«Die Politik ist mir eine Herzens angelegenheit»
26.01.2021 Basel, Itingen, Wirtschaft, Porträt, PolitikSaskia Schenker dient der Wirtschaft und dem Freisinn
Seit Anfang dieses Jahres ist Saskia Schenker (41) Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel. Deshalb gibt sie im August das FDP-Präsidium ab. Sie wolle damit allfälligen Interessenkonflikten aus dem Weg gehen.
Christian ...
Saskia Schenker dient der Wirtschaft und dem Freisinn
Seit Anfang dieses Jahres ist Saskia Schenker (41) Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel. Deshalb gibt sie im August das FDP-Präsidium ab. Sie wolle damit allfälligen Interessenkonflikten aus dem Weg gehen.
Christian Horisberger
Die Präsidentin der FDP Baselland, Saskia Schenker, ist beruflich in die engere Heimat zurückgekehrt. Seit Anfang Jahr führt sie die Geschäftsstelle des Arbeitgeberverbands Basel. Vor vier Jahren hat sie die Region verlassen, um in Bern beim Krankenversichererverband Curafutura Gesundheitspolitik zu machen. Zuvor hatte sie das Politikteam in der Wirtschaftskammer Baselland geleitet.
Wir haben Schenker im Hauptquartier ihres Verbands beim Aeschenplatz einen Besuch abgestattet. Wie anderswo ist auch in der Geschäftsstelle im zweiten Stock des pwc-Bürogebäudes Corona allgegenwärtig. Wer nicht im Homeoffice oder in einem Einzelbüro sitzt, trägt Maske. Auch im Tagesgeschäft dreht sich derzeit vieles um die Pandemie, also um die arbeitsrechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Wie sieht es mit der Anmeldung für Kurzarbeit aus, wenn der Bundesrat die Regeln Mitte des Monats ändert? Wer haftet bei Unfällen während des Homeoffice?
Fragen wie diese zu beantworten gehört zu den Dienstleistungen, welche der Arbeitgeberverband für seine Mitglieder erbringt: Expertenberatung und Unterstützung in den Bereichen Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht, Sozialversicherung oder Familienpolitik. Bei diesen Themen werde die Stimme des Arbeitgeberverbands Basel in der Politik, aber auch in regionalen und nationalen Expertengremien gehört, sagt Schenker. Und fälle die Politik Entscheide, welche die Wirtschaft umsetzen müsse, sei es die Aufgabe des Verbands, als Schnittstelle zwischen Staat und Wirtschaft Transparenz zu schaffen und das Wie zu regeln. In der Verbandsarbeit profitiere sie vom Rucksack sowie vom Netzwerk, die sie sich bei Curafutura und bei der Wirtschaftskammer erarbeitet hat, sagt die Arbeitgeber-Direktorin.
«In gesundem Wettbewerb»
Schenker macht im Gespräch mit der «Volksstimme» weder Punkt noch Komma. Sie schwärmt davon, in ihrer Funktion «nahe bei den Unternehmen» zu wirken und für die Region Basel tätig zu sein. «Region», weil nur die Hälfte der Mitglieder des baselstädtischen Arbeitgeberverbands ihr Domizil im Stadtkanton haben. Ein Drittel stammt aus dem Baselbiet, die übrigen aus den Kantonen Aargau und Solothurn.
Wie die 41-jährige Politologin hervorhebt, seien bei ihrem Verband neben zahlreichen Unternehmen auch mehrere Verbände wie die Privatspitäler-Vereinigung sowie die Handelskammer beider Basel angeschlossen. Denn der Arbeitgeberverband Basel sei ein regionaler Dachverband und Träger einer schweizweit tätigen Ausgleichskasse. Die Handelskammer vertritt neben dem Arbeitgeberverband Basel, dem Gewerbeverband Basel-Stadt und der Wirtschaftskammer Baselland ebenfalls die Interessen der Wirtschaft in der Region. Kommen sich die Verbände nicht ins Gehege? «Wir stehen in einem gesunden Wettbewerb», sagt Schenker. Man grenze sich thematisch ab und vertrete unterschiedliche Klientel. So gehöre dem Gewerbeverband vorwiegend das klassische Gewerbe an, während es sich bei den Mitgliedern des Arbeitgeberverbands eher um kleine und grosse Betriebe aus den Bereichen Dienstleistung und Industrie sowie um Branchenverbände handle.
Politisch habe man ganz ähnliche Interessen und ziehe meistens am gleichen Strick. Als beispielsweise kürzlich der Basler Grosse Rat einen Gegenvorschlag zur kantonalen Mindestlohn-Initiative verabschiedete, gaben die drei städtischen Verbände eine gemeinsame Stellungnahme ab. Es war nicht die erste und es wird nicht die letzte Medienmitteilung gewesen sein, in der sich die Arbeitgeber kritisch zu einem Beschluss der Basler Politik geäussert haben.
«Basel Finish» nennt Schenker die Angewohnheit der rot-grünen Mehrheit, vom Bund geforderte Standards zu übertreffen. Zuletzt bei der Lohngleichheitsdeklaration und bei Kontrollen von Betrieben, die im kantonalen Beschaffungswesen als Anbieter auftreten. Der Bund verlangt den Lohngleichheitsbeweis von Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden, Basel-Stadt verlange sie im Beschaffungswesen von Firmen jeder Grösse. «Ich stehe voll und ganz hinter der Lohngleichheit. Aber den Unternehmen in der aktuellen Lage solche Zusatzprüfungen aufzuzwingen, ist nicht angebracht.» Bei diesen und anderen freiwilligen Verschärfungen wolle Rot-Grün Basel als Pionierkanton positionieren, sagt Schenker. Oft auf Kosten der Unternehmen. «Jene Politikerinnen und Politiker sind sich nicht bewusst, dass Basel sich diesen Status nur dank dieser Unternehmen leisten kann.» Ihre Aufgabe sei es, darauf aufmerksam zu machen, dass man dies nicht aus den Augen verliert.
