QUERPASS
14.01.2021 RegionBitte keine Wackler
Lang, länger, Lauberhorn: mit 4480 Metern die längste Abfahrtsstrecke der Welt. Mehr als 1000 Meter Höhenunterschied, Top-Geschwindigkeiten bis zu 160 Stundenkilometer und Passagen wie Hundschopf, Minschkante und Haneggschuss verlangen den ...
Bitte keine Wackler
Lang, länger, Lauberhorn: mit 4480 Metern die längste Abfahrtsstrecke der Welt. Mehr als 1000 Meter Höhenunterschied, Top-Geschwindigkeiten bis zu 160 Stundenkilometer und Passagen wie Hundschopf, Minschkante und Haneggschuss verlangen den Fahrern alles ab. Am Wochenende wären die besten Abfahrer der Welt wieder nach Innerwengen hinuntergedonnert – nun fällt die 91. Ausgabe wegen der Pandemie aus.
Auch ohne Rennen: Das Lauberhorn ist spektakulär, spannend und schwierig. Nicht von ungefähr befand der Schweizer Ex-Abfahrer Bruno Kernen einmal, nach den rund zweieinhalb Minuten Fahrzeit würden die Oberschenkel im Ziel dermassen brennen, «dass man darauf Eier braten könnte». Zum Thema Kernen und Eier später mehr.
Schon immer hat sie mich fasziniert, diese Abfahrt. So richtig Fan war ich zwar nur von Gold-Vreni Schneider, da hatte kein Abfahrer auch nur den Hauch einer Chance, als Poster an die Wand meines Kinderzimmers zu gelangen. Die Rennen verfolgte ich trotzdem jedes Jahr am Fernsehen. Eines blieb mir besonders in Erinnerung: 1994 gewann William Besse im Käsedress am Lauberhorn. An Besse gefielen mir seine Art und sein Fahrstil. Und: sein Schnauz! Ich glaube, Besse war der einzige Mann, dessen Schnauz ich damals für noch schöner befand als denjenigen meines Vaters.
21 Jahre nach Besses Sieg war ich selber zum ersten Mal als Reporterin vor Ort – und konnte mich kaum auf das Rennen konzentrieren. Im Zielraum war es so abartig kalt! Irgendwann spürte ich weder Zehen noch Finger, und es dauerte eine Weile, bis ich – zurück im warmen Pressezentrum – wieder aufgetaut war. Ein Jahr später passierte mir das nicht mehr, da war die Reporterin aus dem Unterland besser vorbereitet: Dank Wärmeeinlagen in den Schuhsohlen überstand ich die Ausgabe 2016 unbeschadet.
Zweimal war ich für die BaZ in Wengen, schrieb über «Gemischte Gefühle bei Patrick Küng», «Hoffen auf den Heimvorteil» und «Nebel, Neuschnee und dominante Norweger». Speziell in Erinnerung blieb mir eine Vorschau mit dem Titel «Möglichst keine Wackler»: mit Bruno Kernen, der das Rennen 2003 gewonnen hatte und nun fürs Fernsehen als Kamerafahrer im Einsatz war. Wir trafen uns in einer Hotellobby zum Interview, er erklärte mir die Schlüsselstellen und erzählte Anekdoten wie jene über das Eierbraten auf den Oberschenkeln.
Stunden später meldete sich Bruno Kernen noch einmal, per SMS: Ob er mich zum Nachtessen einladen dürfe? Nicht, dass ich darob kalte Füsse bekommen hätte. Die waren inzwischen wieder wohlig warm. Sein Angebot lehnte ich dennoch dankend ab.
Seraina Degen (34) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.