AUSGEFRAGT | BEAT FEIGENWINTER UND MIKE MATHYS, ZUNFT ZUM OBEREN TOR
11.12.2020 Gesellschaft«Wir haben das Talleben bereichert»
Mehr als 22 Jahre lang hat sich die Zunft zum Oberen Tor Waldenburg dafür eingesetzt, das Waldenburgertal als Lebensraum noch attraktiver zu machen. Doch jetzt steht die Zunft vor dem Aus. Die Co-Leiter Beat Feigenwinter ...
«Wir haben das Talleben bereichert»
Mehr als 22 Jahre lang hat sich die Zunft zum Oberen Tor Waldenburg dafür eingesetzt, das Waldenburgertal als Lebensraum noch attraktiver zu machen. Doch jetzt steht die Zunft vor dem Aus. Die Co-Leiter Beat Feigenwinter und Mike Mathys blicken zurück auf erfolgreiche Jahre, auch wenn nicht immer alle Ziele erreicht werden konnten.
Elmar Gächter
Nach mehr als 20 Jahren Bestand wird Ihre Zunft künftig Geschichte sein. Lassen sich keine Leute mehr für Ihre Ziele begeistern?
Beat Feigenwinter: Nein, dies würde ich nicht so formulieren. Die Leute im Tal haben nach wie vor grosses Interesse an Aktivitäten. Geht es aber um das Organisieren und Mithelfen, dann finden sich je länger, je mehr immer weniger Personen, die unterstützen und mithelfen, halt «Knochenarbeit» leisten. Dazu kommt, dass die Angebotspalette für Freiwilligenarbeit riesig ist. Zudem sind die Einwohnerinnen und Einwohner des Tals mobiler und führen ihre Aktivitäten und ihre Freizeitgestaltung auch ausserhalb des Tals aus, Beispiele Sport oder Theater. So ist die stolze Zahl von ehemals 30 Mitgliedern auf noch 12 geschrumpft.
Mike Mathys: Und mit dieser Anzahl lassen sich viele der geplanten Anlässe kaum noch bestreiten.
Welche Anlässe beurteilen Sie als die erfolgreichsten?
BF: Der Herbstwindanlass, den wir mehr als 15 Jahre im «Gerstel» für Familien durchgeführt haben, bleibt in ganz besonderer Erinnerung. Freude bereitet uns auch der Weihnachtsmarkt, den wir 1998 vom Frauenverein übernommen und später an die Gemeinde Waldenburg übergeben haben. Und ganz speziell blicken wir auf den jährlichen Dreikönigstreff zurück.
Weshalb?
BF: Er hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, und wir konnten dadurch neue und interessante Themen für Waldenburg und das Tal lancieren. Rein von den Besucherzahlen her waren die Anlässe mit geschichtlichen Themen über Waldenburg die erfolgreichsten.
MM: Wir haben in den vergangenen Jahren das Format so geändert, dass vermehrt die Zukunft unseres Tals thematisiert wurde. Anstelle des reinen Vortragsformats wurde so auch der aktive Einbezug der Anwesenden möglich.
Woran lassen sich die Erfolge am besten ablesen?
BF: Ich denke, dass wir das Talleben bereichert haben. Dies entnehmen wir auch immer wieder den zahlreichen positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, auch von Vertreterinnen und Vertretern der Behörden. Es sind ja auch ein paar spannende Ideen für das Tal entstanden, wie die Talwährung in Form von (Zeit-)Gutschriften oder eine Talplattform für Anlässe, Aktivitäten und Angebote im Tal. Beflügelt hat uns auch die Teilnahme der Behörden an unseren Dreikönigsanlässen, aus manchen Gemeinden erschien der komplette Gemeinderat.
Gibt es auch Anlässe, auf die Sie im Nachhinein eher verzichtet hättet?
MM: Grundsätzlich nicht. Aber der Anlass «Gemeindepower» (bei dem der Gemeindepräsident aus dem thurgauischen Hohentannen über seine Erfolge mit neuen Ideen berichtet hat, Anm. der Redaktion) mit seinem eigentlich spannenden Ansatz, einer Gemeindekrise mit innovativen Ideen zu entkommen («eigene Währung», Investitionen in neue (Solar-)Technologien), hat gezeigt, dass sie bei den Behördenvertretern auf dem Podium nicht auf Gegenliebe stiess. Im Gegenteil, es wurde entweder nach Ausreden gesucht, warum das hier nicht gehen würde, oder es wurde versucht, eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten zu betonen.
Die Anlässe waren in der Regel sehr gut besucht, jüngere Leute waren jedoch praktisch kaum vertreten. Haben diese aus Ihrer Sicht überhaupt Interesse an der Mitarbeit für einen attraktiven Lebensraum Waldenburgertal? B F: Das haben wir natürlich auch gemerkt und deshalb versucht, für den letzten Anlass zum Thema «Mir mache Wb-Tal» auch explizit junge Leute zu interessieren. Junge Teilnehmer in der Runde waren dann aber nur die von uns eingeladenen Moderatorinnen und Moderatoren. Dennoch wurden zwischen den Teilnehmenden engagierte Diskussionen geführt und wertvolle Inputs gegeben.
Wie steht es aus Ihrer Sicht mit der Solidarität, wenn es um das Gemeinwohl der Gesellschaft geht?
BF: Es ist eine Zeit- und Wohlstandserscheinung, dass sich nicht mehr alle Mitglieder der Gesellschaft für das Gemeinwohl einsetzen. Die Wörter Gemeinde oder Kommune betonen das Gemeinschaftliche. Sie wurden ursprünglich gegründet, um Probleme der Wasserversorgung, der Entsorgung, des Infrastrukturaufbaus, der Finanzierung und anderem mehr gemeinsam zu lösen, weil ein Individuum allein dies nicht kann. Wahrscheinlich werden sich die passiven, uninteressierten Einwohner erst in Krisen wieder stärker engagieren – dann rückt man automatisch näher zusammen. Hier könnten Corona und die künftigen Herausforderungen für die Gemeinden bezüglich Klimaveränderung durchaus wieder mehr Solidarität bringen.
Wo müsste der Hebel vor allem angesetzt werden?
BF: Alle Gemeinden haben die gleichen oder ähnliche Probleme. Vermehrte und engere Zusammenarbeit wäre deshalb angesagt.
Ist ein Engagement, wie es Ihre Zunft über viele Jahre hinweg vorbildlich praktiziert hat, in der Bevölkerung überhaupt noch gefragt?
BF: Ob unser Engagement noch gefragt ist oder nicht, ist eigentlich nicht das Thema. Wir fühlen uns hier zu Hause und setzen uns deshalb für die Zukunft des Tals ein. Am Ende war es einfach das Problem, ob und wie wir mit den wenigen Mitgliedern überhaupt noch Aktivitäten durchführen können.
Gibt es eine Nachfolgeorganisation, die Ihre Arbeit oder einen Teil davon weiterführt?
MM: Ja, der neu gegründete Verein «Waldenburg belebt». Er nimmt sich vermehrt der Aufwertung und Wohnlichkeit des «Stedtlis» an. Ihm wird auch das Restvermögen unserer Organisation überschrieben.