Schweren Herzens
Nach ihrem Stellenantritt per 1. Januar dieses Jahres gab Schenker bekannt, dass sie Ende August das Präsidium der FDP Baselland abgeben werde. Leicht sei ihr der Entscheid nicht gefallen, versichert Schenker. Nachdem sie die Führung der schlingernden FDP kurz vor den kantonalen Wahlen vom glücklosen Paul Hofer übernommen hatte, brachte sie die Freisinnigen innert kürzester Zeit in ruhige Gewässer und konnte mit der Verteidigung der 17 Landratsmandate und dem Zuwachs an Wählerstimmen bei den nationalen Wahlen Erfolge verbuchen: Der nationale Trend hatte nach unten gezeigt. Persönlich schaffte sie es hinter Daniela Schneeberger auf Platz zwei auf der Nationalratsliste. Nur die Eroberung des Baselbieter Ständeratssitzes durch Schneeberger misslang der FDP unter Schenkers Führung.
Inzwischen sei die Parteileitung gut aufgestellt, die Nachwuchsarbeit aufgegleist, die Fraktion harmoniere. Sie habe grosse Freude am FDP-Präsidium, versichert die Itingerin, und sie scheue auch den Aufwand nicht, den es mit sich bringt. Dennoch kündigte sie kurz nach Neujahr an, das Zepter Mitte Jahr in andere Hände zu legen. Warum? Sie wolle verhindern, durch ihren Direktorenposten beim Arbeitgeberverband Basel trotz gleichgerichteter Anliegen in Interessenkonflikte zu geraten, sagt Schenker. Es handle sich für sie um eine Grundsatzfrage, und sie finde es falsch, diese zwei Hüte zu tragen. Der Zeitpunkt sei für die Nachfolgerin oder den Nachfolger ideal, um sich frühzeitig mit den nächsten kantonalen Wahlen im Jahr 2023 auseinandersetzen und diese vorbereiten zu können.
Parteimitglieder hätten ihr grossmehrheitlich Bedauern, aber auch Verständnis für ihre Haltung entgegengebracht, sagt Schenker: «Die meisten verstehen, dass man nicht alles machen kann.» Immerhin, den Mitgliedern der FDP Sissach und Umgebung tut Schenker den Gefallen. Dieses Mandat, das sie seit 2014 innehat, wird sie behalten. Und auch ihren Sitz im Landrat werde sie nicht abgeben: «Der Jobwechsel kam für mich nur unter der Bedingung infrage, dass ich im Landrat bleiben kann. Die Politik ist mir eine Herzensangelegenheit.»
Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger hat die Parteileitung bereits eingeleitet. Diese Woche hat sie eine Findungskommission eingesetzt, kommende Woche wird die Parteibasis über den ganzen Prozess ins Bild gesetzt. Als Schenker den Job interimistisch von Paul Hofer übernommen hatte, riss sich niemand darum. Jetzt sei die Situation eine andere. Die Amtsinhaberin zweifelt nicht daran, eine willige und kompetente Persönlichkeit zu finden. «Die Ausgangslage ist nicht vergleichbar mit damals», sagt Schenker. «Es gibt Namen», versichert sie, auch ohne welche zu nennen. Die Gewissheit, personell gut aufgestellt zu sein, habe sie auch in ihrem Entscheid bestärkt, das Präsidium abzugeben.
Gewissenhaft, vorausschauend, verlässlich, ruhig. Mit diesen Eigenschaften hat Schenker die FDP geeint und auch von der Wirtschaftskammer emanzipiert, für die sie selber lange Zeit unter dem abgewählten FDP-Landrat Christoph Buser gearbeitet hatte. Dies gelang ihr, ohne Geschirr zu zerschlagen. An der Spitze einer Partei lasse sich mehr erreichen, wenn man integrierend anstatt separierend agiere, und wenn sie die unterschiedlichen Meinungen und Bedürfnisse absorbiere, anstatt deswegen in die Luft zu gehen, kommentiert Schenker.
Keine Frau der lauten Töne
Für diese Besonnenheit musste sich Schenker auch schon den «Vorwurf» gefallen lassen, «keine Ecken und Kanten» zu haben. Das hört sie nicht gern: «Ich gehe keiner unangenehmen Frage aus dem Weg», sagt die Parteichefin. Sie habe ihre Überzeugungen und mache zu ihren Positionen auch klare Aussagen. Dies aber nicht mit lauten, unanständigen Tönen. «Das bin nicht ich und ich werde mich auch nicht ändern.»
Mit politischen Ambitionen, allenfalls auf einen Regierungssitz, habe der Stellenwechsel zurück von Bern in die Region Basel nichts zu tun, versichert Schenker, die 2019 als Landrätin bestätigt wurde. «Ich betrachte den Posten beim Arbeitgeberverband als langfristiges Engagement», sagt sie. «Meine Karriereplanung findet im Beruf statt und nicht in der Politik.» Konzentriere man sich auf eine politische Karriere, laufe man Gefahr, sich festzufahren und keine Risiken mehr einzugehen, um seine Ziele nicht zu gefährden. Sie ziehe die Freiheit vor, Entscheide ohne Kalkül treffen zu können.