lässt sich von Corona und anderen Hemmschwellen nicht bremsen
Sissacher Fasnacht abgesagt – aber nicht ganz! Der «Glöggeliwagä» wurde auch an diesem Wochenende unter die Leserinnen und Leser gebracht. Die Zeitung bietet erneut köstliche Unterhaltung und sorgt ...
«Glöggeliwagä» lässt sich von Corona und anderen Hemmschwellen nicht bremsen
Sissacher Fasnacht abgesagt – aber nicht ganz! Der «Glöggeliwagä» wurde auch an diesem Wochenende unter die Leserinnen und Leser gebracht. Die Zeitung bietet erneut köstliche Unterhaltung und sorgt dafür, dass das ersterbende Flämmchen der Fasnachtszeitungen nicht erlischt.
Neofütt
«Die Fasnacht wird immer ausgefallener.» Dieses Bonmot ist auf der Titelseite des diesjährigen «Glöggeliwagä» zu finden. Doch gerade für das Sissacher Fasnachtsblatt trifft zumindest der zweite Sinn des doppeldeutigen Satzes nicht zu. Während alle Fasnachtsaktivitäten abgesagt sind, erscheint der «Glöggeliwagä» unverdrossen. Es ist bereits die 83. Ausgabe der «Zämmewüschede», wie sich die Fasnachtszeitung in der obersten Zeile selber bezeichnet.
Der Name trifft zu, denn den Schreibern ist seit der ersten abgesagten (oder ausgefallenen) Fasnacht kein Zwischenfall entgangen, der magnetisch auf Spott und Häme wirken könnte. Da kommen Gemeinderäte, auch abgewählte, und andere Dorfgrössen an die Kasse, und viel Fantasie muss nicht aktiviert werden, um zu durchschauen, wer hinter maskierten Namen wie Pfuser, Agfred Funzenhauser , Marc Fisherman oder Schrichtel Tran steckt. Anonym bleiben ganz nach Fasnachtsart dafür die Autoren. Das verleiht dem «Glöggeliwagä» seinen Biss.
Von Grünen und Schwellen
Trotz Corona umfasst die Zeitung, die im Auftrag der Sissacher Fasnachtsgesellschaft erscheint, 32 vielfältig gestaltete Seiten und kostet 5 Stutz. Das ist eine allein schon quantitativ erstaunliche Leistung und reicht locker, um für die Dauer eines ausgefallenen Umzugs fortwährend kichern zu können. Bei diesem Umfang liegt es aber auf der Hand, dass das Niveau des Humors zwischendurch etwas absackt und noch niederschwelliger ist als die neuen Verkehrsberuhigungsmassnahmen in der Sissacher Begegnungszone. Diese werden fasnachtsjournalistisch gleich mehrfach überfahren.
Auch der grüne «Breesi» überquert sie plötzlich mit einem Roller, der, scheints, mehr Benzin trinkt als sein Besitzer Bier. Wenn wir uns gerade mit der Modefarbe befassen. Dass ausgerechnet seine Partei das Projekt eines vergrösserten Veloparkplatzes fällt statt der Bäume, wird ausgekostet. Hingegen schafft es eine Ständerätin, welche die gleichen Farben tragen und ebenfalls in Sissach ansässig sein soll, es für einmal nur in die Randspalten.
Die Galerie der berühmten Sissecher Chläuse wird wie jedes Mal um einen Kopf erweitert, der nur Tauben im Kopf hat, und selbstverständlich weiss auch der Briefkastenonkel auf die wirrsten Fragen fast immer eine Antwort. Zudem kommen trotz der Coronakrise wieder zwei Seiten Inserate zusammen, in denen jeder Werber für einen vorzüglich gedrechselten Zweizeiler über seine Dienste bezahlt.
Die Stärke als Schwäche
Im Persiflieren lokaler Ereignisse liegt auch in diesem Jahr die absolute Stärke des «Glöggeliwagä» – und zugleich seine wohl grösste Schwäche. Wer die offenbar meist ausgesprochen durstigen Hauptdarsteller nicht kennt, ist bei einigen Pointen etwas verloren. Insidern ist dafür ein köstlicher Nachmittag garantiert.
Auch dieses Mal fehlt aber der Blick über die Sissacher Grenzen nicht. Im Ressort «Ussland» berichtet ein Korrespondent, dass im Bücheldorf nichts läuft. Einst sorgte Sissach-Süd für nationale Schlagzeilen, weil das Dorf eine Bundesrätin als 1.-August-Rednerin auslud und jede Gemeindeversammlung ausartete. Heute sind eine umstrittene Antenne, der wegziehende Bäcker-Weltmeister und das nach Betrug riechende Ende des Fitnessstudios die höchsten der Gefühle. Deshalb fleht der Auslandkorrespondent bei der Heimredaktion um Versetzung. Ja, das neue Zunzgen, so lehrt der neue «Glöggeliwagä», ist längst gefunden: Rothenfluh. Die Gründe dafür finden sich auf Seite 7 der Fasnachtszeitung.
Gleich daneben wird die «Volksstimme» als Dünnblatt bezeichnet und kriegt auch an anderen Stellen ihr Fett ab. Ihr (und nicht Corona) wird zum Vorwurf gemacht, dass sämtlicher Sportbetrieb eingestellt ist und ergo keine regelmässige Sportberichterstattung erfolgen kann. Doch wer sich wehrt, hat den Fasnachtshumor nicht begriffen.
Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass neben dem «Glöggeliwagä» noch die zweite Sissacher Fasnachtszeitung, wenigstens halbwegs, Corona trotzte. Der «Gurlifiengger» der «Volksstimme» liess sich trotz allem die Fasnachtsstimmung nicht ganz rauben und erschien vergangenen Freitag in geschrumpfter Form. Statt des gewohnten Umfangs musste sich die Redaktion auf 4 Seiten voller Spott und Gags beschränken: Mangels «Chünggel» stösst man da auf Spritziges zu den Brunnen in Rothenfluh, auf einen blutigen Krimi zur Spielgeldaffäre in Diegten, und an allem nagt ein lieber Biber. Ezettera, ezettera.
Der «Glöggeliwagä» zeigt sich überzeugt, dass «die kleineren und grösseren Kalbereien», die sich im Oberbaselbiet ereignen, auch in diesem Jahr locker 32 Seiten füllen. Und dem «Gurlifiengger» wünschen wir eine Rückkehr in alter Pracht, damit dieses anderswo sanft entschlafene Produkt weiterhin eine bemerkenswerte Besonderheit der hiesigen Fasnacht bleibe. Zumindest der «Glöggeliwagä» verkündet schon auf der ersten Seite: «Uf Widerlääse am 6. Meerz 2022. Das ist dann hoffentlich wieder richtiger Fasnachts-Sonntag.»